Wie pleite ist Russland wirklich?
Eine Firma, eine Privatperson oder auch ein Staat ist dann zahlungsunfähig, wenn er seine/ihre Schulen nicht mehr abstottern kann. Im Jahr 2010 war zum Beispiel Griechenland völlig pleite. Bei einer Staatsverschuldung, die zuletzt 130 Prozent des BIP erreicht hatte, konnte das Land seine Kreditraten nicht mehr bezahlen.
Enorme Reserven, prall gefüllte Kriegskasse
Russland hingegen ist derzeit weit davon entfernt, ein Pleitekandidat zu sein. Die Staatsverschuldung beträgt lediglich 20 Prozent des BIP, was weitaus niedriger ist als die meisten westlichen Industriestaaten (Zum Vergleich USA: 133 %, EU: 87 %). Die finanziellen Reserven der Russischen Föderation sind enorm, die Haushaltüberschüsse wurden jahrelang im „nationalen Wohlfahrtsfonds“ gesammelt, aus dem nun die erhöhten Militärausgaben bestritten werden. Ende 2021 lagen rund 185 Milliarden US-Dollar in dieser „Kriegskasse“. Die (gut diversifizierten) Währungsreserven der russischen Zentralbank gehören zu den größten der Welt und dürften sich aktuell noch immer auf 600 Milliarden US-Dollar summieren. Was noch dazu kommt: die Einnahmen aus dem Verkauf von Rohstoffen sprudeln ja weiter. Seit Kriegsbeginn hat Putins Russland allein mit Öl und Gas 93 Milliarden $ eingenommen.
Russland will zahlen, kann aber nicht
Warum also tauchen immer wieder Meldungen auf, in denen behauptet wird, Russland habe ein Problem, seine Auslandsschulden zu bezahlen? Es sind die westlichen Sanktionen selbst, die dazu führen, dass es diese Probleme gibt. Russland ist aus dem internationalen Finanzsystem praktisch ausgeschlossen, so dürfen zum Beispiel Banken in den USA keine Zahlungen Russlands an die Gläubiger weiterleiten. Die Zinsen auf russische Staatsanleihen zahlt die Föderation in Rubel, aber diese Überweisungen sind sanktionsbedingt ebenfalls unterbrochen.
40 Milliarden $ Schulden im Ausland
Es spießt sich momentan an russischen Anleihe-Zinszahlungen in Höhe von 71,25 Millionen US-Dollar und 26,5 Millionen Euro. Russland behauptet, diese Zinsen bereits Ende Mai angewiesen zu haben – nur seien sie wegen der Sanktionen halt nicht angekommen. Wird vom internationalen Investoren-Komitee CDDC (ein Konsortium von Großbanken) offiziell ein „Zahlungsausfall“ Russlands festgestellt, könnte dies theoretisch dazu führen, dass alle Gläubiger des Landes ihre ausstehenden Schulden bei Gerichten einklagen, auch die, die noch lange nicht fällig sind. Aber auch den worst case könnte Russland relativ gut verdauen: es handelt sich um „nur“ 40 Milliarden Dollar, die (siehe oben) leicht auszulegen sind. Ungute Zeiten würden erst nachher auf das selbst ernannte Imperium zukommen. Sollte Russland eines Tages wieder Geld aus dem Ausland benötigen, wäre diese Geldquelle vorerst versiegt.