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Gerhard Roiss
Gerhard Roiss, 70, war bis 2015 Vorstandsvorsitzender der OMV AG. Hier in einem Archivbild.
Gerhard Roiss, 70, war bis 2015 Vorstandsvorsitzender der OMV AG. Hier in einem Archivbild.
HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com

Roiss zur Gaskrise: "Wir brauchen Leadership"

30.05.2022 um 15:07, Klaus Schobesberger
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In der gestrigen ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" stellte der frühere Top-Manager Gerhard Roiss (70) der Regierung ein schlechtes „Führungs“-Zeugnis aus.

Was tun bei einem möglichen Gaslieferstopp aus Russland? Dieses Szenario steht nach wie vor im Raum, ebenso wie die Debatte innerhalb der EU über ein Embargo weiterschwelt. In der gestrigen ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" stellte der frühere Top-Manager Gerhard Roiss (70) der Regierung ein schlechtes „Führungs“-Zeugnis aus: „Wir haben jetzt ein paar Monate Zeit, dann müssen zwei Millionen Menschen wieder heizen, damit sie es warm haben. Die Industrie muss funktionieren, die Bäcker müssen unser Brot backen. Wir brauchen Transparenz mit klar formulierten Zielen. Wir brauchen Leadership - beides fehlt in Österreich“, sagte der ehemalige Vorstandsvorsitzende der teilverstaatlichten OMV AG. Roiss, der bis 2015 als CEO des börsennotierten Konzerns fungierte, sah für sich und dem damaligen Vorstand „einen moralischen Versorgungsauftrag“: „2014 waren wir in Österreich zu 60 Prozent von russischem Gas abhängig, 20 Prozent kamen aus Norwegen, 20 Prozent aus österreichischen Feldern. Mein Ziel damals war es, 25 Prozent russisches Gas im Mix zu haben. Nachdem ich 2015 aus der OMV ausgestiegen bin, wurde eine Abhängigkeit von 80 Prozent aufgebaut.“ Nicht alle Staaten in der EU hätten so gehandelt, etwa Polen und die baltischen Staaten waren damals zu 100 Prozent abhängig und „kommen heute nach den Sanktionen Moskaus auch ohne russisches Gas gut zurecht“.

Es fehlt an Krisen-Bewusstsein der Verantwortlichen

Es bringe jetzt nichts, in die Vergangenheit zu blicken. „Es ist eine Krise und ich brauche das Bewusstsein der Krise.“ Deutschland habe längst die Treuhandschaft der Gaslager von den Russen übernommen, und diese werden jetzt befüllt. In Haidach stehe das größte Lager in Österreich, das zu 50 Prozent der Gazprom gehört – „und das wird bis heute nicht befüllt. Wir haben eine Situation, die nicht dem entspricht, wie wir als Krisenmanager eigentlich handeln müssten, um den Menschen Verantwortungsbewusstsein zu zeigen“, sagte Roiss vor allem in Richtung Stefan Kaineder, dem stellvertrenden Bundessprecher und grünen Landesrat in Oberösterreich, der in Vertretung der Umweltministerin Leonore Gewessler ins ORF-Studio gekommen war.

 

Österreich als Trittbrettfahrer

Die Bundesregierung hat vor kurzem ein Gesetz zur Einlagerung des Gases beschlossen. „Das ist gut und wichtig, aber wir wissen nicht, wie dieses Gas im Lenkungsfall verteilt wird. Wir wissen: Haushalte, Krankenanstalten und kritische Infrastruktur sind gesichert. Wie und für wen aber das verbleibende Gas verteilt, reduziert oder gar gestoppt wird, ist uns nicht bekannt. Ich hoffe, es wird daran intensiv gearbeitet“, sagte Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, ebenfalls Gast in der gestrigen ORF-Talksendung. Auch er beklagt fehlendes Leadership und lenkt den Blick zu unseren Nachbarn: Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) sei pragmatisch an die Krise herangegangen und habe Alternativen zum fehlenden russischen Gas in kürzester Zeit geliefert. „Österreich hofft auf die europäische Solidarität. Das ist Trittbrettfahren“, so Knill.

 

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