Karriere-Talk: Pfleger aus Leidenschaft
weekend.at: Herr Buljubasic, mit nur 27 Jahren sind Sie als Bereichsleiter des Seniorenheims Großgmain der Chef im Haus. Was ist Ihre Aufgabe in dieser Position?
Buljubasic: Ich bin für das Management der Mitarbeiter-Ressourcen zuständig und fungiere als zentraler Ansprechpartner bei Fragen rund um die Pflege sowie als Schnittstelle zu externen Einrichtungen wie Krankhäusern und Ärzten. Meine neuen Aufgaben machen mir Spaß, die aktive Pflege und den direkten Kontakt zu den Bewohnern möchte ich aber nicht gänzlich missen. Daher springe ich auch gerne ein, wann immer ich gebraucht werde.
weekend.at: Können Sie uns kurz Ihren Werdegang schildern – was waren die wichtigsten Stationen und wie lang hat die Ausbildung zum Altenpfleger gedauert?
Buljubasic: Die vierjährige Ausbildung zum Diplomkrankenpfleger habe ich in meiner Heimat Bosnien absolviert und kam 2013 mit 20 Jahren allein nach Österreich. Mein Diplom wurde mir zwar angerechnet, allerdings musste ich 1.000 Stunden Praktikum und 13 Prüfungen nachholen. Das habe ich in Kauf genommen, weil ich etwas aus mir machen wollte. Daraufhin fand ich schnell eine Stelle hier im Seniorenheim Großgmain, wodurch auch das Thema Visum erledigt war. Deutsch war kein großes Problem für mich, da ich als Kind viel RTL 2 guckte und die Sprache daher schon etwas konnte. Mit dem Dialekt hatte ich etwas zu kämpfen, aber auch das hat sich gelegt. (grinst)
weekend.at: Altenpfleger zählt unter Jugendlichen nicht unbedingt als Traumberuf. Was macht diese Tätigkeit für Sie aus und was gefällt Ihnen dabei am besten?
Buljubasic: Ich wollte immer einen Beruf, mit dem ich in der Gesellschaft etwas bewirken und Menschen helfen kann. Als Diplomkrankenpfleger in einem Seniorenheim hilft man nicht nur in Notsituationen, man gestaltetet das Leben der Bewohner mit und baut eine persönliche Beziehung auf. Die Dankbarkeit spürt man nahezu jeden Tag, man bekommt so viele positive Reaktionen zurück! Außerdem hat man durch Aus- und Weiterbildungen tolle Aufstiegschancen. Und wer kann schon sagen, dass eine „Mensch-ärgere-Dich-nicht“-Partie am Nachmittag als Arbeit zählt (lacht).
Die Dankbarkeit spürt man nahezu jeden Tag, man bekommt so viele positive Reaktionen zurück!
weekend.at: Was war Ihr bisher schönster Moment in diesem Beruf?
Buljubasic: Vor einiger Zeit hat sich der Allgemeinzustand einer Bewohnerin massiv verschlechtert. In meinem Dienst erlitt sie einen Herzstillstand, es sah wirklich nicht gut aus. Gemeinsam mit einem Kollegen konnte ich sie jedoch reanimieren und im Krankenhaus hat sie sich so gut erholt, dass sie wieder zu uns zurückkommen konnte. Mittlerweile kann die Dame sogar mit einem Rollator einige Schritte gehen, wir üben fast täglich. Ein Leben zu retten und zu sehen, wie ein Mensch wieder auf die Beine kommt, ist ein unbeschreibliches Gefühl.
weekend.at: Als Altenpfleger ist man aber auch mit „Tod“ und „Krankheit“ konfrontiert …
Buljubasic: Ich persönlich akzeptiere den Tod als eigenen Lebensabschnitt, dadurch fällt es mir leichter, damit umzugehen. In meinem Beruf gehört das Sterben dazu, das ist klar. Das Schöne ist aber, dass ich auch am Ende eines Lebens etwas Gutes tun kann, indem ich für die Menschen da bin und etwaige Schmerzen lindere. Es gibt auch Fälle, bei denen der Leidensweg lange ist – das geht einem nah. Natürlich ist das nicht leicht, da man diese Menschen gut kennt und sie gerne hat. Ausklammern kann man den Tod zwar nicht, egal wie professionell man arbeitet. Aber man muss als Altenpfleger damit umgehen können, sonst zerbricht man daran.
weekend.at: Wie geht man als junger Mensch überhaupt mit pflegebedürftigen Senioren um?
Buljubasic: Ich war schon öfter in der Situation, dass mich Bewohner für einen Praktikanten hielten (grinst). Zu Beginn sind schon einige skeptisch, wenn man noch so jung ist. Tritt man aber professionell auf und zeigt, was man kann, legt sich das relativ schnell. Ich glaube, dass man gerade als junger Mensch durch den täglichen Umgang mit alten Menschen einen anderen Blick auf das Leben bekommt. Man merkt schneller, was wirklich wichtig im Leben ist – Liebe und Zeit, nicht Geld und materielle Dinge.
weekend.at: Gab es schon einmal Heimbewohner, die sich Ihnen gegenüber aggressiv verhalten haben? Wenn ja, wie gehen Sie damit um?
Buljubasic: Wirklich ausgeschlagen hat noch keiner, vielleicht haben viele Angst, da ich so groß bin (lacht). Beschimpft wurde ich schon oft, aber das darf man nicht persönlich nehmen. Viele Bewohner wissen aufgrund ihrer Krankheit nicht, was sie in so einem Moment sagen oder machen. Eine Entschuldigung von Herzen lässt meist nicht lange auf sich warten.
Weekend: Wir befinden uns am Anfang des zweiten Corona-Lockdowns. Wie haben Sie die Ausnahmensituation bisher persönlich erlebt? Viele Senioren waren bereits im Frühjahr von der Außenwelt abgeschnitten und einsam…
Buljubasic: Das war die schlimmste Zeit, die ich in den sechs Jahren im Seniorenheim Großgmain erlebt habe. Mein Team und ich waren zwar jeden Tag für die Bewohner da, Angehörige – vor allem Kinder und Enkelkinder – können aber auch wir nicht ersetzen. Einige wurden depressiv und zogen sich in sich zurück, Demente haben ihre Kinder im ganzen Haus gesucht. Da wird einem schwer ums Herz. Gut zwei Monate war kein Besuch erlaubt, als wir das Haus wieder vorsichtig öffneten, wurde es nicht viel einfacher. Die Bewohner konnten Verwandte nur in abgeschlossenen Räumen durch ein Plexiglas sehen – einige hören nicht mehr gut, man konnte sich nicht berühren. Für Senioren war und ist das eine schwere Zeit.
Weekend. Haben Sie manchmal Angst, COVID-19 in das Seniorenheim zu tragen oder sich selbst anzustecken?
Buljubasic: Wir achten penibel auf alle Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen, bis jetzt hatten wir Gott sei Dank noch keinen Corona-Fall. Angst habe ich nicht, aber Respekt. Mir selbst würde das Virus womöglich nicht allzu sehr schaden, für die Bewohner könnte es aber fatal sein.
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Zur Person: Elvedin Buljubasic (*1993) ist seit Oktober Bereichsleiter im Seniorenheim Großgmain und für 30 Mitarbeiter und 62 Bewohner verantwortlich.