Wiener ESC-Duo Abor & Tynna: „Haben nichts gegen Österreich”
Inhalt
- Musikerziehung von klein auf
- Inspiration durch Loreen
- Deutschland statt Österreich
- Unveröffentlichter ESC-Song
- Besondere Bearbeitung
- Erweiterte "Bittersüß" Tour 2025
- Umgang mit Hass im Netz
- Vorbereitungen und ESC-Pre-Parties
- Favoriten und Konkurrenz
Sie kommen aus Wien, erobern Berlin – und jetzt ganz Europa im Sturm. Mit ihrem ESC-Hit „Baller” wollen Abor & Tynna, bürgerlich Attila (26) und Tünde Bornemisza (24), beim Finale des Eurovision Song Contest 2025, am 17. Mai, für Deutschland punkten. Das Geschwister-Duo mit rumänischen und ungarischen Wurzeln mixt schlagfertige Texte, große Beats und eine Prise Melancholie zu einem Sound, der unter die Haut geht – und direkt in die Charts. Im weekend-Interview sprechen die beiden über ehrgeizige Papas, eine abgelehnte Einladung zum internen ESC-Casting für Österreich, ihre stärkste Konkurrenz – und warum sie „Baller” fast gar nicht eingereicht hätten.
Musikerziehung von klein auf
Wie ist euer musikalischer Background?
Abor: Schon als Kinder haben wir Instrumente gespielt, das war unseren Eltern immer wichtig. Wir haben beide mit Blockflöte begonnen und uns dann jeweils für ein weiteres Instrument entschieden. Ich habe Cello gewählt, der Papa war mein Vorbild, der spielt Cello bei den Philharmonikern. Meine Schwester und ich haben nur in Ausnahmefällen zusammen musiziert, wenn der Papa etwas komponiert hat und das wollte. Unsere Zusammenarbeit hat erst richtig begonnen, als ich angefangen habe, mich für Musikproduktion mit dem Laptop zu interessieren.
Tynna: Ich habe ja auch mit Blockflöte begonnen. Das hat mir so gut gefallen, dass ich auch Querflöte spielen wollte.
Wurdet ihr also von eurem Vater zur Musik inspiriert?
Tynna: Inspiriert ist ein schöner Ausdruck. Es war in unserer Familie selbstverständlich, dass wir Instrumente spielen. Wir haben jeden Tag geübt. Im Alter von 14 oder 15 hat man nicht mehr so Bock aufs tägliche Üben, aber man macht es trotzdem. Dafür sind wir heute aber auch dankbar.
Inspiration durch Loreen
Jetzt tretet ihr für Deutschland beim ESC an. Was verbindet ihr persönlich mit dem Wettbewerb? Habt ihr ihn schon in eurer Kindheit geschaut?
Abor: Nicht jedes Jahr. Meine erste Erinnerung ist, als Loreen zum ersten Mal gewonnen hat, mit „Euphoria”. Wir hatten damals keinen Fernseher, unsere Mama hat das am Computer gestreamt.
Tynna: Ich habe zu der Zeit noch nie so eine Performance gesehen, bei der jemand singt und sich währenddessen auch noch so bewegt. Ich bin bis heute inspiriert davon.
Deutschland statt Österreich
Wie seid ihr zum deutschen Vorentscheid gekommen? Wieso nicht der österreichische?
Abor: Die Frage wird uns jedes Mal gestellt. Die Leute denken, „die haben Österreich abgelehnt”. Andere sagen, „Österreich wollte sie nicht”. Tatsache ist, dass es sich so ergeben hat, weil unser Musiklabel in Deutschland ist (Anm. d. Red.: Jive Germany - Label von Sony Music Entertainment). Und das Label hat uns dann die Ausschreibung von Stefan Raab geschickt. Schon vor einigen Jahren hat uns aber auch Peter Schreiber zum Casting für die interne Vorentscheidung eingeladen. Wir haben aber nichts gegen Österreich. Nächstes Jahr ist Österreich dran.
Tynna: Damals waren wir noch nicht ready, wir waren zu dem Zeitpunkt kein einziges Mal auf einer Live-Bühne. Jetzt fühle ich mich viel wohler mit der Teilnahme.
Unveröffentlichter ESC-Song
Warum tretet ihr gerade mit „Baller” an?
Tynna: Wir haben „Baller” geschrieben, weil ich genug von den Balladen hatte und mich befreien wollte von dieser Schwermut und Melancholie und ein bisschen mein Selbstwertgefühl aufbauen wollte. Wir sind tatsächlich durch Stefan auf „Baller” gekommen. Wir haben eigentlich einen englischen Song vorgeschlagen. Aber, als Stefan den Teaser von „Baller” gehört hat, hat er uns angerufen und gesagt, „nehmt doch den”.
Und der andere Song, den ihr zuerst einreichen wolltet – ist der je veröffentlicht worden?
Tynna: Nein. Den kennt noch keiner, und vielleicht bleibt es auch so. Der war maßgeschneidert für den ESC. Im Endeffekt bin ich froh, dass wir jetzt mit „Baller” gehen.
Besondere Bearbeitung
Was macht „Baller” für euch zu einem ESC-Gewinner-Song?
Abor: Der Song ist ein bisschen gewagt, weil er eher auf dem elektronischen Spektrum ist. Ich finde schon, dass er unkonventionell ist, vielleicht durch die „Vocal Chops” (Anm. d. Red.: Effekt/Bearbeitung).
Tynna: Er polarisiert. Die „Vocal Chops” sind international. Viele finden auch cool, dass der ESC-Song für Deutschland mal wieder auf Deutsch ist. Aber dieser eine Part mit dem „La-La-La-La”, den kann ja jeder mitsingen. Das ist auch so schön daran. Das könnte ihn zu einem Gewinner-Song machen.
Erweiterte "Bittersüß" Tour 2025
Seit eurem Gewinn für Deutschland habt ihr einige Follower dazugewonnen. Wie geht ihr mit dem rasanten Aufstieg um?
Tynna: Im ersten Moment war es natürlich ein bisschen überfordernd. Aber es ist auch schön. Es geht uns eher darum, dass jetzt mehr Leute unser ganzes Album (Anm. d. Red.: Albumtitel: bittersüß) hören. Dadurch konnten wir unsere Tour ausverkaufen. Wir werden in zusätzlichen Städten (Anm. d. Red.: zum Beispiel Linz) spielen. Das heißt, wir haben unsere Tour verdoppelt, und das ist einfach der Wahnsinn.
Umgang mit Hass im Netz
Euer ESC-Song spaltet aber auch das Netz und die Generationen. Wie geht ihr mit negativen Kommentaren und Hass im Netz um?
Tynna: Natürlich gibt es negative Kommentare. Das wissen und sehen wir. Nach der Performance bei „Chefsache ESC” war mir auch bewusst, dass das nicht mein allerbester Auftritt war. Das nehme ich mir zu Herzen. Das Feedback ist völlig berechtigt. Aber da war auch viel Kritik dabei, mit der man nichts anfangen kann. Und das ignorieren wir. Genauso kriegen wir aber auch viele Nachrichten von Müttern, die „Baller” mit ihren Kindern, aber auch selbst, gerne hören.
Vorbereitungen und ESC-Pre-Parties
Wie bereitet ihr euch noch auf euren großen Auftritt vor? Geht ihr auch zu ESC-Pre-Parties?
Abor: Ja, wir sind zumindest in Amsterdam dabei, da wollen wir auch mit anderen Artists connecten. JJ haben wir schon bei den Amadeus Awards getroffen. Der ist echt lieb. Dann stehen natürlich auch noch Vorbereitungen, Inszenierungsplanung und Outfitplanung an. Die Proben werden zum Teil in Wien stattfinden und zum Teil in Basel. Vor dem ESC geben wir noch ein Konzert in Braunschweig, „Pop meets Classic”. Da spielen wir mit einem Orchester auf der Bühne. Das ist etwas ganz Großes für uns.
Tynna: Ich werde ganz viel am Laufband rennen und gleichzeitig singen. Und zwischendurch auch mal ausruhen, um endlich wieder gesund zu werden. Ich glaube, es geht auch darum, dass das alles zwar viel Stress ist, aber man auf jeden Fall auch versuchen sollte, es zu genießen. Das nehme ich mir vor.
Favoriten und Konkurrenz
Wer ist euer persönlicher Favorit beim ESC?
Abor: Griechenland. Und Österreich: Vor allem der Techno-Teil am Ende.
Und welchen Song oder Interpret seht ihr als eure stärkste Konkurrenz?
Abor: Ich glaube, JJ. Auch die Wettquoten sagen das, was ich sehr lustig und interessant finde.
Tynna: Wir freuen uns natürlich, wenn wir gewinnen. Der einzige, den wir auf den ersten Platz lassen würden, wäre JJ.