Das Phänomen Bares für Rares - Flohmarkt 2.0
Viele von uns haben vermutlich schon einmal davon geträumt, in den Tiefen ihres Kellers, dem hintersten Winkel eines verstaubten Dachbodens oder beim vergnüglichen Schlendern über einen Flohmarkt ganz unverhofft auf einen Schatz zu stoßen: Ein bisher wenig beachtetes Bild aus dem Besitz der Großmutter, ein der Vergessenheit anheimgefallenes, ungeliebtes Schmuckstück oder ein unscheinbares Möbel, das sich schlussendlich als wertvolle Antiquität entpuppt und uns ein Vermögen oder zumindest eine schöne Stange Geld einbringt.
Einfach erfolgreich
Genau dieses Wunschdenken macht sich die Trödelshow Bares für Rares zunutze, die seit 2013 eine rasant wachsende Fangemeinde um sich schart und dem ZDF Traumquoten von täglich bis zu vier Millionen Zusehern sowie monatlich um die drei Millionen Zugriffe in der Mediathek beschert. Dabei ist das Prinzip des von Horst Lichter moderierten Formats, das es bereits auf über 1.000 Ausgaben gebracht hat, denkbar simpel: Jede Episode startet in einer Expertenhalle, in der die verkaufswilligen Teilnehmer ihre (vermeintlichen) Kostbarkeiten von Fachleuten begutachten und taxieren lassen. Sollte der dadurch ermittelte Verkaufswert den Erwartungen der Besitzer entsprechen, erhalten selbige das Händlerkärtchen und somit die Möglichkeit, ihr Objekt fünf Händlern über ein versteigerungsähnliches Prozedere zum Kauf anzubieten.
Bewerten & Feilschen
Die mitgebrachten Stücke sind somit auch die eigentlichen Stars der Show und ihre Inszenierung trägt wesentlich zu deren Reiz bei. So bemüht sich etwa Horst Lichter darum, jedem Verkäufer eine spannende Hintergrundgeschichte oder berührende Anekdote zu seinem Objekt zu entlocken, damit auch die Zuseher dafür schwärmen und in weiterer Folge bei seinem Verkauf mitfiebern können. Die Experten nehmen die Gegenstände wiederum mit Feuereifer und großer Sachkenntnis unter die Lupe und klären die oftmals aus dem Staunen nicht mehr herauskommenden Besitzer über deren kulturelle Bedeutsamkeit, historischen Stellenwert oder luxuriöse Verarbeitung auf. Kuriositäten wie ein von Jimi Hendrix signierter Reisepass, ein wie ein Folterwerkzeug anmutendes Blutschröpfinstrument aus dem 19. Jahrhundert oder eine freizügige Rosenthal-Statuette verbreiten dabei eine besonders heitere Stimmung an den Expertentischen. Vor dem Händlerpodium gilt es schlussendlich, Verhandlungsgeschick unter Beweis zu stellen. Denn die erfahrenen Profis versuchen mit allerlei gefinkelten Kniffen den Verkaufspreis möglichst niedrig zu halten. Verkäufer, die das in der Expertise erworbene Wissen ansprechend wiedergeben können, sind hier klar im Vorteil. Idealerweise gelingt es ihnen, mehrere Händler in ein leidenschaftliches Bietergefecht zu verwickeln, was nicht selten mit einem Verkauf zu einem Preis weit über der Schätzung endet.
Der Zauber alter Dinge
Die große Popularität, die Bares für Rares auch in jüngeren Altersgruppen genießt, lässt sich außerdem mit Blick auf einen weiteren Trend erklären: dem Flohmarktboom. Vor allem in Großstädten finden immer mehr Menschen Gefallen daran, sich auf der Suche nach Kuriositäten, Raritäten oder Antiquitäten durch prall gefüllte Kisten sowie Stände zu wühlen und leidenschaftlich mit Händlern zu feilschen. Vordergründig lässt sich dieser Enthusiasmus auf eine sich auf dem Vormarsch befindende „Verkaufen statt wegwerfen“-Philosophie oder die lukrative Möglichkeit zur Aufbesserung der Urlaubskasse für die Verkäufer zurückführen. Darüber hinaus sehnen sich jedoch immer mehr Menschen nach „echten“ Dingen, die eine individuelle Geschichte erzählen, sie an unbeschwerte Jugendjahre erinnern sowie einen kulturellen Wert besitzen und repräsentieren. Quasi als nostalgischer Gegenpol in einer immer digitaler werdenden Welt.
Österreichimport
Seit Dezember 2019 strahlt Servus TV regelmäßig sonntags zur Primetime die österreichische Version von Bares für Rares aus. Durch die Sendung führt, mit viel alpenländischem Charme und Horst-Lichter-Gedächtnisschnauzer, seit Herbst 2020 Willi Gabalier. Und auch die Augen des studierten Kunsthistorikers und passionierten Antiquitätenliebhabers beginnen regelmäßig zu leuchten, wenn er Prunkstücke wie eine Triumph 350er Boss aus den 50ern, ein 18-karätiges Goldarmband mit 30 Brillanten und integrierter Omega-Uhr oder eine meisterhaft gestaltete Alabaster-Kaminuhr in Empfang nehmen darf. Der Ablauf der Show folgt ihrem deutschen Vorbild bis ins kleinste Detail, zudem nehmen mit Wolfgang Pauritsch und Ludwig Hofmair regelmäßig zwei Händler der ersten Stunde auf dem Händlerpodium Platz. Und so ist es nicht überraschend, dass die Bares-für-Rares-Erfolgsformel auch auf dem heimischen Markt funktioniert: Im Schnitt verfolgen 190.000 Zuseher den sonntäglichen Trödelspaß. Weitere Ableger des Formats flimmern in Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien über den Bildschirm.
Rekorde und Auszeichnungen
- Pro Woche gehen 500 bis 1000 Bewerbungen in der Redaktion ein
- Bis Ende 2018 wanderten Stücke im Wert von über 2 Millionen Euro über den Händlertisch
- Die älteste verkaufte Antiquität war ein 5.000 Jahre altes babylonisches Rollsiegel
- Bares für Rares wurde 2018 mit der Goldenen Kamera und 2019 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet