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Michael Ludwig und Walter Ruck im Gespräch | Credit: Alexander Felten
WK-Präsident Walter Ruck mit Bgm. Michael Ludwig.
WK-Präsident Walter Ruck mit Bgm. Michael Ludwig.
Alexander Felten

Energiekrise: „Der Druck ist enorm“

23.11.2022 um 09:53, Rudolf Grüner
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Bürgermeister Ludwig und WKW-Präsident Ruck setzen auf Energiesparen und Veränderungswillen. Selbst wollen sie mit gutem Beispiel vorangehen – auch privat.

Bürgermeister Michael Ludwig und Wirtschaftskammer Wien-Präsident Walter Ruck schwören uns im weekend-Wien-Interview aufs Sparen ein. Ihre Botschaft: Jeder ist handlungsfähig.

weekend: Zu Corona ist jetzt auch noch die Energiekrise gekommen, das Thema wird überall diskutiert.

Michael Ludwig: Wir reden nicht nur, wir stellen uns den Problemen. Gemeinsam mit den Sozialpartnern – wie mit der Wirtschaftskammer Wien – arbeiten wir daran, den Wirtschaftsstandort, den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft gegen die aktuellen und kommenden Herausforderungen zu wappnen.

Walter Ruck: In Wien ist es gelungen, die von der Pandemie gebeutelten Unternehmen relativ gut zu stabilisieren. Ziehen wir das Bruttoregionalprodukt heran, hat die Wiener Wirtschaft im Jahr 2020 im Vergleich zum großen Rest des Landes um einen Prozentpunkt weniger stark verloren. Das hört sich vielleicht nach nicht viel an, wir reden hier aber von einer Milliarde Euro. Da haben auch die Digitalisierungsförderung, die wir über die Wirtschaftsagentur abgewickelt haben, und weitere Direkthilfen eingezahlt. Aber auch unsere gemeinsamen Initiativen im Bereich der Aus- und Weiterbildung, Stichwort Fachkräfte. Wir kümmern uns hier weiterhin. Ein Hauptaugenmerk liegt natürlich jetzt auf den energieintensiven Branchen.

Michael Ludwig und Walter Ruck im Gespräch | Credit: Alexander Felten
weekend Wien-Redakteur Rudolf Grüner und weekend Wien-Chefredakteurin Andrea Schröder im Gespräch mit Bürgermeister Ludwig und WKW-Präsident Ruck.

weekend: Diese stehen ja stark unter Strom.

Michael Ludwig: Der Druck ist enorm. Wir müssen langfristig raus aus dem Energieträger Gas – vor allem aus russischem Gas. Das geht, indem wir sparen und mittel- bis langfristig unsere Netze modernisieren sowie alternative Quellen anzapfen und ausbauen. Wir als Stadt haben vor, jährlich Photovoltaikanlagen in der Größenordnung von 100 Fußballfeldern zu errichten. Auf öffentlichen Einrichtungen, aber auch gemeinsam mit vielen Unternehmen. Gemeinsam mit der OMV wollen wir die Möglichkeiten der Geothermie ausschöpfen. Wir setzen auf Wärmepumpen und bauen weiter an der wettbewerbsfähigen Stadt der Zukunft – Stichwort Smart City.

Photovoltaik, Geothermie: Wir arbeiten daran, alternative Energieformen sowie andere Energiequellen anzubieten und beschleunigen den Ausbau. Bürgermeister Michael Ludwig

weekend: Für den Wandel, nicht nur im Bereich der Energie, braucht es auch Veränderungswillen. Sind die Menschen wie auch die Unternehmen dafür bereit?

Walter Ruck: Ich sehe, dass viele die Notwendigkeit erkannt haben. Für andere wird er auch überlebensnotwendig sein. Schon die Pandemie hat disruptive Innovationen vorangetrieben. Nach einer ersten Schrecksekunde hat sich beispielsweise die Gastronomie neu orientiert und ‚Take- away‘ salonfähig gemacht. Ohnmächtig dazustehen ist keine Lösung. Ich bin mir sicher, dass wir auf breiter Linie auch kreativ an das Thema Energie herangehen werden – und das Beste daraus machen. Dafür braucht es noch mehr Digitalisierung und eine effiziente wie intelligente Gestaltung von Produktions- und Vertriebsabläufen.

Michael Ludwig: Die Bewusstseinsbildung wird über den Preis laufen. Wir haben viele Jahre von billiger Energie profitiert. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, werden wir jetzt mehr tun müssen – investieren und gleichzeitig sparen. Ein Beispiel ist das Baugewerbe: Investieren wir weiter in Sanierung und hocheffiziente Neubauten! Wer in einem Passivhaus lebt oder arbeitet, braucht fast überhaupt keine zusätzliche Energie mehr zum Heizen.

Die Energiekrise löst gerade bei den kleinen und mittleren Unternehmen einen Innovationsschub aus. Wirtschaftskammer Wien-Präsident Walter Ruck

weekend: Wienweit wird gerade heiß diskutiert, inwieweit die Temperatur runtergedreht werden soll. Wie kalt wird es bei Ihnen?

Walter Ruck: Wir in der Kammer haben schon bisher sehr verantwortungsvoll gehandelt. Aus naheliegenden Gründen. Es kostet ja alles Geld. Wir werden aber, wie wohl alle anderen auch, genau evaluieren, ob man noch ein halbes oder ein ganzes Grad runtergehen kann.

weekend: Und privat?

Walter Ruck: Das wird meine Frau entscheiden.

Michael Ludwig: Ich habe eine Photovoltaikanlage plus Wärmepumpe in meinem Kleingartenhaus. Wir haben uns jetzt daran gewöhnt, die Waschmaschine und den Geschirrspüler immer dann einzuschalten, wenn die Sonne scheint. Die Ersparnis ist enorm.

weekend: Sparsamer soll auch der Individualverkehr fließen. Wie autoberuhigt wollen Sie Wien haben?

Michael Ludwig: Die städtische Mobilität hat sich stark in Richtung des öffentlichen Verkehrs verschoben. Das ist auch von uns bewusst so gelenkt worden. Trotzdem bin ich dafür, dass es auch Möglichkeiten geben soll, mit dem Auto unterwegs zu sein – zur Wohnung, zum Arbeitsplatz, zu Freizeiteinrichtungen. In einer sozial wie funktional durchmischten Stadt braucht es die Anbindung ans Straßennetz – vor allem in den Grätzeln weit weg vom Zentrum.

Walter Ruck: Die Meinungen gehen hier weit auseinander. Unsere Intention ist es nicht, das Einfahren in die City zu erschweren. Ziel ist es, das langfristige Verweilen an der Oberfläche zu vermeiden. Nur Parkplätze wegzuräumen wäre aber zu wenig. Wir wollen freiwerdende Flächen nachhaltig nutzen. Damit schaffen wir eine neue Spielwiese für wirtschaftliche Aktivitäten und mehr Wertschöpfung.

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