Straßenkampf in Österreich: Steinzeit oder Weltuntergang
Der Lobautunnel weit im Osten der Republik und die Bodensee-Schnellstraße S18 im Westen liegen rund 630 km auseinander. Unendliche Weiten scheinen dagegen zwischen ÖVP und den Grünen zu liegen, wenn es um die Sinnhaftigkeit dieser beiden und weiterer Straßenbauprojekte geht.
Was bisher geschah
Es begann mit einer Meldung aus dem (grünen) Verkehrsministerium. Darin hieß es, alle Neubauprojekte der ASFINAG würden im Rahmen einer Evaluierung bis Herbst geprüft. Alle, das heißt natürlich in sämtlichen Bundesländern inklusive des umstrittenen Lobautunnels in Wien. Die Länder sowie die Bundes ÖVP reagierten verärgert - einen Vorgang wie diese Evaluierung nennt man wohl "in die Suppe spucken". Das wollte man sich nicht gefallen lassen: Eine Vorarlberger ÖVP-Bundesrätin stimmte einem Entschließungsantrag von SPÖ und FPÖ zu, die ASFINAG-Weisung zur Prüfung ihrer Straßenbauvorhaben zurückzunehmen.
Die Rache der Gerechten?
Der Antrag verlief zwar im Sande, dennoch orteten die Grünen unter Leonore Gewesslereinen Verstoß gegen die Koalitionsdiszipin durch die ÖVP-Abgeordnete. Als Wiedergutmachung schlug sich die ÖVP nun auf die Seite der Öko-Partei und forderte (als Revanche?) eine Evaluierung der Bodenseeumfahrung S18 in Vorarlberg. Soweit, so kompliziert.
So interessant, was hier über diese S18 zu lesen ist. Von Leuten, die am Wochende von ihrem renovierten Vierkanthof im Waldviertel aus die Welt retten. Und noch keine Sekunde in der Transithölle "Rheintal-Nord" verbracht haben. Drübergeflogen, auf dem Weg nach London. Vielleicht.
— Hanno Settele (@HannoSettele) July 23, 2021
Eine weitere Wendung ließ nicht lange auf sich warten: Bundeskanzler Kurz sicherte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) bei einer Voralberg-Visite den Bau der S18 zu, Evaluierung hin oder her. Der Verzicht auf Mobilität und auf Individualverkehr werde nicht funktionieren, betonte der Kanzler in den "Vorarlberger Nachrichten". Und fügte hinzu, dass er trotz Klimakrise nicht der Meinung sei, „dass unser Weg zurück in die Steinzeit sein sollte“.
Gewehr bei Fuß
Dieser Sager rief Sigrid Maurer, Klubobfrau der Grünen, auf den Plan.
Maurers Retourkutsche: "Wer glaubt, die Klimakrise bewältigen zu können, ohne etwas zu verändern, der lebt in der Steinzeit.“ Und weiter: „Die Menschen erwarten sich zu Recht, dass die Politik alles daran setzt, die Klimakrise hintanzuhalten. Ich habe den Eindruck, dass noch nicht ganz erkannt wurde, wie drängend das Problem für die Menschen in Österreich ist."
Steinzeit oder Weltuntergang
Zugespitzt geht also nicht nur um zwei Straßenbauvorhaben in West und Ost, sondern um eine grundsätzliche Weichenstellung: Führt der weitere Weg für Österreich in die Steinzeit (fürchtet die ÖVP) oder in den Weltuntergang (die Grünen)? Dabei sind sich die beiden Parteien eigentlich näher als sie scheinen. So teilte Sigrid Maurer etwa die Einschätzung von Sebastian Kurz: Innovation und Wissenschaft sind ein elementarer Bestandteil im Kampf gegen die Klimakrise.