Elina Garanca: "Laufe gern barfuß durch die Wiese"
Für viele Musikfans ist es eine liebgewonnene Tradition zum Start in den Kultursommer: Am 3. Juli lädt die gefeierte Mezzosopran, diesmal gemeinsam mit Serena Sáenz und Iván Ayón Rivas, zu "Klassik unter Sternen" ins Stift Göttweig. Am 6. Juli treten die Stars dann in der Ski-Sport-Metropole Kitzbühel bei "Klassik in den Alpen" vor ihr Publikum. Die Künstlerin will diesmal mit einer großen Hommage ab Maria Callas aufhorchen lassen. Restkarten sind noch zu haben! Was sie aktuell bewegt? Wir haben mit Elina Garanca im Vorfeld in Wien gesprochen.
Wo fühlen Sie sich beim Singen wohler – in großen Opernhäusern und Konzerthallen oder unter freiem Himmel?
Garanca: Ich glaube, jeder dieser Orte hat seine eigene Aufgabe, seinen eigenen Reiz. In einem geschlossenen Raum geht es natürlich mehr um die technische Präsentation. Die Klänge, Vibrationen und Obertöne sind dort etwas anders. Auch die Erwartungshaltung des Publikums ist anders. Im Freien kommt man aber mit offenem Herzen, weniger Erwartungsdruck und Perfektionismus. Dort kann man die Leute auf eine ganz andere, weichere und weniger prätentiöse Art ansprechen. Gleichzeitig ist man im Freien natürlich den Wetterbedingungen ausgesetzt, was eine zusätzliche Herausforderung darstellt.
Sie sind ein Stadt- oder Landmensch?
Garanca: Das ändert sich. Ich bin in beiden Lebensräumen groß geworden. Aber je älter ich werde, desto mehr zieht es mich aufs Land. Der Naturzauber, wie aus einem kleinen Samen eine riesige Blume wächst, fasziniert mich immer mehr. Barfuß über die Wiese zu laufen und die Veränderungen in meinem Garten zu beobachten, macht mich sehr glücklich. Spaziergänge durch die Stadt oder Museumsbesuche sind für mich nicht mehr so bereichernd.
Zurück auf die Bühne: Besteht nicht die Gefahr, dass sich bei Ihrem Open-Air in Göttweig Routine einschleicht?
Garanca: Das kann eigentlich nicht passieren. Die Energie, die Erwartungen und Bedürfnisse des Publikums sind immer anders. Dazu kommt, dass wir nie wissen, wie das Wetter sein wird. Das entscheidet oftmals erst, wenn wir auf der Bühne stehen. Jedes Jahr bringt auch neue Herausforderungen mit sich, sei es eine Pandemie oder ein Kriegsausbruch. Man fährt dorthin auch mit dem Bewusstsein, was diese Konzerte für die Region bedeuten und wie sie gewachsen sind. Es ist immer wieder eine Freude zu sehen, wie die Menschen, die vielleicht vorher wenig mit Hochkultur zu tun hatten, Zugang dazu finden.
Wie lange bereiten Sie sich für das Sommer-Konzert in Niederösterreich vor?
Garanca: Eigentlich ein ganzes Jahr. Sobald ein Konzert vorbei ist, beginnen wir schon mit der Planung für die nächste Saison. Bis Weihnachten muss ein Teil des Programms stehen, damit wir es bei der ersten Pressekonferenz ankündigen können. Nach dem Jänner ist dann alles fixiert. Für die konkreten Proben haben wir dann meist nur eine Woche Zeit – vom Sonntag vor dem Konzert bis zur Aufführung am Mittwoch.
Gibt es bestimmte Künstler, mit denen Sie gerne zusammenarbeiten möchten?
Garanca: Ich möchte da immer überraschen. Es gibt sicherlich große Künstler, deren Karriere für unsere Aufgabe schon zu etabliert ist. Andererseits versuchen wir auch, Sänger vorzustellen, die noch nicht ganz an der Spitze angekommen sind, um ihnen eine Plattform zu bieten. Letztendlich hängt es davon ab, was das Programm erfordert und was mein Repertoire für die nächste Spielzeit hergibt.
Was zeichnet den diesjährigen Gewinner des Zukunftsstimmen-Wettbewerbs, Clemens Alexander Frank, besonders aus?
Garanca: Der Zukunftsstimmen-Wettbewerb zeigt, dass wir an Stimmen glauben, die Potenzial haben, sich weiterzuentwickeln und international Interesse wecken können. Bei Clemens überzeugte uns vor allem die Farbe und Qualität seiner Stimme. Aber es geht auch um etwas Ungreifbares. Eine gewisse Ausstrahlung und Bühnenpräsenz, die man nicht immer in Worte fassen kann. Wir versuchen, ihm Unterstützung und Kontakte zu bieten, um seine Karriere anzukurbeln. Letztendlich muss er aber den Weg selbst gehen.
Was muss ein Künstler heute besonders können?
Garanca: Talent allein reicht heutzutage nicht aus. Entscheidend sind Disziplin, Geduld und harte Arbeit. Bis zum 27. oder 28. Lebensjahr muss man ein gewisses technisches und musikalisches Niveau erreicht haben. Nur Wollen reicht nicht, es braucht das Können. Manchmal muss man auch ehrlich sein und akzeptieren, dass jemand vielleicht nicht für eine Karriere als Sänger geeignet ist – auch wenn er es sehr will. Wichtig sind auch psychologische Faktoren wie Bühnenpräsenz, Ausstrahlung und Persönlichkeit.
Ihr neues Album "When Night Falls" enthält viele Abend- und Nachtlieder. Fühlen Sie sich eher als Morgen- oder Abendmensch?
Garanca: Ich bin definitiv eine Lerche, ein totaler Morgenmensch. Für mich kann der Abend gerne schon ab 20 Uhr beginnen. Ich genieße die blaue Stunde und den Sonnenuntergang sehr, aber dann will ich auch bald schlafen gehen. Lange Aufführungen bis Mitternacht sind eine Qual für mich. Mein Rhythmus ist einfach sehr früh aufzustehen und früh schlafen zu gehen. Deshalb wundert es vielleicht, dass das Album so viele Abendlieder enthält. Aber vielleicht wollte ich mich damit selbst in diese entspannte Abendstimmung versetzen.
Wie entwickelt sich die Beziehung Ihrer Kinder zur Musik? Wollen sie in Ihre Fußstapfen treten?
Garanca: Meine Kinder haben den Musikunterricht, vor allem Klavierspielen, sehr schnell abgebrochen, weil es eine Qual für alle war. Ich selbst habe Klavier studiert, bin aber nie wirklich begeistert davon gewesen. Meine Tochter will eher Schauspielerin werden, die Kleine könnte sich vorstellen, Gitarre zu lernen. Wir haben bewusst versucht, sie nicht zu sehr in die klassische Musik hineinzudrängen, damit sie ihren eigenen Weg finden können. Sie haben zwar alles miterlebt und wissen, was es bedeutet, sich so intensiv der Musik zu widmen. Aber wir wollen nicht, dass sie das Gefühl haben, uns nacheifern zu müssen. Stattdessen sollen sie die Welt kennenlernen und dann selbst entscheiden, wohin ihr Weg sie führen soll.
Wie verbringen Sie Ihre freie Zeit, wenn Sie nicht auf der Bühne stehen?
Garanca: Wenn ich alleine unterwegs bin, verbringe ich viel Zeit damit, spazieren zu gehen und die Umgebung zu erkunden. Nachmittags ziehe ich mich dann gerne zurück, um zu lesen, einen Film zu schauen oder einfach zur Ruhe zu kommen. Mit meinen Kindern ist es natürlich anders. Da steht Kochen, Hausaufgaben und gemeinsame Zeit am Abend an. Gerade weil ich viel reise, versuche ich dann, bis die Kinder eingeschlafen sind, bei ihnen zu bleiben, um die gemeinsame Zeit zu genießen.