Wolkenkratzer mit Stil
Die Attraktivität von Städten spiegelt sich heute nicht mehr ausschließlich in ihrer Wohn- und Lebensqualität wider, sondern auch in ihrer spektakulären Architektur – nicht umsonst wetteifern die Metropolen der Welt um die höchsten, außergewöhnlichsten und exklusivsten Gebäude und Wolkenkratzer. Die ausschlaggebende Erfindung, die Hochhäuser überhaupt erst möglich bzw. attraktiv machte, war übrigens der Fahrstuhl: 1852 erfand Elisha Graves Otis den dampfbetriebenen Aufzug und ermöglichte damit erstmals das mühelose Erklimmen mehrerer Etagen. Die Entwicklung hin zum Stahlskelettbau war ein weiterer Grundstein, der ab Mitte des 19. Jahrhunderts quasi ein Wetteifern um das höchste Gebäude der Welt eröffnete: 1875 wurde das Tribune Building mit 80 Metern Höhe in New York eröffnet, 1913 überragte das Woolworth Building mit 241 Metern ganz Manhattan. Von 1931 bis 1972 konnte sich das Empire State Building mit 443 Metern „höchstes Gebäude der Welt nennen“, das schließlich von den berühmten Twin Towers abgelöst wurde. Seit 2010 ist der Burj Khalifa in Dubai das höchste Gebäude der Welt – mit sagenhaften 828 Metern Höhe.
Wolkenkratzer-Bewerb.
Jedes Jahr schrauben sich überall auf der Welt neue und noch gewagtere Projekte gen Himmel. Die Plattform Emporis, die weltweit sämtliche Wolkenkratzer- und Hochhausdaten sammelt, vergibt jedes Jahr den renommierten Preis für Hochhausarchitektur „Emporis Skyscraper Award“ – und ist somit auch ein wichtiges Schaufenster aller neuesten Hochhaus-Bauten rund um den Erdball.
Russische Premiere.
Im November 2020 wurde der Award 2019 vergeben, diesmal mit einer kleinen Sensation. Denn erstmals in der 20-jährigen Geschichte der Plattform ging der Preis an ein Projekt in Russland: an das 462 Meter hohe Lakhta Center in St. Petersburg, entworfen von den Architektur- und Designbüros Gorproject und RMJM. Besonders beeindruckend befand die Jury die ungewöhnliche Form: So besteht das 2019 fertiggestellte Lakhta Center aus fünf Flügeln, die sich fast um 90 Grad drehen. Die Drehung erzeugt einen dynamischen Eindruck und erweckt die Illusion einer lodernden Flamme – angelehnt an das Logo des Erdgasproduzenten Gazprom, dem der Turm als neuer Hauptsitz dient. Mit seinen 87 Etagen und 462 Metern Höhe ist der Wolkenkratze zudem nicht nur das höchste Gebäude Russlands und auch Europas, sondern auch das vierzehnthöchste der Welt.
Hadids Vermächtnis.
Auch das zweitplatzierte Projekt des Emporis Skyscraper Awards 2019 ist eine Besonderheit – das Bürogebäude Leeza SOHO in Peking, das ebenfalls Ende 2019 fertiggestellt wurde. Die Besonderheit des 207 Meter hohen Turms liegt im Atrium, das das gesamte Gebäude von oben bis unten durchzieht – mit einer so entstandenen Höhe von 194 Metern ist es auch das höchste Atrium der Welt. Die Verglasung des Atriums beeindruckt zudem mit einer großartigen Lichtdurchflutung. Was das Gebäude aber noch bedeutend macht, ist, dass es eines der letzten Projekte der 2016 verstorbenen Stararchitektin Zaha Hadid ist. Schließlich hat Hadid auch mehreren Österreichischen Städten ihren kreativen Design-Stempel aufgedrückt, etwa Innsbruck mit der Bergiselschanze und den Hungerburg-Bahnstationen, Graz mit dem Apartmenthaus Argos oder Wien mit dem Library and Learning Center am Campus der Wirtschaftsuniversität und dem Zaha-Hadid-Haus am Donaukanal.
Neue Superlative.
Ende 2020 machte die Geburtsstadt der Wolkenkratzer, New York, wieder von sich reden. Mit dem neueröffneten Apartmentturm Central Park Tower steht das höchste Wohngebäude der Welt nun am Südende des Central Parks und überragt Manhattan mit seiner Höhe von 472 Metern. Nach dem 541,3 Meter hohen One World Trade Center, das 2014 eröffnet wurde, ist der Central Park Tower nun das zweithöchste Gebäude New Yorks. In den unteren Etagen ist die Kaufhaus- und Versandkette Nordstrom eingezogen, in den restlichen der knapp 131 Etagen finden sich 223 Luxus-Wohnungen. Das letzte Geschoss wurde als allen Bewohnern frei zugängliche Terrasse geplant. Mit geschätzten Baukosten von rund 3,3 Milliarden Euro ist der Tower das teuerste Apartmentprojekt New Yorks aller Zeiten – die günstigste Wohnung mit knapp 53 Quadratmetern Fläche ist um unglaubliche 1,3 Millionen Euro zu haben. Geplant wurde der Turm vom US-amerikanischen Architekten Adrian Smith, der auch den Burj Khalifa entworfen und damit bereits Architekturgeschichte geschrieben hat.
Nach den Sternen greifen.
Bleiben wir gleich beim Stararchitekten: Adrian Smiths architektonischem Ehrgeiz und wohl auch Mut ist nämlich noch ein weiteres Projekt der Superlative zu verdanken – das mit Abstand höchste Gebäude der Welt, der Jeddah Tower in Dschidda in Saudi-Arabien. Mit seinen geplanten 1.007 Metern Höhe wird das Bauwerk über einen Kilometer hoch und überragt den Burj Khalifa so um knapp 200 Meter! Auftraggeber ist die Kingdom Holding Company, die zu 94 Prozent dem Milliardär Prinz al-Walid ibn Talal gehört. Ursprünglich hätte der spiralförmige, nadelähnliche Wolkenkratzer 1.600 Meter hoch werden sollen, aufgrund der Bodenbeschaffenheit wurde er aber auf 1.007 Meter reduziert. Auf 167 Etagen und rund 500.000 Quadratmetern Fläche entstehen Büros, Luxusapartments und Hotels, in 664 Metern Höhe soll zudem die höchste Aussichtsplattform der Welt eine Touristenattraktion werden. Ursprünglich hätte das anfangs auf 1,2 Milliarden Dollar veranschlagte Projekt bereits 2015 fertig sein sollen. Bald schon wurde die Fertigstellung auf 2018 verschoben, dann für das Jahr 2020 mit Baukosten in Höhe 1,4 Milliarden Dollar anvisiert. Aktuell wird die Eröffnung für das Jahr 2024 angedacht – über die Baukosten wird derzeit nichts verlautbart.