Problem: Wien als Ratten-Paradies?
Wien wächst. Neben den zwei Millionen Zweibeinern an der Oberfläche tummeln sich in Kellern, in der Kanalisation und in tausenden, versteckten „Nager-Löchern“ laut Schätzungen der Schädlingsbekämpfer ein zahlenmäßig weit größeres Heer an Ratten. Schätzungen gehen von gut vier Millionen aus. Die Kopfzahl lässt sich kaum kalkulieren. „Vor allem dort, wo Nahrung in Hülle und Fülle zu finden ist“, erklärt Peter Fiedler, Berufszweigvorsitzender der Schädlingsbekämpfer in der Wiener Wirtschaftskammer, gegenüber weekend. Die „stetig steigende Population“ habe aber auch andere Gründe als überquellende Mistkübel und achtlos weggeworfene, lockende Reste der Wegwerfgesellschaft, so der Experte.
Baustellen stören Nager
Einerseits hätten die vielen U-Bahn-Baustellen den Lebensraum der Ratten „beunruhigt“ und zu vermehrten Sichtungen in den angrenzenden Grätzln geführt. Anderseits habe der Trend zur Outdoor-Kulinarik eine magische Anziehungskraft auf die unbeliebten Nager. Auch die rechtliche Lage, spiele den Ratten seit zwei Jahrzehnten in die Hände, sagt Fiedler
War bis 2004 die Bekämpfung der pelzigen Krankheitsüberträger ein hoheitliches Recht, greift seit 2005 die Wiener Rattenverordnung, die die Besitzer von Liegenschaften in die Pflicht nimmt, im „Ratten-Fall“, die Profis mit der Bekämpfung zu beauftragen. Doch nicht überall kommen die Eigentümer ihrem Auftrag auch augenblicklich nach. Das schaffe den Nagern zumindest einen zeitlichen Vorsprung – und auch die Chance, eine nächste Generation an unliebsamen Mitbewohnern zu zeugen.
Tierfreunde: "Die armen Ratten"
Zudem wird die Bekämpfung immer kontroversieller diskutiert. „Immer wieder sind wir damit konfrontiert, dass manche Tierliebhaber stillschweigend, die Nager im unmittelbaren Umfeld auch dulden – frei nach dem Motto ‚die armen Ratten‘“, so der Branchenvertreter.
Gefahr für Haustiere
Andere wiederum setzten auf "Selbstjustiz" und wollen Seuchenpolizei spielen. Den Versuch, der Plage selbst Herr zu werden, sollte man laut Fiedler aber gar nicht erst in Erwägung ziehen. So ist seit 2018 die Abgabe der meisten Rodentizide mit blutgerinnungshemmenden Wirkstoffen an Private in der Europäischen Union verboten. (Und auch der Gebrauch auch für professionelle Schädlingsbekämpfer strikt reguliert.) Zudem könnten Alternativ-Gifte mit dem Wirkstoff Cholecalciferol auch den eigenen Hund oder die eigene Katze in große Gefahr bringen, erzählt Fiedler. „Hier müssen die Experten ran.“
Wer am Stadtrand oder rund um die großen Grünflächen mit Schlagfallen auf Jagd geht, kann auch in Wien lebende, bedrohte Wildtiere irrtümlich zur Strecke bringen. „Vor allem Nager wie Feldhamster oder Ziesel sind aufgrund ihrer ähnlichen Futter-Favoriten hochgradig gefährdet.“
Hotspots der Müllfreunde
Doch es ist nicht der grüne Dschungel Wiens – wie etwa auf der Donauinsel oder im Stadtpark – der zu den ausgesprochenen Ratten-Hotspots zählt. Einen großen Reiz übt unter anderem der Schwedenplatz aus. Aber auch rund um die Wiener Märkte und am entlang des Donaukanals wimmelt es vermehrt. Auch dort, wo achtlos Müll in den Innen- und Hinterhöfen vor sich hin gammelt. „Leider kommt es immer wieder vor, dass Müll unsachgemäß entsorgt wird“, meint Fiedler – und appelliert an alle, die Grundprinzipen an Reinlichkeit nicht weiter einreißen zu lassen.
Ratte gefunden: Was tun?
Doch was nun tun, wenn die Ratte mal da ist. Und einem vielleicht auch noch im Keller mit großen Augen anstarrt? „Wichtig ist, das Tier nicht in die Enge zu treiben. Wenn sich eine Ratte bedrängt fühlt, besteht die Gefahr, dass sie sich wehren wird. Einen vielleicht sogar anspringt“, sagt der Profi. Sein Rat: „Umdrehen. Nicht in Panik verfallen! Zeitpunkt und Ort der Sichtung notieren.“ Im nächsten Schritt sollte die Hausverwaltung eingeschaltet werden. Diese wendet sich an den Eigentümer, der die zugelassenen Schädlingsbekämpfer alarmiert.
Eine Liste aller zuverlässigen Unternehmen ist auf der Webseite der Wiener Wirtschaftskammer abrufbar.