Alternative Baustoffe: Wie wär's mit Stroh?
Es ist das Raumklima, das es Christian Neidlinger angetan hat. Sein Haus in Pollmannsdorf im Mühlviertel besteht ausschließlich aus Lehm, Holz - und Stroh. Wenn Neidlinger im Rohbau steht und mit dem Elektriker Leitungen verlegt, atmet er tief durch und sagt: "Man fühlt sich irgendwie sehr leicht hier. Das ist unvergleichlich." Die Wände habe er heuer im Sommer "ruck-zuck" hingestellt, sagt der Bauherr. Das Material: gepresstes Streu in Quadratform, wie es normalerweise an Stallbesitzer verkauft wird. "Strohballenbau" nennt sich das, was Neidlinger da mit Nachbarschaftshilfe und Freunden hochgezogen hat.
Erfunden in den USA
In Deutschland haben die Anhänger dieser Bauform sogar schon einen Verein, den "Fachverband Strohballenbau". Nach dessen Angaben stehen bereits an die hundert Stroh-Bauten in Österreich, in Deutschland rund doppelt so viele und Tausende in Frankreich. Das Bauen mit Strohballen begann mit der Entwicklung von dampfgetriebenen Pressen Ende des 19. Jahrhunderts. Und zwar in einem Bundesstaat der USA, wo es reichlich Getreidefelder gab - in Nebraska. Da damals die Strohwände vollständig die Last der Dachkonstruktion trugen, wird diese Konstruktionsweise noch heute "Nebraska-Stil" genannt. 1936 wurde erstmals ein zweistöckiges Strohhaus errichtet, indem man die Ballen in Ständer schlichtete. Es dauerte bis Ende der 70er-Jahre, ehe die alternative Szene in Amerika den Arme-Leute-Baustoff wieder für sich entdeckte. 1994 erschien das Buch "The Straw Bale House", das den Wissensstand kompakt zusammenfasste. Mittlerweile hat das Mauern mit Heu Europa erreicht und speziell in Frankreich und den Benelux-Ländern Fuß gefasst.
Brandschutz?
Nach dem Erhalt der Baugenehmigung besorgte sich Christian Neidlinger das gepresste Stroh bei einem Bauern. Auf der Baustelle musste sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Ballen nicht feucht wurden. Ein Platzregen und sie wären in Kompost verwandelt worden. Erst nach der Errichtung des Dachs war die Gefahr gebannt. Dem Laien brennt aber noch eine andere Frage unter den Nägeln - der Brandschutz. "Gepresste Strohballen brennen nicht", sagt Neidlinger, "sie können mangelns Sauerstoffzufuhr höchstens glosen."
Roggen, Dinkel, Weizen
Ein Vorteil des Bauens mit Strohballen ist der niedrige Preis (Außenwände machen normalerweise 10 bis 15 Prozent der Gesamtbaukosten aus). Außerdem ist das Material leicht zu bekommen. Jeder Landwirt mit einer ordentlichen presse kann getrocknetes Stroh komprimieren. Geeignete Getreidesorten sind laut Angabe des deutschen Fachverbandes Roggen, Dinkel und Weizen. Gerste sollte nur verwendet werden, wenn nichts anderes erhältlich ist und Hafer ist ungeeignet. Ein weiterer Trumpf sind die isolierenden Eigenschaften von Stroh. Alleine durch ihre Dicke erreichen die Ballen eine Dämmqualität, wie sie für Passivhäuser gefordert wird.
Auf Pfählen gebaut
Es bleiben dennoch große Risiken. Stroh ist und bleibt ein pflanzliches Material, das bei Feuchtigkeit und entsprechenden Temperaturen verrottet. Bei unsachgemäßer Isolierung (Innen- und Außenputz) können Schimmelpilze entstehen. Besonders wichtig ist, dass das Stroh keinen direkten Kontakt mit dem Boden hat. Deswegen muss in jedem Fall ein unterlüftetes Fundament auf Pfählen gelegt werden. Zum Verspachteln eignet sich Lehmputz besonders gut, weil er die Feuchtigkeit aufnimmt und anschließend wieder abgibt. Es sind aber auch andere Putzarten möglich. Werden die Stroh-Mauern keinem Schlagregen ausgesetzt, blieben sie vor Feuchtigkeit verschont - und sind sie fachmännisch verarbeitet worden, dann können sie ein Bauherrenleben lang halten - behauptet zumindest der Deutsche Fachverband der Strohbaufreaks.