Lesenswerte Bücher für den Schulunterricht
Immer mehr Deutschlehrer müssen erkennen, dass die meisten Jugendlichen nur noch die Internet-Kurzfassungen von Schiller, Goethe und Co. lesen und stattdessen viel lieber Bücher der Gegenwart bevorzugen. Hier eine Auswahl an Romanen, die das Potenzial zum modernen Klassiker haben.
1." The Hate You Give" von Angie Thomas
„Black lives matter“ ist Angie Thomas ein besonderes Anliegen und immer wieder Thema ihrer Bücher. Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht Starr, die gleichzeitig in zwei gegensätzlichen Welten bestehen muss: Einerseits lebt sie in einem heruntergekommenen Viertel, gleichzeitig jedoch ist sie eine der ganz wenigen Dunkelhäutigen an einer Privatschule. Die Öffentlichkeit wird auf die Sechzehnjährige aufmerksam, als sie Zeugin bei der Ermordung ihres Freundes Khalil durch die Polizei wird. Obwohl er zum Tatzeitpunkt unbewaffnet war, reagiert die Bevölkerung gespalten. Viele halten den Jugendlichen nur für ein Gangmitglied, andere gehen in seinem Namen auf die Straße. Die Lage spitzt sich zu, als Starrs Familie, die ohnehin bereits unter polizeilicher Beobachtung steht, ins Visier einer Gang gerät. Starr ist die Einzige, die weiß, wie Khalil wirklich gestorben ist, doch scheut davor zurück, die Wahrheit zu erzählen. Denn mit ihrer Aussage würde sie sich in zu große Gefahr begeben. Vor dem Hintergrund der „Black lives matter“-Bewegung ist dieses Buch brandaktuell. Zudem gibt Angie Thomas tiefe Einblicke in die Welt der Gangs und ihrer Bandenkriege. Neben einer Fortsetzung zum Buch ist mittlerweile auch ein Film erschienen.
- "The hate you give", 512 Seiten
- "Concrete Rose", 416 Seiten
Erschienen bei Cbj
2. "Gut gegen Nordwind" von Daniel Glattauer
Um Schülern die Form der Briefromane näher zu bringen, wählen viele Lehrerinnen und Lehrer heutzutage den Titel „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer. Dieser modernisierte die aus der Mode gekommene literarische Gattung und schuf mit seinem E-Mail-Roman einen gefeierten Bestseller. In der kurzweilig erzählten Geschichte sorgt ein falscher Buchstabe in der Mail-Adresse, dass Emmi Rothners Beschwerdenachricht direkt in Leo Leikes Postfach landet. Dieser macht sich einen Spaß, antwortet, und schnell wird der Austausch zwischen den beiden sehr vertraut. Die beiden einigen sich darauf, sich nicht persönlich zu treffen. Gerade deshalb fällt es ihnen leicht, einander die privatesten Dinge anzuvertrauen. Brisant: Obwohl Emmi mit Bernhard verheiratet ist, und Leo vorgibt, noch immer an seiner Ex-Freundin Marlene zu hängen, empfinden die beiden zunehmendes Prickeln im Bauch, sobald eine Nachricht des jeweils anderen eintrifft. Das bleibt jedoch auf Dauer nicht unbemerkt. Man liest das Buch in einem Zug und ist neugierig auf den zweiten Band „Alle sieben Wellen“. Auch dieses Buch wurde übrigens bereits verfilmt.
- Gut gegen Nordwind, 288 Seiten
- Alle sieben Wellen, 219 Seiten
Erschienen bei Goldmann
3. "Offline ist es nass, wenn's regnet" von Jessie Kirby
Dieses Buch von Jessie Kirby ist eine tolle Erinnerung für alle Schüler, den Medienkonsum einzuschränken und mehr im Hier und Jetzt abseits der digitalen Welt zu leben. Romanheldin Mari tut nämlich genau das Gegenteil. Für ihre Follower schafft sie tagtäglich die perfekte Scheinwelt: Sport, gutes Essen und der perfekte Boyfriend. Doch nichts davon ist echt. Als sie an ihrem achtzehnten Geburtstag dann plötzlich ein Paket mit Wanderausrüstung und fertig geplanter Route erhält, nimmt sie dieses Geschenk an. Obwohl sie in den letzten Jahren kaum gegangen ist, bricht sie Richtung Yosemite National Park auf. Dieser Roman ist nicht nur wunderschön atmosphärisch erzählt, sondern auch voller Emotionen. Vor allem aber ein Appell an alle, die Augen vom Bildschirm abzuwenden, um das wahre Leben zu genießen.
"Offline ist es nass, wenn's regnet", 336 Seiten
Erschienen bei Loewe
4. "Die Physiker" von Friedrich Dürrenmatt
Wenn auch das älteste Buch in dieser Übersicht, hat Friedrich Dürrenmatts Klassiker nichts an Aktualität eingebüßt. Mit der Geschichte über drei überdurchschnittlich intelligente Menschen, die sich als geistig gestört ausgeben, stellt der Schweizer Autor die Notwendigkeit des wissenschaftlichen Fortschritts gekonnt in Frage. So halten sich die Patienten des psychatrischen Krankenhauses für Einstein, Newton und Möbius. Letzterer hat die Weltformel entdeckt, die Lösung aller wissenschaftlichen Probleme. Morde an Krankenschwestern, verdeckte Agenten verfeindeter Geheimdienste und eine wirklich geisteskranke Oberschwester komplettieren das perfekte, humorvolle Chaos, wodurch sich dem Leser am Ende die Frage aufdrängt: Ist es notwendig, alles zu erforschen und umzusetzen, nur weil es theoretisch machbar ist?
"Die Physiker", 96 Seiten
Erschienen (unter anderem) bei Diogenes
5. "Wunder" von Raquel J. Palacio
Raquel J. Palacio hat mit ihrem Roman die perfekte Schullektüre geschaffen. Der junge August sieht deutlich anders aus als andere Kinder, denn seit seiner Geburt musste er so häufig am Gesicht operiert werden, dass ihm ein Schulbesuch nicht möglich war. Als es soweit ist, dass er am Unterricht teilnehmen kann, wünscht sich August, der sich gerne als Astronaut verkleidet, nichts anderes als dazuzugehören und kein Außenseiter mehr zu sein. Doch letztendlich ist er doch zu gutherzig, um sich einfach von der Welt zurückzuziehen. Ein schöner Roman, um gerade jungen Menschen zu zeigen, wie unwichtig Äußerlichkeiten sein sollten, und wie sehr man seine Mitmenschen mit unüberlegten Kommentaren verletzen kann. Das hochemotionale Buch, das einen einfach nicht kalt lässt, macht einmal mehr bewusst, wie wichtig ein gutes und respektvolles Miteinander für eine Gesellschaft ist. Wer seine Englischkenntnisse trainieren will, dem sei die Originalausgabe empfohlen: Gerade, weil der Roman in einfachen Worten erzählt wird, ist das Buch ideal für all jene, die erst anfangen, Englisch zu lernen.
"Wunder", 381 Seiten
Erschienen bei Hanser
"Wonder", 416 Seiten
Erschienen bei Random House
Bücher, die junge Menschen begeistern - es gibt sie!
Nur fünf Beispiele, die zeigen, dass es durchaus Bücher für den Unterricht gibt, die angenehm zu lesen sind, gleichzeitig eine wichtige Botschaft vermitteln und Themen behandeln, die junge Menschen für Literatur begeistern. Dabei geht es gar nicht allein um den Unterhaltungswert, sondern auch die vielen positiven Nebeneffekte, die das Lesen mit sich bringt: Die Rechtschreibung wird verbessert, der Wortschatz erweitert und die Fantasie angeregt. Kurz gesagt: Wer viel und gern liest, verbessert automatisch seine Deutschkenntnisse! Auch das sollten Lehrer bedenken, wenn sie Bücher für den Schulunterricht auswählen.
Zur Autorin
Cara Krist liest leidenschaftlich gerne und hat für Leseratten den einen oder anderen vielversprechenden (Geheim) Tipp auf Lager! Auf www.weekend.at stellt sie uns ihre Empfehlungen vor.