Die Leiden der jungen Lebensmittelkonsumenten
Stellen Sie sich vor, Sie sind im Supermarkt. Sie müssen Ihren wöchentlichen Einkauf erledigen und stehen vorm Regal. Worauf Ihre Wahl am Ende fallen wird, hängt von vielen verschiedenen Kriterien ab: Preis, Design, persönliche Werte, Erfahrungswerte.
Bio oder billig?
Nehmen wir an, Sie möchten einen Putenstreifensalat zubereiten. Bei den Zutaten, die Sie erwerben wollen, handelt es sich daher um einen Salat, Geflügel, Tomaten und Sauerrahm. Greifen Sie zu einem Markenprodukt, verbinden Sie damit vermutlich positive Bilder, das Design der Verpackung spricht Sie an und Sie haben das Gefühl, etwas qualitativ Hochwertiges zu kaufen und später auch zu konsumieren. Greifen Sie zu einem Billigprodukt, steht für Sie der Preis im Vordergrund. Vielleicht denken Sie „Wozu mehr zahlen, wenn auch weniger geht?“. Greifen Sie zu einem Bioprodukt, scheint Ihnen das Tierwohl oder aber auch Ihre persönliche Gesundheit am Herzen zu liegen. So weit, so gut.
Wie viel Moral kann man sich leisten?
Doch spätestens in der Obst- und Gemüseabteilung ergibt sich ein Dilemma. Während der Blick zwischen verschiedenen Produkten hin- und herwandert, läuft in Ihrem Kopf vermutlich im Schnelldurchlauf Folgendes ab:
„Der Bio-Salat ist zwar in Plastik verpackt, aber immerhin bio. Hmm … wenn ich den unverpackten aus Italien nehme, dann würde ich weniger Plastikmüll verursachen und billiger ist er ja immerhin auch. Andererseits ist der andere halt doch bio und essfertig ist der auch schon. Dann kann ich mir das mühsame Salatwaschen immerhin sparen. Na, so schlimm kann das Plastik ja auch wieder nicht sein … Ich kaufe bio und damit tue ich das Bestmögliche!"
"Aber bei den Tomaten, da nehm' ich jetzt die "normalen", die schmecken besser als die wassrigen Bio-Tomaten und sind ja immerhin aus Österreich, so schlecht können die ja gar nicht sein."
"Aber nehm ich jetzt den Bio-Sauerrahm oder lieber ein bekanntes Markenprodukt? Aber was zeichnet das Markenprodukt eigentlich gegenüber dem Billigprodukt aus? Naja, da kann ich dann eigentlich gleich die günstigere Variante nehmen."
"Beim Fleisch wähle ich Geflügelfleisch mit AMA-Gütesiegel. … Haben wir ja immerhin schon in der Schule gelernt, dass das aus Österreich stammt, und ich denk‘ mal in Österreich geht’s den Tieren ja auch nicht sooo schlecht, also, zumindest besser als im Ausland. Bio wär‘ beim Fleisch halt auch ganz schön teuer …“
Die Herausforderung, das Richtige zu tun
Am Ende bleiben viele Fragen: Mit welcher Kaufentscheidung richte ich weniger Schaden an? Was hält meinen ökologischen Fußabdruck möglichst gering, was nicht? Was ist in meinem finanziellen Essensbudget enthalten? Was kann bzw. was will ich mir leisten? Was erwartet die Gesellschaft von mir? Was tut meiner Gesundheit gut? Und vor allem: Wie kann ich das alles miteinander unter einen Hut bringen?
Fragen über Fragen, die sich wohl die meisten körper- und/oder umweltbewussten Menschen nahezu tagtäglich stellen. Kein Wunder, dass man bei dieser Flut an Möglichkeiten überfordert ist. Der ständige Anspruch, die richtigen Entscheidungen zu treffen, belastet uns mehr denn je.
Zermürbende Kompromisse
In der aktuellen Lage verhält es sich so, dass man stets auf der Suche nach dem geringeren Übel ist. Denn, dass wir der Umwelt mit unserem Lebensstil schaden, steht außer Frage. Was bleibt, sind zermürbende Kompromisse. Denn selbst wenn ich die Absicht habe, bewusst einzukaufen, so muss ich mich häufig zwischen Bio und Plastik, zwischen "Herkunft: Österreich und kommerziell produziert" oder "Herkunft: Spanien und bio" entscheiden. Das Gefühl macht sich breit, dass man gar nichts richtig macht. Aber bedeutet das bereits, alles falsch zu machen?
Anfeindungen statt Diskurs
Was uns nicht weiterbringt, aber weiter verbreitet denn je erscheint: gegenseitige Schuldzuweisungen innerhalb der Gesellschaft. Sind Fleischesser "Mörder"? Richten Vegetarier durch ihren Avocado-Konsum die Welt endgültig zugrunde? Auch wenn gegensätzlichen Gruppen helfen mag, durch Anfeindungen und vernichtende Urteile über andere von sich abzulenken, kommen wir als Gesellschaft damit keinen Schritt weiter. Im Gegenteil.
Der Weg beginnt beim Ich
Fakt ist: Die moderne Lebensweise an sich schadet der Umwelt. Begrenzt wird der Schaden durch die Bereitschaft des einzelnen, Zugeständnisse zu machen, soweit es ihm möglich ist. Hauptsache, man beginnt bei sich selbst.
Denn nur dann ist möglich, woran eine Gesellschaft wachsen kann:
Offener Diskurs, Austausch und Erfahrungsberichte – JA. Reine Schuldzuweisung, Anfeindungen und Kritik – NEIN.
Zur Autorin
Im Rahmen ihres Philosophie-Studiums geht Passion Author Sarah Füßlberger den Dingen gerne auf den Grund. Für www.weekend.at widmet hinterfragt sie die vielfältigen Entscheidungen, die wir Tag für Tag mit Blick auf unsere Lebensweise mehr oder weniger bewusst treffen.