Ruhlmann, Frank & Co: Wohntrend Art Déco
Das unerwartete (Welt-)Rekordergebnis für Jean-Michel Frank, einen Meister des Art déco, versetzte Ende letzten Jahres selbst Profis in Staunen. Sein „Cabinet“ (um 1935) wechselte für 3,681.500 € den Besitzer. Die Kommode ist ein handfestes Indiz dafür, dass Art déco wieder „en vogue“ ist. Und gleichzeitig ein exemplarisches Unikat, um den anhaltenden Hype um diese Kunstrichtung zu verstehen. Es ist der opaleszente Schimmer der kristallinen Gipsspat-Paneele gepaart mit solider Bronze, dessen Ästhetik der unkonventionelle Materialmix ausmacht.
Die Künstler dieser Ära fischten vorbehaltlos aus dem Pool diverser edler und industrieller Rohstoffe, unterschiedlichsten Stilrichtungen und rund um den Globus. Afrikanische Stammeskunst, altägyptische Impressionen, Avantgardistisches oder Maschinentechnologie der 1920er eroberten sowohl prestigeträchtige Designobjekte als auch Alltagsgegenstände. Opulente Ornamente und Schnörkel waren ebenso akzeptiert wie geradlinige Grafikelemente, die sich am Bauhaus-Stil oder Kubismus anlehnen. Es lässt sich schon erahnen: Die Charakteristik des Art déco ist nicht so einfach.
Viele Zeichen der Zeit
So wurde ausgehend von Frankreich Anfang des 20. Jahrhunderts Designgeschichte geschrieben. Der Begriff ist die Abkürzung „l’Art décoratif“. Der Beginn der „verzierenden Kunst“ ist auch eng mit der 1925 in Paris abgehaltenen Ausstellung „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ verflochten. Außergewöhnlich war, dass nicht ein rigider Stil als Alleinstellungsmerkmal fungierte, sondern viele Strömungen der Neuzeit zur Unverkennbarkeit führten. Die charakteristische Detailliebe ist der größte gemeinsame Nenner und erklärt sämtliche liebenswerten und heute noch begehrten Sammlerstücke.
Art déco-Ikonen wie Tamara de Lempicka mit ihren kühl-erotischen Bildern oder Unikate von Jacques- Èmile Ruhlmann, wie der skurrile Chaiselongue des Maharadscha (ein mehr oder weniger schönes, aber auf jeden Fall skurriles Sofa, das kürzlich für 2,9 Millionen Euro den Besitzer wechselte, nachdem dieser es 1999 für 345.000 Euro gekauft hatte) waren Meister des nonkonformistischen Zeitgeists. Auch der österreichische Zweig des Art déco rund um die Künstlergruppe der Wiener Secession, allen voran Gustav Klimt sowie international anerkannten Vertretern wie Otto Wagner und Josef Hoffmann, machte Furore. Koloman Moser gelangte vor allem in Verbindung mit der Wiener Werkstätte zu Weltruhm.
Glanz der Eleganz
Politische Turbulenzen, Wirtschaftsboom, Weltwirtschaftskrise, beginnende Massenarbeitslosigkeit und weitere Wirren forderten Kreativität. Die, die es sich leisten konnten, wollten wertvolle opulente Einzelstücke von hochqualifizierten Handwerkern, die dennoch Funktionalismus an den Tag legen sollten. Bevorzugte Möbelmaterialien waren Ebenholz, Rio-Palisander, Mahagoni und als einzig nicht seltene Holzart Birke, die mit Intarsien dekoriert oder in Kombination mit Metallen detailreich ausgearbeitet wurden. Später rückte man von der Extravaganz zugunsten geradliniger Entwürfe ab.
Bis in die Jetztzeit
Spiegelnde Oberflächen und wertvolle Materialien erleben seither immer wieder ein Comeback. Der Wert, den Vintage-Möbel erzielen, ist ein gutes Barometer. Sammler, und Liebhaber sind gut informiert und auf der Suche nach bester Qualität. Es geht nicht rein um die Kultivierung alter Werte, sondern Nachhaltigkeit und Leben mit Vertrautem und Funktionellem. Das erklärt auch die Verwendung von Art déco-Zitaten für Neuentwürfe. Wenn die Aura einer mondänen Ära modernes Design trifft, ist luxuriöses Interieur die logische Konsequenz.