Willi Ruttensteiner: Top-Klubs sind Großunternehmen
CHEFINFO: Als Wirtschaftsmagazin interessiert uns natürlich die Frage: Wie viel wirtschaftliches Know-how braucht es heute im Fußball und inwiefern sind Fußballklubs mit Unternehmen vergleichbar?
Willi Ruttensteiner: Ich bin neben meiner Trainertätigkeit in die Rolle des Sportdirektors gekommen. In dieser Rolle, und im Klubmanagement allgemein, ist eine wirtschaftliche Ausbildung absolut notwendig. Man muss sich beim Budget, den Strategien, dem Projektmanagement, und der PR auskennen. Ich habe daher mein Masterstudium im Sportmanagement nie bereut. Der gesamte Fußball hat sich stark professionalisiert. Top-Klubs sind heute Großunternehmen, die von Wirtschaftsleuten und Investoren geführt werden. Das ist schon längst kein Mäzenatentum mehr, sondern hoch profitabel. Natürlich geht die Kluft zwischen Großklubs und kleineren Vereinen immer weiter auseinander. Allein in der Premier League beträgt das TV-Geld 6,3 Milliarden Euro. Da sind kleinere Ligen wie die österreichische natürlich benachteiligt. Selbst Red Bull Salzburg wird da zum Ausbildungsverein, und man sieht, wie gut das funktioniert. Jedes Jahr wechseln Salzburg-Spieler zu Top-Klubs. RB Salzburg ist ein erfolgreiches Wirtschaftsmodell geworden. Die Philosophie ist es, junge Nachwuchs- Nationalspieler zu kaufen und sie im Klub weiterzuentwickeln. Es geht um Talentidentifikation. Talente findet man heute nicht mehr zufällig an einem Strand oder einem Bolzplatz. Der entscheidende Punkt ist, das Potenzial zu erkennen. Das ist die hohe Kunst, und dieses Businessmodell rechnet sich.
Die Digitalisierung hat längst im Fußball Einzug gehalten. Inwiefern spielt da die Psychologie, das menschliche Miteinander, noch eine Rolle?
Ruttensteiner: Spiele und Trainings werden heute mittels Datenanalyse genau gecheckt. Es gibt weltweite Plattformen und Netzwerke, die stark ITlastig sind. Die Gefahr ist die gewaltige Datenflut. Es ist schwierig herauszufiltern, was wirklich wichtig ist und die Weiterentwicklung vorantreibt. Daher kommt es nach wie vor auf Manager, Trainer und Sportdirektoren an. Die Führungskraft ist, wie in der Wirtschaft, entscheidend. Carlo Ancelotti ist das beste Beispiel. Er hat eben die Champions League mit Real gewonnen. Er war fantastischer Spieler, hat enormes Fachwissen, ist aber vor allem ein toller Mensch mit einer gewaltigen Gabe, Menschen zu führen. Die IT wird nie das persönliche Gespräch ersetzen können. Das psychologische Element, die Beziehung zum Spieler, ist nach wie vor, das Um und Auf im Trainerberuf.
Sie waren lange für den ÖFB tätig, kennen die Nationalmannschaft sehr gut. Wie stehen Sie zu Ralf Rangnickals Nationaltrainer und welches Potenzial hat die Nationalmannschaft?
Ruttensteiner: Wir haben ein riesiges Potenzial. Wir haben Spieler bei Real, bei Bayern, in internationalen Top-Ligen. Spieler die international erfolgreich sind. Als ich 1999 beim ÖFB begonnen habe, gab es keinen einzigen Kicker auf solch hohem Niveau. Allerdings war die missglückte WM-Qualifikation ein absoluter Misserfolg. Das Potenzial liegt für mich mehr in der Mannschaft als beim Trainer. Hickersberger, Koller oder Foda waren alle Trainer mit hoher Qualität. Ich bin auch überzeugt, dass Peter Stöger oder Andi Herzog gute Nationalmannschaftstrainer gewesen wären. Ralf Rangnick ist aber eine gute Wahl, kein Thema.
Sie waren Nationaltrainer von Israel. Hat man überhaupt genug Zeit mit den Spielern, um etwa ein neues System einzustudieren?
Ruttensteiner: Man hat die Spieler nur einige wenige Tage im Jahr bei sich. Der Vorteil ist aber, dass man die besten Spieler des Landes zur Verfügung hat. Wenn ich etwa David Alaba etwas erkläre, dann setzt dieser das unmittelbar um, weil er Weltklasse ist. Adaptierungen im Spiel gehen also sehr schnell. Die Voraussetzungen dafür sind ein klares Spielkonzept, eine klare Spielphilosophie mit Prinzipien und Richtlinien. Die kann man den Spielern auch außerhalb der Nationalmannschaft erklären.