Ab wann spricht man eigentlich von Betrügen?
"Für mich war das Vertrauen weg, als ich erkannte, dass er mir Treffen mit einer Arbeitskollegin verschwieg. Er bezeichnete sie als Freundin, mein Bauchgefühl signalisierte mir, dass da jedoch mehr dahintersteckte. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart nicht mehr wohl, konnte nicht einmal mehr neben ihm schlafen", erzählt Carina (Name von der Red. geändert) über die Trennung von ihrem Ex-Freund. Was die 33-Jährige erlebt hat, kann in Österreich fast schon als kollektives Erleben eingestuft werden. Denn eine im Jahr 2022 durchgeführte Studie der Dating-Plattform "Parship" kam zum Ergebnis, dass 22 Prozent der Männer und Frauen bereits ein- oder mehrmals betrogen wurde. 12 Prozent gaben an, schon einmal selbst fremdgegangen zu sein. Und 13 Prozent haben in ihrem Leben schon beides erlebt.
Subjektives Erlebnis
Doch wo genau fängt eigentlich Betrug an? Ein Seitensprung wird laut Duden als "erotisches Abenteuer" oder "vorübergehende sexuelle Beziehung außerhalb einer Ehe oder einer festen Bindung" definiert. Der Begriff "Fremdgehen" wird als "Liebesbeziehung außerhalb der Ehe oder einer festen Partnerschaft" beschrieben. Beide Bezeichnungen spielen demnach auf die körperliche Komponente ab und müssen daher auch in diesem Kontext gelesen werden. "Neben dem körperlichen Betrug gibt es aber auch noch den emotionalen Betrug. Darunter versteht man vor allem das Verschweigen einer dritten Person, welche auf der emotionalen Ebene immer wichtiger für die betreffende Person wird", klärt die Psychotherapeutin und klinische Psychologin Barbara Bischoff auf. Und ergänzt: "Nicht immer wiegt körperlicher Betrug schwerer. Vor allem für Frauen ist emotionaler Betrug meistens der belastendere. Meiner Erfahrung nach tun sich Frauen schwerer, diesen zu verzeihen. Bei Männern ist es oft umgekehrt der Fall."
Tiefe Narben
Carina kann davon ein Lied singen: "Mein Ex hat mir geschworen, dass körperlich nie etwas zwischen ihnen gelaufen ist, während wir noch zusammen waren. Das habe ich ihm auch geglaubt. Doch die Tatsache, dass er sich ihr geöffnet und mir gegenüber immer mehr verschlossen hat, war sehr schmerzhaft." Mittlerweile ist sie über das Beziehungs-Aus vor gut drei Jahren hinweg und glücklicher Single. "Aber um ehrlich zu sein, hat es wirklich lange gedauert. Zu vertrauen und mich emotional wieder fallen zu lassen, fällt mir noch immer schwer", gesteht die 33-Jährige.
Gründe für Seitensprünge
"Hinter dem Fremdgehen steckt in der Regel eine überdauernde Unzufriedenheit mit der eigenen Beziehung", antwortet Bischoff auf die Frage, wie es eigentlich zu Seitensprüngen kommt. Und gerade fehlende Kommunikation scheint ein ausschlaggebendes Thema zu sein. "Meist wird nicht über eigene Bedürfnisse gesprochen oder sie werden nicht verständlich vermittelt. Dabei ist der gemeinsame Austausch ein wesentlicher Faktor, um eine glückliche Beziehung führen zu können. Unzufriedenheiten sollten immer angesprochen werden", so die Expertin. Und das am besten komplett ehrlich und ohne Zensur.
Anfang vom Ende?
Ein Betrug bedeutet nicht automatisch das Ende der Partnerschaft. Laut der Partnership-Studie wären 41 Prozent der Männer und 34 Prozent der Frauen bereit, einen Seitensprung zu verzeihen. Dabei spielt vor allem die Dauer und Häufigkeit der Affäre eine tragende Rolle. Wie macht man aber nach einem Vertrauensbruch weiter? "Beide Partner müssen gewillt sein, in Gesprächen oder im Rahmen einer Paartherapie das Erlebte aufzuarbeiten. Wichtig ist es, die Hintergründe für den Betrug zu identifizieren und zu klären, welche Themen die Beziehung bereits länger belasten. Das kann das Verhalten des Partners nachvollziehbarer machen, gleichzeitig löst man das Problem von sich als Person. Wem das gelingt, der kann seine Beziehung nachhaltig stärken und vielleicht sogar eine noch erfülltere Partnerschaft leben", so Bischoff.