Der ORF und sein politisch Lied
Geht es um die Qualität wird von ORF-Verantwortlichen gerne Ö1, ORF 3 und 3Sat ins Treffen geführt. Ja, stimmt, diese Programme sind tatsächlich so ziemlich das Beste und Hochwertigste, was man auf diesem Planeten finden kann. Da scheut man keine Kosten und Mühen, um dem anspruchsvollen Publikum feinste Ware in die Wohnzimmer zu liefern. Wow, könnte man nun bewundernd sagen, die machen das echt gut. Beeindruckend wie dem ORF das Verbinden des Kommerzes mit der Qualität gelingt. Warum können das Privatsender nicht? Ganz einfach. Die bekommen keine 650 Millionen Euro aus der GIS – Jahr für Jahr versteht sich. Nein, die müssen ihr Programm aus der Werbung und einer lächerlich niedrigen Privatsender-Förderung bestreiten.
Geht es um die Seher- und Hörerzahlen wird von ORF-Verantwortlichen gerne ORF 1, ORF 2 und Ö3 bemüht. Auf diesen Sendeplätzen kümmert man sich nicht so sehr um den Bildungsauftrag, den hat man ja in die oben genannten Sender verramscht. Es sei denn man versteht das Ausstrahlen der x-ten Wiederholung amerikanischer Serien und des Villacher Fasching als Qualität. Von Ö3 ganz zu schweigen. Das Programm der ORF-Flaggschiffe hat sich längst dem Kommerz hingegeben, ist kaum weniger boulevardesk als die bösen Privatsender.
Geht es um die politische Unabhängigkeit erzählen ORF-Verantwortliche gerne von der ZIB 2. Auf dem nicht ganz so attraktiven Sendeplatz nach 22 Uhr bekommt tatsächlich auch die Opposition ihre Sendezeit. In der seherstarken ZIB 1 und den Bundesländersendungen, liebevoll auch Landeshauptmann-TV genannt, schaut es anders aus. Der ORF ist seit Jahrzehnten einer Verpolitisierung durch die jeweiligen Regierungsparteien ausgesetzt. Jede Partei möchte schließlich auf der größten Medienorgel des Landes ihr politisch Lied spielen.
Im Zuge der an die Öffentlichkeit geratenen Sideletter hat sich nun der Redakteursrat zur Wehr gesetzt. Zu Recht. Es kann nicht angehen, dass Politiker Personalentscheidungen in einem Medienunternehmen treffen. In einem geharnischten Brief verlangen die Redakteure die Entpolitisierung des ORF. Bravo! Was sie nicht dazu sagen: Unabhängigkeit ist nur dann möglich, wenn man den ORF in jeder Hinsicht aus den Fängen der Politik befreit. Das würde aber auch einen Verzicht auf die GIS-Gebühren bedeuten. Erst dann wäre Unabhängigkeit möglich und man würde Waffengleichheit zwischen den Medienunternehmen herstellen. Wahrscheinlich kommt diese Forderung im zweiten Teil des Briefes. Ich freu mich schon darauf.