Traumgeschäfte mit gutem Schlaf
Wälzen Sie sich noch herum oder schlafen Sie schon? Nur ein Drittel der Österreicher gibt an, dass sie gute Schläfer sind und regelmäßig einen erholsamen Schlaf haben. Ein- und Durchschlafprobleme haben in den letzten Jahren signifikant zugenommen. Immerhin 38 Prozent gaben bei einer Umfrage der MedUni Wien an, dass sie sich tagsüber ein Nickerchen gönnen – das waren im Jahr 2007 mit 23 Prozent noch deutlich weniger. Doch vor allem in Manager- und Führungskräftekreisen herrscht immer noch die Einstellung: Langschläfer sind faul. Wer wenig schläft, hat in der Arbeitswelt ein besseres Image. Doch was sie gerne als Erfolgsfaktor verkaufen, ist erwiesenermaßen ungesund. Und nicht nur das: Übermüdung hat Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit im Tagesgeschäft und sogar auf die Risikobereitschaft und das Urteilsvermögen. Seit geraumer Zeit erkennen jedoch immer mehr Hochleistungsfanatiker, wie wichtig Schlaf ist. Dieser Schlaf-Revolution hat auch eine der bekanntesten Unternehmerinnen der Welt, Arianna Huffington, mit ihrem gleichnamigen Bestseller einen gewaltigen Schub verpasst. Die Gründerin der „Huffington Post“ sagt: „Manager sind stolz darauf, aber die Wissenschaft hat gezeigt, dass chronischer Schlafmangel aus kognitiver Sicher dasselbe ist, wie betrunken zur Arbeit zu kommen. Wir sollten uns also nicht noch gratulieren, wenn wir rund um die Uhr arbeiten. Wir sollten jene engagiert feiern, die ihr Wohlergehen an erste Stelle setzen.“ Sie selbst schläft mittlerweile acht Stunden pro Nacht. Immer mehr Führungskräfte werden zu Vorbildern und reden darüber, wie sie durch Schlaf, Meditation und Abschalten ihrer Handys zu besseren Führungspersonen werden. So hat etwa auch Amazon-Gründer Jeff Bezos auf Thrive Global, ebenfalls eine Huffington-Gründung, einen Artikel darüber geschrieben, wieso acht Stunden Schlaf pro Nacht für Amazon-Aktionäre von Vorteil sind.
33 Mio. Euro für Schlafmittel
Die einen schwören auf den Powernapp am frühen Nachmittag, die anderen auf Schlaf vor Mitternacht oder Meditations-Apps mit entspannender Musik und Übungen vor dem Einschlafen. Jene, die trotzdem keine Ruhe finden, gehen in ihrer Verzweiflung zu Schlafcoaches oder greifen zu Melatonin-Gummibärchen, Baldriantropfen, Lavendelsprays, CBD-Präparaten und sonstigen Mittelchen, die von findigen Unternehmen auf den Markt gebracht werden, die Schlaflosigkeit längst als Riesenmarkt erkannt haben. Mit in Apotheken frei verkäuflichen Produkten gegen Stress, die auch besseres Einschlafen versprechen, wurden im vergangenen Jahr laut dem OTC-Trend des Healthcare Data Science Unternehmens IQVIA in Österreich 33,2 Millionen Euro Umsatz erzielt – ein Plus von 19,9 Prozent zum Vorjahr. 2,3 Millionen Packungen rezeptfreie Beruhigungs- und Schlafmittel wurden verkauft. Diesen Trend beobachtet auch der Präsident der Apothekerkammer Oberösterreich, Thomas Veitschegger: „Angesichts der verstärkten Werbung für Beruhigungsmittel in der Coronakrise ist klar, dass diese auch vermehrt in den Apotheken nachgefragt werden. Für meine eigene kann ich sagen: Die Nachfrage ist deutlich gestiegen.“
Analyse mittels Liegesimulator
Corona hat auch den Matratzen- und Bettenherstellern mehr Umsatz beschert. Statista rechnet für dieses Jahr mit einem Umsatz allein im Segment Matratzen in Österreich von etwa 218 Millionen Euro. Laut Branchenradar wurden 2020 1,15 Millionen Matratzen und Lattenroste verkauft – 3,2 Prozent mehr als im Jahr davor. „Die Wertigkeit des Schlafens ist gestiegen“, heißt es bei Sembella. Das Portfolio des Unternehmens in Timelkam umfasst Matratzen, Betteinsätze und Betten – nach Unternehmensangaben hält man in Österreich 20 Prozent Marktanteil. Immer mehr Menschen würden Produkte suchen, die individuell bestmöglich an den Körper angepasst sind. Deshalb wird in Matratzenstudios verschiedener Anbieter mittlerweile teils nicht nur das übliche Probeliegen angeboten, sondern Analysen am Liegesimulator mittels Liegedruckmessung.
Im Trend: vegane Matratzen
Persönliche Beratung ist auch für Peter Hildebrand, Geschäftsführer von Betten Reiter, das A und O beim Matratzen-, aber auch Polsterkauf. Das Familienunternehmen mit Sitz in Leonding, wo jährlich insgesamt 180.000 Decken und Polster gefertigt werden, betreibt mittlerweile 18 Filialen und machte zuletzt 88 Mio. Euro Umsatz, 40 Prozent davon entfielen auf das Segment Schlafen. „Es geht der Trend zu Qualität. Wenn man von 1.000 Euro Anschaffungskosten ausgeht und man im Schnitt Matratze und Lattenrost acht Jahre benutzt, sind das 35 Cent pro Nacht – das sollte man sich wert sein.“ Fairtrade, bio, nachhaltig produzierte Ware – diese Aspekte würden für die Kunden eine immer größere Rolle spielen. Und damit auch im Marketing. Hildebrand: „Wir haben auch eine vegane Linie.“ Auf diesen Zug ist im vergangenen Jahr auch Grüne Erde aufgesprungen und hat vegane Schlafprodukte auf den Markt gebracht. Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens begann mit einer Naturmatratze im Jahr 1983 als erstes Produkt, die noch immer im Almtal handgefertigt wird. „Im abgelaufenen Geschäftsjahr ist der Umsatz im Segment Matratzen/Bettwaren um 12 Prozent gestiegen“, so Unternehmenssprecherin Barbara Gruber. Auch JOKA in Schwanenstadt setzt auf den Öko-Trend: Nach Unternehmensangaben sei man der einzige österreichische Hersteller, dessen Matratzen mit dem Umweltzeichen ausgezeichnet wurden. Anna Kapsamer, Geschäftsführung Marketing/Vertrieb: „Wir verbringen ein Drittel unseres Lebens schlafend und diese Zeit entscheidet über die Qualität der restlichen Stunden des Tages.“
Ein Interview mit Schlafforscher Manuel Schabus zum Thema, warum Schlaf auch risikofreudiger im Job macht, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der CHEFINFO.