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Wer krank ist, kann in Österreich aktuell bezahlt zuhause bleiben.
Wer krank ist soll für die ersten Tage künftig Urlaub nehmen, so eine Forderung.
Wer krank ist soll für die ersten Tage künftig Urlaub nehmen, so eine Forderung.
brizmaker/iStock

Urlaub statt Krankenstand: Neuregelung wird diskutiert

24.01.2025 um 15:15, Stefanie Hermann
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Krankenstände stellen für Unternehmen eine teils untragbare finanzielle Belastung dar. Ein Vorschlag zur Reform lässt jetzt die Wogen hochgehen.

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Der jüngste Vorschlag aus Wirtschaftskreisen, Krankenstandstage unter drei Tagen künftig als Urlaub oder Zeitausgleich zu werten, hat hitzige Debatten ausgelöst. Die Idee ins Spiel gebracht hat Stefan Sternad, Obmann der Kärntner Wirtschaftskammer-Sparte Gastronomie. Laut Sternad könnten sich viele Unternehmen, insbesondere in der Gastronomie, die Kosten durch häufige Kurzzeit-Krankenstände nicht mehr leisten. Doch Gewerkschaften, Gesundheitsexperten und sogar einige Wirtschaftskollegen warnen vor massiven Konsequenzen.

Die aktuelle Lage

Rechtslage Krankenstand

In Österreich haben Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Krankenstand. Je nach Dauer des Dienstverhältnisses kann dieser bis zu zwölf Wochen umfassen. Sofern im jeweiligen Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Kollektivvertrag nichts Gegenteiliges festgelegt ist, erfordern Kurzzeit-Krankenstände unter drei Tagen oft keine ärztliche Bestätigung und werden vollständig vom Arbeitgeber finanziert.

Fehlzeiten

Die Anzahl der Krankenstandstage hat bei Unselbstständigen 2023 durchschnittlich 15,4 Tage betragen, wie aus dem Fehlzeitenreport 2024 des Dachverbands der Sozialversicherungsträger hervorgeht. Auch wenn das einen leichten Anstieg gegenüber dem Corona-Jahr 2022 bedeutet, gehen die Krankenstandstage seit den 1980er Jahren kontinuierlich zurück.

Kostendruck

Nichtsdestotrotz kommt der Ausfall der Arbeitskraft Unternehmen teue zu stehen. Bis zum elften Tag bleiben Arbeitgeber auf den Kosten sitzen. Erst danach springt die Krankenkasse mit Ersatzzahlungen ein, indem sie einen Teil der Lohnkosten ersetzt (Krankenstandsersatz). 2022 haben Krankenstände die heimischen Unternehmen mit rund 5,3 Milliarden Euro belastet.

Vorschläge zur Änderung

Urlaub statt Krankenstand

Steigende Personalkosten, Mitarbeitermangel und die Nachwirkungen der Pandemie setzen der Branche schwer zu. Kurzzeit-Krankenstände würden die Situation weiter verschärfen, argumentiert Gastro-Obmann Sternard. "Krankenstandmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt, er bedroht ganze Existenzen", betont Sternard, der eine "sachliche Diskussion" zur rechtlichen Ausgestaltung anstoßen möchte.

Er schlägt vor, die ersten drei Krankenstandstage nicht mehr durch das Krankenstandssystem abzudecken. Stattdessen sollen Arbeitnehmer diese Zeit als Urlaub oder Zeitausgleich nehmen. Ab dem vierten Tag, so Sternad, sollen die Sozialversicherungsträger für die Kosten aufkommen. Damit gebe es auch für die ÖGK einen Anreiz, Krankmeldungen stärker zu kontrollieren. Kosten und Missbrauch würden damit abnehmen, ist Sternard sicher.

Rückenwind erhält er von Thomas Mayr-Stockinger, Wirtesprecher der Wirtschaftskammer OÖ. „Es gibt Mitarbeiter, die den Krankenstand wirklich benötigen, aber auch jene, die ihn missbrauchen – etwa indem sie sich krankmelden und dann in Diskotheken oder Einkaufszentren gesehen werden“, kritisiert Mayr-Stockinger scharf. Besonders Klein- und Mittelbetriebe würden unter solchen „blauen Montagen“ leiden, da sie die Lohnkosten tragen müssen.

Teilzeit-Krankenstand

Gleichzeitig plädiert der Gastronom für flexiblere Regelungen: Arbeitnehmer mit leichten Beschwerden könnten beispielsweise geringfügige Tätigkeiten übernehmen oder reduzierte Stunden arbeiten, statt vollständig auszufallen. 

Auch Arbeitspsychologe Andreas Hermann spricht sich für die Einführung eines "Teilkrankenstandes", etwa von 25 Prozent, 50 Prozent oder 75 Prozent-Krankenständen aus. "Am Beispiel einer Bankangestellten, die nach einer Schulteroperation für sechs Wochen krankgeschrieben wird, würde sich folgendes Szenario anbieten. Nach zwei Wochen ist sie möglicherweise so fit oder vielleicht schmerzfrei, dass sie stundenweise oder den halben Tag arbeiten könnte", so Hermann. Teilzeitlösungen würden sich auch bei anderen Krankheiten anbieten. So könnte, wer erkältet ist, etwa trotzdem Online-Arbeiten von zu Hause erledigen, ist sich Hermann sicher.

Kostenübernahme

Bis zum elften Tag des Krankenstands kommen Arbeitgeber für die Kosten auf. Sternard fordert eine Kostenübernahme der ÖGK ab dem vierten Tag im Krankenstand: „Daraus würden strengere Kontrollen resultieren. Denn Scheinkrankenstände, die es oft an Fenstertagen oder in der Kündigungsfrist gibt, sind eine enorme Belastung – auch für jene fleißigen Kollegen, die in solchen Fällen einer Mehrbelastung ausgesetzt sind.“

Kritik am Vorstoß

Arbeitnehmerseite

Bei Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern findet vor allem der Vorstoß "Urlaub statt Krankenstand" scharfe Ablehnung. Ursula Heitzer, Vizepräsidentin der Arbeiterkammer, bezeichnet die Idee schlicht als „Wahnsinn“. Besonders in Branchen wie der Gastronomie, wo Hygiene eine zentrale Rolle spielt, sei es unverantwortlich, kranke Mitarbeiter aus Angst vor dem Verlust von Urlaubstagen zur Arbeit zu zwingen. Heitzer warnt davor, dass ein solcher Vorschlag das ohnehin bestehende Personalproblem weiter verschärfen könnte.

Wirtschaft

„Es steht für uns außer Frage, dass sich kranke Arbeitnehmer zu Hause auskurieren können, ohne sich dafür Urlaub nehmen zu müssen – an diesem Grundprinzip des Krankenstands ist nicht zu rütteln", kritisiert auch Mario Pulker, Obmann des Fachverbandes Gastronomie der WKÖ.  "Hier ist der Kärntner Kollege eindeutig über das Ziel hinausgeschossen.“

ÖGK

Alarmiert zeigen sich auch Gesundheitsexperten. Andreas Huss, Arbeitnehmer:innen-Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) mahnt ein Umdenken im System ein: „Statt Kranke zu bestrafen, muss mehr Geld für Gesundheitsförderung, Prävention und Gesundheitskompetenz eingesetzt werden“, fordert er. Österreich liege in diesen Bereichen im internationalen Vergleich weit zurück, und die Zahlen geben ihm Recht: Nur 1,4 Prozent der ÖGK-Ausgaben fließen derzeit in die Gesundheitsförderung. Bereits jetzt würden viele Arbeitnehmer krank zur Arbeit erscheinen, aus Angst, dass ihre Kollegen die Mehrarbeit übernehmen müssen. Der Druck auf Beschäftigte würde durch Maßnahmen wie die von Sternad vorgeschlagenen nur weiter steigen, was nicht nur die Genesung verlängern, sondern auch die Verbreitung von Krankheiten fördern würde.

Umfrage

Urlaub statt Krankenstand

Schritt №1065209

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