Sturm-Coach Christian Ilzer im Interview: „Ich will nicht nur mitgondeln“
weekend: Du bist im Sommer von der Austria zu Sturm gekommen. Was unterscheidet die beiden Klubs?
Christian Ilzer: Ich komme ja aus Puch bei Weiz und hatte deshalb schon als Kind viele Berührungspunkte mit dem Verein. Sturm ist ein Klub mit großer Fangemeinde, die den Verein auch während der Corona-Krise trägt – ich fühle mich schon richtig heimisch. Auch die Austria ist ein Verein mit viel Tradition und einer erfolgreichen Geschichte. Es gibt also viele Parallelen. Der Unterschied ist vielleicht der, dass die Fangemeinde in Graz noch ein bisschen größer ist.
weekend: Die Mannschaft spielt attraktiver und erfolgreicher als in den Vorjahren. Hast du dir erwartet, dass deine Arbeit so schnell Früchte tragen würde?
Christian Ilzer: Ob der Fußball, der in den letzten Jahren gespielt wurde, attraktiv war, will ich nicht beurteilen, das steht mir auch gar nicht zu. Jeder Trainer hat eigene Ideen und es hat in den letzten Jahren spannende Trainerpersönlichkeiten bei Sturm gegeben. Aufgrund des Endes der vergangenen Saison hat sich der Verein dazu entschieden, dass eine Veränderung passieren muss. Mir war bewusst, dass es viel Aufbauarbeit benötigen wird. Ich bin aber mit einer klaren Idee nach Graz gekommen, die wir über den ganzen Verein ziehen wollen. Dass wir trotz Kaderumbruch und reduzierten Budgets die Ziele Meistergruppe und Cup-Halbfinale im ersten Anlauf so souverän erreichen, damit hätte man nicht rechnen dürfen.
weekend: Wie wurde der große Umbruch bewältigt?
Christian Ilzer: Ein wesentlicher Punkt ist die Kaderzusammenstellung. Neben einer klaren Idee braucht es die nötige Qualität und das Zusammenspiel der einzelnen Charaktere. Die Zusammenarbeit mit Andreas Schicker ist top. Wir sind super abgestimmt, ständig im Austausch und haben auch nahezu alle Spieler bekommen, die wir ins Auge gefasst haben.
Wir haben nahezu alle Spieler bekommen, die wir ins Auge gefasst haben. – Christian Ilzer über den großen Kaderumbruch im Sommer
weekend: Sturm hatte in den vergangenen Jahren viele Trainer- und auch Systemwechsel. Ist das der Grund für die mäßigen Erfolge?
Christian Ilzer: Wenn etwas Stabiles entstehen soll, kann das nicht innerhalb von nur einem Jahr passieren. Das ist nicht unbedingt an Spieler oder Trainer gekoppelt. Im Verein muss sich etwas manifestieren, dem man über einen längeren Zeitraum treu bleiben kann.
weekend: Im Fußballgeschäft ist es aber mittlerweile so, dass der Trainer schon bei der ersten Schwächephase angezählt wird …
Christian Ilzer: Das ist keine gute Entwicklung. Durch die Ausgeglichenheit der Ligen wird es immer Phasen geben, wo es nicht so gut läuft. Dann alles über den Haufen zu werfen ist nicht der richtige Weg.
weekend: Präsident Jauk hat oft von der Karriereplattform Sturm gesprochen. Ist Sturm für dich nur eine Auslage?
Christian Ilzer: Es wirkt zwar so als hätte ich einen genauen Karriereplan im Kopf gehabt, das stimmt aber nicht. Ich habe in den letzten Jahren oft gewechselt, das waren aber immer Entscheidungen, die ich aus einem Bauchgefühl heraus getroffen habe. Im Moment bin ich genau am richtigen Ort. Ich freue mich schon darauf, Momente wie den Last-Minute-Sieg gegen die Austria mit den Fans zu genießen.
Ich freue mich schon darauf, Momente wie den Last-Minute-Sieg gegen die Austria mit den Fans zu genießen. – Christian Ilzer über die Vorfreude auf volle Stadien
weekend: Kannst du mit dem Begriff „Ausbildungsverein“ etwas anfangen?
Christian Ilzer: Es ist Fakt, dass wir in der Tabelle erfolgreich sein müssen. Auf einer anderen Ebene sollen wir aber auch Marktwert entwickeln und Spieler besser machen. Der eine oder andere soll dem Verein auch Geld bringen, wenn er den nächsten Schritt macht.
weekend: Sturm hat heuer beide Meisterschaftsspiele gegen Salzburg gewonnen. Kann man auf Dauer mit so einer Truppe mithalten?
Christian Ilzer: Wenn du eine Mannschaft schlagen willst, die von der Qualität her über dir steht, musst du den Glauben daran haben, dass du gewinnen kannst. Man muss selbst aktiv sein. Wenn man sich nur hinten reinstellt und hofft, dass man von einem Fehler profitieren kann, ist das für mich der falsche Zugang.
weekend: Wie wichtig ist Salzburg für die Liga?
Christian Ilzer: Salzburg hat für den österreichischen Fußball einen großen Beitrag geleistet. Der Fußball ist intensiver geworden. Die anderen Mannschaften mussten sich anpassen. Dadurch hat auch die Dichte in der Liga extrem zugenommen. Man muss gegen jeden Gegner nahezu 100 Prozent abrufen, um zu gewinnen. Sie haben auch einen Beitrag dazu geleistet, dass der österreichische Fußball international salonfähig wurde.
weekend: Die Liga wird in Österreich oft gering geschätzt. Wie schlecht ist sie wirklich?
Christian Ilzer: Wenn man sich die Ergebnisse von Salzburg, dem WAC und dem LASK in den internationalen Bewerben anschaut, ist das schon beeindruckend. Da müssen wir uns nicht verstecken.
weekend: Die Meistergruppe steht schon länger fest. Welche Ziele haben Sie für die restliche Saison?
Christian Ilzer: Wir wollen die Länderspielpause nutzen, um uns mit der Mannschaft zusammenzusetzen und Ziele zu definieren. Ein internationaler Startplatz wäre eine schöne Belohnung. Wir wissen aber, dass wir, um leistungsmäßig in die Top-3 vorzustoßen, noch an uns arbeiten müssen. In der Meistergruppe musst du jede Woche am Limit sein, um Zählbares mitzunehmen. Ich will nicht nur mitgondeln und sechster werden.