Neuer DÖW-Chef: FPÖ hat "Rechtsextremismus-Problem" im Kern
Der studierte Soziologe und Politologe Andreas Kranebitter ist neuer wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW). In seinem Antritts-Interview mit Ö1 kritisiert er FPÖ und ÖVP scharf.
"Kellernazi"-Debatte
Den zuletzt vom Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, verwendeten Begriff sieht Kranebitter zwar als "eher polemischen Ausdruck", der aber das "codierte Sprechen" in der FPÖ thematisiert. Im Keller würde man schließlich anders sprechen, als an der Oberfläche. "Wenn etwa Franz Jägerstätter als Verräter bezeichnet wird, weil er sich aus Gründen des katholischen Gewissens dem Dienst in der Wehrmacht entzogen hat, dann sollte man diese Diffamierung ernst nehmen und nicht ignorieren", so Kranebitter.
Auch im Kern rechtsextrem
Das DÖW hat die FPÖ schon 2002 unter Jörg Haider als rechtsextrem eingestuft. Für Kranebitter ist klar, dass die FPÖ unter Herbert Kickl in ihrem Kern – und eben nicht am Rand – ein Rechtsextremismus-Problem hat". So würde etwa der Begriff "Volksgemeinschaft", der ein Kernideologem des Nationalsozialismus ist, im FPÖ-Parteiprogramm stehen. Distanzierungsbemühungen der Partei würden zuletzt nicht mehr vorkommen. Ein weiteres Problem ist laut Kranebitter auch, dass die Partei am rechten Rand "so weit offen ist, dass man "gemeinsam mit Identitären auf Demonstrationen auftritt" und es auch personell zu Verschmelzungen kommt.
Über ÖVP überrascht
Kritik gibt es vom neuen DÖW-Chef auch für die ÖVP, die in Niederösterreich ein Arbeitsübereinkommen mit der FPÖ geschlossen hat. Zwar habe die Volkspartei ein "ernstzunehmendes Interesse an erinnerungspolitischen Themen", Kranebitter zeigt sich aber überrascht darüber, wie sehr die ÖVP bereit sei, "über Dinge hinwegzusehen, über die man nicht hinwegsehen sollte".