Aufruf zur Vorsorge - Dr. Andreas Shamiyeh
Krebserkrankungen nehmen zu, immer häufiger werden Menschen in irgendeiner Form davon betroffen. Ihr Fachgebiet ist die Allgemein- und Viszeralchirurgie - was alles zählt dazu?
Die Allgemein- und Viszeralchirurgie beschäftigt sich mit Krebsleiden, die sich von der Speiseröhre über den Magen und den gesamten Darmtrakt erstrecken sowie Schilddrüse, Nebenniere, Bauchspeicheldrüse, Leber und Brust. Viele Eingriffe im Bauch- oder im Brustbereich können heutzutage mittels minimalinvasiver Technik (Bauchspiegelung) durchgeführt werden. Dabei spart man sich den großen Bauchschnitt und hat stattdessen drei bis fünf kleine, etwa einen Zentimeter große Schnitte. Das führt zu weniger Schmerzen, weniger Blutverlust, einer rascheren Rekonvaleszenz und weniger Verwachsungen im Bauch. In den vergangenen Jahren hat sich in der Bauchchirurgie auch ein robotisches System etabliert (DaVinci). Hierbei sitzt der Chirurg an einer Konsole und bekommt das Bild gestochen scharf in 3D und 4K über den Monitor und arbeitet praktisch mit feinsten Geräten im Bauch fernab des Patienten. Dadurch ist ein noch exakteres Operieren möglich. Die Technik ist grundsätzlich nicht neu, in der Urologie wird beim Prostatakrebs diese Technik schon seit vielen Jahren angewandt.
Was kann jeder für sich selbst tun, um das Krebsrisiko so gering wie möglich zu halten?
Die Wahrscheinlichkeit für ein Krebsleiden steigt mit zunehmendem Alter. Derzeit sehen wir vor allem steigende Zahlen bei Bauchspeicheldrüsenkrebs, da die Menschen doch deutlich älter werden als noch vor 20 Jahren. Beim Darmkrebs konnten die Krebs-Neuerkrankungen gesenkt werden. Dies ist vor allem der Vorsorge zuzuschreiben. Wenn es in der Familie gehäufte Darmkrebsfälle gibt oder wenn es zu Veränderungen des Stuhlverhaltens kommt, wie etwa einem Wechsel von Durchfall und Verstopfung, oder wenn es zu Blutabgängen aus dem After kommt, dann muss eine Darmspiegelung schon früher gemacht werden. Bei unauffälliger Familien-Anamnese sollte man spätestens zum 50. Lebensjahr zu einer Vorsorge- Darmspiegelung gehen. Der Krebs wächst aus kleinen Veränderungen, es entstehen sogenannte Polypen, die noch gutartig sind. Diese können entfernt werden, aber wenn sie weiterwachsen, führt dies unweigerlich zur Entwicklung eines bösartigen Darmkrebses. Krebs ist heilbar, wenn man ihn rechtzeitig erkennt. Einer der häufigsten Krebsarten beim Mann ist das Prostatakarzinom. Hier gibt es die klare Empfehlung, dass man bei unauffälligem Harnverhalten ab dem 50. Lebensjahr einmal pro Jahr zum Urologen gehen soll, der über den After die Prostata tasten kann und durch eine Blutabnahme den erhöhten Krebswert bestimmt.
Ein weiteres Beispiel ist Brustkrebs. Bei unauffälliger familiärer Situation sollte eine Frau ab dem 40. Lebensjahr zum ersten Mal zu einer Brustkrebsvorsorge gehen, die üblicherweise aus einem Tastbefund durch einen erfahrenen Arzt, einem Ultraschall bzw. einer Mammographie besteht. Wenn alles unauffällig ist, folgen Kontrollen alle zwei Jahre. Bei einer Risikosituation sollte bereits früher die Vorsorge in Anspruch genommen werden. Generell sollte jede Frau ab dem 18. Lebensjahr einmal im Monat ihre Brust selbst auf Knoten abtasten. Hierfür gibt es Kurse, die über die Krebshilfe angeboten werden.
Was tun, wenn bei einem Krebs festgestellt worden ist?
Wird im Rahmen einer Darmspiegelung Darmkrebs festgestellt, so wird das durch eine Gewebeprobe bestätigt. Dann erfolgt das Staging, wo der gesamte Körper nach möglichen Metastasen durchsucht wird. Anschließend erfolgt eine Besprechung in einem sogenannten Tumorboard, wo dem Patienten individuell die bestmögliche Therapie vorgeschlagen wird. Hierfür ist es notwendig, dass man in ein entsprechendes Zentrum mit der nötigen Expertise und Kompetenz geht. So wird beim Mastdarmkrebs häufig eine Vorbehandlung eingeleitet, wo der Tumor mittels Bestrahlung und Chemotherapie über einige Wochen hinweg behandelt wird – das hat das Ziel, dass es im Rahmen einer Operation zu keiner Tumorzellausbreitung kommt und dass der Tumor kleiner wird. Ähnliche Verfahren gibt es auch für den Bauchspeicheldrüsenkrebs, für den Speiseröhrenkrebs oder das Mammakarzinom.
Muss bei Krebserkrankungen eigentlich immer operiert werden?
Häufig bedarf es einer Operation. Üblicherweise wird im Rahmen der Operation das tumortragende Gewebestück entfernt. Bei Darmkrebs wird ein Stück Darm entfernt und der Darm wieder zusammengenäht. Viele Patienten haben Angst vor einem Seitenausgang, aber das ist allerdings nur sehr selten der Fall, nämlich dann, wenn der Tumor sehr, sehr tief im Bereich des Schließmuskels sitzt und der Schließmuskel nicht erhalten werden kann. In vielen Fällen bedarf es nach einer erfolgreichen Operation noch einer Nachbehandlung in Form von Chemotherapie. Neu ist die Entwicklung einer sogenannten Antikörper- oder Immuntherapie. Hierbei gelingt es nun schon in vielen Fällen, Patienten, die noch vor 20 Jahren an den Folgen eines Krebsleidens gestorben wären, zu heilen. Nach einer erfolgreichen Behandlung bekommt man ein sogenanntes Nachsorgeschema, wo in gewissen Abständen, die immer größer werden – von vierteljährlich zu halbjährlich und dann zu jährlich –, im Körper nach einem neuerlichen Auftreten eines Tumors gesucht wird. Generell gilt man bei den meisten Krebsarten, wenn man fünf Jahre tumorfrei ist, als geheilt.
STECKBRIEF
Name: Andreas Shamiyeh
Geburtstag: 20. Februar 1971
In meiner E-Mail-Signatur steht: Primar Univ.-Doz., Klinikvorstand, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
Schwerpunkte: onkologische Chirurgie (Behandlung von Krebsleiden), laparoskopische und robotische Chirurgie, minimalinvasive Chirurgiebei Darmerkrankungen
Funktionen: Präsident der Medizinischen Gesellschaft OÖ, Past-Präsident Krebshilfe OÖ, Vizepräsident des Berufsverbandes Österr. Chirurgen (BÖC), Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie (OEGCH), allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger