Grissemann: "Kickl ist knapp an der Klapsmühle"
weekend: Du stehst aktuell immer wieder mit der „Thomas Bernhard Machine.“ auf der Bühne. Harald Schmidt hat ein Buch über ihn herausgegeben. Ist Bernhard der Autor der alten, weißen Männer?
Grissemann: Mir kommt tatsächlich vor, dass sein Ruhm ein bisschen verblasst in der jüngeren Generation. Bei unseren Auftritten sagen viele junge: „Das sind tolle Texte. Wie heißt der Autor? Kann man den live erleben?“
weekend: Wie verbunden fühlst du dich ihm?
Grissemann: Verbunden fühle ich mich nicht. Vorbild kann man auch nicht sagen. Er ist unter anderem der Grund, warum man selbst kein Buch schreibt. Warum sollte man sich einer Disziplin üben, bei der man schon im Vorhinein weiß, das man höchstens dritt- oder viertklassig ist? Bei mir reicht es gerade zum TV-Fuzzi, das geht sich gerade noch in Österreich aus.
Bei mir reicht es gerade zum TV-Fuzzi, das geht sich gerade noch in Österreich aus.
weekend: Mit Stermann hast du schon ein paar Sachen geschrieben …
Grissemann: Stermann ist wieder ein anderes Thema – das sind ja keine literarischen Bücher.
Sympathien für Nehammer wachsen
Kickl kann man nicht mit normalen Maßstäben messen.
weekend: Ihr habt mittlerweile über 500 Sendungen „Willkommen Österreich“ abgedreht. Seid ihr zurückhaltender geworden?
Grissemann: Wahrscheinlich ja. Als es Türkis-Blau noch gab, waren wir nicht so zurückhaltend. Jetzt mit Schwarz-Grün gibt es auch nicht mehr diesen politischen Feind. Ich bin kein Freund von der ÖVP, aber das ist schon okay, wenn sie in der Regierung sitzt. Ohne Kurz sind da jetzt wieder die alten, normalen, faden Politiker von früher. Was mich massiv stört ist, wenn Rechtsradikale in der Regierung sitzen. Ich finde sogar Nehammers Performance besser als gedacht, mir ist der sogar richtig sympathisch geworden in den letzten Monaten.
weekend: Was macht ihn dir sympathisch?
Grissemann: Dass er diese Mentalität, die er als Innenminister noch gehabt hat, nicht mehr hat. Und vor allem, dass er nicht diese kurzen „Blümel-Phrasen“ draufhat, sondern ganz normal antwortet – vieles ist auch nicht so unvernünftig. Flüchtlingspolitik muss ich auch nicht mit ihm besprechen, aber alles andere macht er sehr ordentlich, finde ich.
Kickl bleibt Feindbild
Wir wissen ja, dass 25 Prozent der Bevölkerung völlig bescheuert sind.
weekend: Apropos Flüchtlinge: FPÖ-Chef Herbert Kickl ist auch nach der Regierungszeit immer wieder ein Thema bei euch. Habt ihr ihn einmal als Gast eingeladen?
Grissemann: Nein, natürlich nicht! Kickl kann man nicht mit normalen Maßstäben messen, der ist ja wirklich an der Grenze zur Klapsmühle. Das kann man nicht ernst nehmen, er nimmt das ja selbst nicht ernst.
Impfung rettet Leben
Ohne Impfung würden sich die Leichen stapeln.
weekend: Viele Menschen tun das aber sehr wohl.
Grissemann: Wer ihn wählt, der kriegt ihn – und da ist der, der ihn wählt, genauso psychopathisch, wie der Gewählte selbst. Wir wissen ja alle, dass mindestens 25 Prozent der Bevölkerung vollkommen bescheuert sind.
weekend: Trotzdem mobilisiert er. Bei den Corona-Demonstrationen hat man gesehen, dass Kickl ein wesentlicher Faktor war.
Grissemann: Sicher, aber so viele sind das dann auch wieder nicht. Nur weil einmal 5.000 oder 10.000 Leute demonstrieren. Eine Spaltung wäre für mich 50 Prozent.
weekend: Man sagt immer, dass da viele normale Bürger mitgegangen sind …
Grissemann: Man kann kein normaler Bürger sein, wenn man weiß, dass man mit Nazis demonstriert. Alles wissen, dass dort Nazis an vorderster Front gehen – wenn ich das in Kauf nehme, bin ich kein normaler Bürger.
weekend: Corona-Maßnahmen und Impfpflicht: Für dich in Ordnung?
Grissemann: Absolut. Wo sind denn die Zahlen, dass diese Impfung krank macht? Vollkommen lächerlich – das ist eine der sichersten Impfungen überhaupt. Wenn wir die nicht gehabt hätten, würden sich die Leichen stapeln.
Pandemie bringt zum Umdenken
Für mich war es die Zeit meines Lebens.
weekend: Wie ist es dir in den letzten Jahren mit der Pandemie gegangen?
Grissemann: Für viele andere war es eine Katastrophe, aber für mich war es die Zeit meines Lebens. Alles was vorher an diesem Beruf unangenehm war, war weg. Ruhe hat sich über das Land gelegt – natürlich eine erzwungene Ruhe, die mir aber total gefallen hat.
weekend: Was nimmst du aus dieser Zeit mit?
Grissemann: Nie mehr fliegen ist etwas, das ich mir vorgenommen habe – diese unfassbar elenden Zeiten am Flughafen. Meine Freundin und ich planen unsere Urlaube schon ausschließlich über Bahn. Und ich werde nie wieder großangelegte Touren machen. Ich habe gemerkt, wie angenehm es ist, diesen sehr stressigen Beruf ruhen zu lassen. Das weiß ich erst, seit ich gezwungen worden bin, diese Auftritte nicht mehr zu machen. Vorher war es so: Einmal in der Woche Fernsehsendung und dann sofort Koffer packen und auf Tour fahren. Und dann noch bei drei Terminen in der Woche irgendwo auftreten. Jetzt ist so: Fernsehsendung , ausgewählte Termine und dann drei Tage zuhause am Sofa zu liegen, schon am Nachmittag einnicken – herrlich.
Vielleicht mit 56 eine Frühpension und dann komplett von der Bildfläche verschwinden.
weekend: Gerät man in eine Mühle?
Grissemann: Es passiert einfach so, man denkt sich: „Es ist dein Beruf, jeder Mensch geht jeden Tag arbeiten.“ Aber das ist ein Beruf, der psychisch wahnsinnig anstrengend ist. Mit 55 ist es auch was anderes als mit 30. Mit 30 macht das alles noch Spaß, mehr Spaß als jetzt.
Pläne für die Frühpension
Fünf Jahre möchte ich es nicht mehr machen.
weekend: Und „Willkommen Österreich“?
Grissemann: Ich habe noch einen Zwei-Jahres-Vertrag, der wird natürlich erfüllt. Fünf Jahre möchte ich es nicht mehr machen. Irgendwann ist man in einem Alter, wo man ein bisschen Respekt vor sich selbst bewahren muss. Ich glaube, vor 60 sollte man sich vom Fernsehen zurücknehmen – und dann Casinobesitzer in Portugal oder sowas.
weekend: Klingt nach Frühpension.
Grissemann: Ich habe letztens Frühpension gegoogelt. So weit ist es schon bei mir. Vielleicht mit 56 eine Frühpension – „Grissemann ist verrückt geworden“ – und dann komplett von der Bildfläche verschwinden … Das wäre ein schönes Ziel.
Das Gespräch führten Robert Eichenauer und Stefanie Hermann.