Gerald Grosz: „Putin antwortet auf irgendeine Art"
Warum tritt man zu einer Wahl an, obwohl man weiß, dass man sie nicht gewinnen kann?
Gerald Grosz: Wenn man den Medien und den Umfrageinstituten Glauben schenken darf, könnten wir uns in Österreich Wahlen de facto sparen. Eine Minderheit von Meinungsmachern hat sich festgelegt, dass Alexander van der Bellen sein eigener Nachfolger wird. Das ist nicht mein Verständnis von Demokratie. Daher habe ich gesagt, dass ich gegen den Amtsinhaber kandidieren und – man wird noch träumen dürfen – auch Bundespräsident werden will.
Zwei aktuelle Umfragen sehen Sie zwischen sechs und neun Prozent. Das ist weit weg von einer Stichwahl …
Gerald Grosz: Ich liege bei allen Umfragen stabil bei zehn Prozent. Das ist eine gute Ausgangsbasis. Zusätzlich wird der Wahlkampf bei mir anders ablaufen. Ich habe schließlich keinen Parteiapparat, keine Banken und auch keine Spender hinter mir. Dafür habe ich, an den etablierten Medien vorbei, die reichweitenstärksten Social-Media-Kanäle dieser Republik aufgebaut, die ich auch nutzen werde.
Passend zur Wahl ist Ihr neues Buch auf den Markt gekommen. Böse Zungen behaupten, Sie würden den Wahlkampf nutzen, um Promotion zu machen. Was entgegnen Sie darauf?
Gerald Grosz: Dass ich es nicht nötig gehabt hätte, einen Wahlkampf zu missbrauchen, um meine Persönlichkeitswerte zu verbessern. Ich darf daran erinnern, dass mein erfolgreichstes Buch, „Freiheit ohne Wenn und Aber“, es bereits vor meiner Kandidatur in die Bestseller-Listen geschafft hat. Allein ökonomisch gesehen wäre diese Bundespräsidentenwahl ein Verlustgeschäft für mich.
Es gibt also niemanden, der Sie finanziert?
Gerald Grosz: Nein und das ist auch gut so, weil man damit auch nicht die Marionette der Finanzierer werden kann. Ich habe aber Kleinstspender, die zwischen 100 und 500 Euro gegeben haben – so sind mittlerweile um die 8000 Euro zusammengekommen. Diese kleinen Spender sind mir mehr wert als alle Haselsteiners oder Stronachs dieser Republik.
Im „rechten Spektrum“ gibt es ein dichtes Feld an Kandidaten. Worauf führen Sie das zurück?
Gerald Grosz: Dass offenbar das bürgerliche-konservative-rechte Lager in Österreich ein höheres Demokratie-Verständnis hat als die Linken.
Wäre es nicht besser, man hätte sich auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt?
Gerald Grosz: Ich war nie Bestandteil der Überlegung der Freiheitlichen Partei. Am 7. Jänner habe ich mit Herbert Kickl und sechs oder sieben namhaften Funktionären der FPÖ telefoniert und ihnen mitgeteilt, dass ich kandidiere. Warum habe ich das getan? Weil man mir aus meiner Geschichte heraus unterstellen könnte, dass es eine Kandidatur gegen die FPÖ sein könnte. Um diesen Eindruck bereits im Vorfeld den Boden zu entziehen, habe ich klargestellt, dass ich nicht gegen die Freiheitlichen, sondern gegen Van der Bellen antrete.
Zuletzt haben Sie einen offenen Brief an Putin gerichtet. Haben Sie schon eine Antwort bekommen?
Gerald Grosz: Nein, aber ich bin mir sicher, dass eine Antwort in irgendeiner Form kommen wird. Ein Sendeausschnitt von oe24 war im staatlichen Fernsehen „Russia1“ zu sehen. Auch bei Sputnik habe ich ein Interview gegeben. Wenn man also davon ausgeht, dass Putin alle russischen Medien kontrolliert, dann ist er sicher darauf aufmerksam geworden, dass Europa nicht nur aus Von der Leyen, Nehammer und Scholz besteht, die einen Wirtschaftskrieg zu Lasten der gesamten Bevölkerung führen.
Das sind aber demokratisch gewählte Vertreter …
Gerald Grosz: Richtig, wenngleich sie nicht mehr legitimiert sind. Man findet keine einzige Umfrage mehr, wo Nehammer den Kanzleranspruch stellen könnte. Nicht einmal, wenn man eine Umfrage in der ÖVP-Parteizentrale machen würde. In Wahrheit ist er der Zirkusdirektor eines Flohzirkus geworden. Deshalb habe ich auch gesagt, dass meine erste Amtshandlung als Bundespräsident die sofortige Entlassung der Regierung wäre.
Noch einmal zurück zu Putin: Sie haben angekündigt, dass Sie Ihre erste Auslandreise nach Russland führen würde, um Frieden zu verhandeln. Was wird die Lösung sein?
Gerald Grosz: Ich gehe davon aus, dass Putin sein Ziel erreicht hat. Wie schafft man das Ende eines Krieges? Durch Friedensverhandlungen. Ich bin der Meinung, Verhandlungen müssen mit dem Ziel geführt werden, dass es in den Regionen der Ostukraine eine Volksabstimmung geben muss – unter Vorsitz und Wahlbeobachtung der OECD.
Das hört sich so an, als müsste man Putin bemitleiden, weil er nicht mehr anders konnte, als die Ukraine zu überfallen …
Gerald Grosz: Wir leben im 21. Jahrhundert, wo ich mir als 45-jähriger Mensch erwarte, dass wir nicht mit Keulen und Steinen wie die Neandertaler operieren. Mir ist aber auch klar – dafür wurde ich als Putintroll bezeichnet –, dass man diese militärische Eskalation vorsätzlich herbeigeführt hat. Die Hauptursache ist die NATO-Osterweiterung und der Umstand, dass die Ukraine den NATO-Beitritt in ihre Verfassung geschrieben hat.
Kommen wir zur Gas- und Energiekrise. Sind Sie auch der Ansicht, dass wir uns zu sehr abhängig gemacht haben von einem Land?
Gerald Grosz: Natürlich haben wir uns abhängig gemacht, weil Europa seinen Bürgern günstiges Gas aus Russland anbieten wollte. Wir haben diese Verträge vor mehr als 50 Jahren geschlossen und auch in den schlimmsten Zeiten des kalten Krieges aufrechterhalten. Es wurde immer pünktlich geliefert und pünktlich bezahlt. Europa hat hier lange nach dem Motto Bertolt Brechts gelebt: „Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral." Man sollte sich jetzt also nicht als Moralapostel aufspielen.
Sie haben vor kurzem über Ursula von der Leyen gesagt, sie sei eine „emeritierte Waffenschieberin“. Kann man Bundespräsident werden, wenn man die EU-Kommissionspräsidentin so betitelt?
Gerald Grosz: Wir haben einen Bundespräsidenten, der die Mehrheit der Österreicher, die sich gegen Sanktionen auflehnt, als Kollaborateure Putins bezeichnet. Ich empfinde das weitaus geschmackloser als meine Kritik an der EU-Kommissionspräsidentin.
Stichwort geschmacklos: Immer öfter werden Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, bedroht. Ist Ihnen das auch schon passiert?
Gerald Grosz: Regelmäßig, aber ich gehe nicht herum und sage „Ich bin so arm“, weil ich es mir selbst ausgesucht habe. Wenn ich austeile, muss ich auch damit rechnen, dass ich – zumindest rhetorisch – auch einstecken muss. Was ich nicht verstehe ist, dass man Menschen, die nicht deiner Meinung sind, schubladisiert und mit dem sprachlichen Geniestreich des Bösen, nämlich dem sogenannten „Leugner“ betitelt. Leugner kommt ursprünglich vom „Holocaust-Leugner“. Und damit versucht man immer wieder etwas mitschwingen zu lassen.
Ist die Überspitzung und Polemisierung Teil Ihres Erfolgsrezepts?
Gerald Grosz: Ich sehe mich als Korrektiv des Wahnsinns und bin der Meinung, dass ich die Meinung der schweigenden Mehrheit nur der Minderheit der Meinungsmacher gegenüberstelle. Das ist das Geheimnis meines Erfolgs.