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Die Polizei trifft am Einsatzort ein
Die Polizei trifft am Einsatzort ein (Symbolbild)
Die Polizei trifft am Einsatzort ein (Symbolbild)
FotoGablitz/iStock

Soldat niedergestochen: Versuchter Mord am Reumannplatz

11.07.2024 um 11:43, Julia Klein & APA, Red
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In Wien wird ein Syrer wegen versuchten Mordes angeklagt. Der 20-Jährige soll einen Soldaten am Reumannplatz niedergestochen und schwer verletzt haben.

Wegen versuchten Mordes ist am Donnerstag am Wiener Landesgericht gegen einen 20-jährigen Syrer verhandelt worden, der am 17. März 2024 am Reumannplatz in Favoriten einen Grundwehrdiener niedergestochen und schwer verletzt haben soll. Der 21-Jährige hatte sich mit seiner Lebensgefährtin auf ein Eis im bekannten Eissalon Tichy getroffen und mitbekommen, dass einige Syrer - darunter der Angeklagte - ein Mädchen belästigten bzw. beschimpften. Der Angeklagte war nicht geständig.

Schockierende Drohungen

"Du Hure, ich töte dich, ich steche dich ab", soll der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft der jungen Frau zugerufen haben, die er vom Sehen kannte. Der 21-Jährige hörte das und griff ein. "Er zeigte Zivilcourage und wollte das Mädchen vor diesen jungen Männern bewahren", schilderte die Staatsanwältin. Daraufhin habe der Angeklagte dem 21-Jährigen mit der Faust ins Gesicht geschlagen und "in Sekundenschnelle" ein Messer gezogen. Der Grundwehrdiener versuchte zu flüchten. Der Angeklagte habe ihn verfolgt und ihm mit schwunghaften Ausholbewegungen eine zehn Zentimeter lange Schnittwunde im rückwärtigen Schulterbereich und eine 37 Zentimeter lange Schnittwunde am rechten Oberschenkel zugefügt. Ausgedruckte Fotos der Verletzungen überreichte die Staatsanwältin während ihres Eröffnungsvortrags den Geschworenen. Der Angeklagte und dessen Begleiter, die bisher nicht ausgeforscht werden konnten, hätten das infolge der Messerstiche zu Boden gestürzte Opfer dann noch "mit Fußtritten und Schlägen malträtiert", legte die Anklägerin dar. Passanten versorgten vor dem Eintreffen der Rettungskräfte den stark blutenden Verletzten. Vom Angreifer fehlte zu diesem Zeitpunkt jede Spur, er hatte sich nach der Messerattacke schnellen Schrittes entfernt.

Verteidigung widerspricht

"Er hat nicht die Stiche geführt, es war ein anderer", hielt Verteidiger Wolfgang Haas der Anklagevertreterin entgegen. Der Anwalt betonte, sein Mandant sei "in keine Gangkriminalität" verwickelt. Er gehöre vor allem nicht der so genannten 505/515-Bande an: "Er hat damit gar nichts zu tun." Sein Mandant sei erst 2022 nach Österreich gekommen."

Gang-Konflikte in Wien

Bei der 505/515-Gruppierung handelt es sich um einen Zusammenschluss junger, ursprünglich aus Syrien und Afghanistan stammender Männer, die sich seit Jahresbeginn in einem gewalttätigen Konflikt mit Tschetschenen und Türken befinden, was die Polizei in der Bundeshauptstadt auf Trab hält. Mehrere bewaffnete Auseinandersetzungen mit Schwerverletzten in mehreren Bezirken sind seit Ende Jänner dokumentiert. Am 3. Juni wurde ein 30-jähriger Tschetschene im Arthaberpark in Favoriten niedergestochen und lebensgefährlich verletzt, am vergangenen Wochenende kam es an von Freitag bis Sonntag jeweils nach Einbruch der Dunkelheit zu Straßenkämpfen in der Brigittenau und in Meidling, bei denen Messer und Schusswaffen zum Einsatz kamen. Zumindest vier Personen wurden dabei schwer verletzt.

Sicherheitsmaßnahmen

Vor der Verhandlung hatte die Polizei von kolportierten Aufrufen aus der tschetschenischen Community erfahren. Es wurde befürchtet, Tschetschenen könnten ins Landesgericht kommen, um der Verhandlung gegen den 20-jährigen Syrer beizuwohnen, weil dieser in der Vergangenheit angeblich Tschetschenen "Probleme" gemacht hätte. Der Prozess wurde daher aus Sicherheitsgründen in den Großen Schwurgerichtssaal verlegt. Ein Film- und Fotografierverbot wurde verhängt. Schon im Eingangsbereich des Gerichts hatten sich Polizeibeamte postiert, im Verhandlungssaal selbst zeigten weitere Polizeikräfte und ein Großaufgebot der Justizwache Präsenz.

Zeugenaussagen

Der befürchtete Ansturm junger Tschetschenen blieb allerdings aus. Im Zuschauerbereich ließen sich ausschließlich Medienschaffende, Rechtspraktikantinnen und -praktikanten, Rechtshörer und Studierende nieder. Die Stimmung war außerordentlich ruhig, außer dem Rauschen der Klimaanlage gab es keine imitierenden Geräusche.

Opfer schildert Tat

Das Opfer der Messerattacke hatte am Tag der Tat seine Lebensgefährtin nach islamischem Recht geheiratet. Das schilderte der 21-Jährige in seiner Zeugeneinvernahme. Ihm sei der Angeklagte aufgefallen, weil dieser einer jungen Frau gegenüber aufdringlich gewesen und "sehr nahe" gekommen sei. Da habe er eingegriffen. Darauf habe er "die Faust gekriegt" und sei "aus panischer Angst" davongelaufen, als er sah, dass der andere Mann ein Messer zog: "Ich hatte nichts dabei." Drei bis vier Männer - der Angeklagte und dessen Begleiter - hätten ihn verfolgt. Er sei "abgestochen" worden: "Für was? Ohne nix, ohne Grund. Die Naht am Oberschenkel ist 35 Zentimeter groß."

Lebensgefahr

Nachdem er zusammengebrochen war, sei er vom Angeklagten und dessen Begleitern noch getreten worden: "Ich habe gedacht, jetzt bin ich tot." Er habe "mein Leben riskiert für wen, den ich nicht kenn". Dass er dafür mit keiner angemessenen Entschädigung rechnen könne, "finde ich ungerecht", bemängelte der 21-Jährige. Er sei in den Wochen nach der Tat "kaputt" gewesen: "Mir ging es gar nicht gut."

Falsche Annahme

Der Angeklagte dürfte davon ausgegangen sein, dass es sich beim Opfer um einen Tschetschenen handelte. Der 21-Jährige ist groß gewachsen, kräftig, hat rötliche Haare und trägt einen Vollbart. Der junge Moslem ist allerdings in Wien geboren und hat nordmazedonische Wurzeln, wie der 21-Jährige auf Frage des vorsitzenden Richters bekräftigte. "Es war also kein syrisch-tschetschenischer Konflikt", betonte der Richter.

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