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Kultur
ORF-Quotenhit „Wir sind Kaiser“ mit Robert Palfrader und Rudolf Roubinek
ORF-Quotenhit „Wir sind Kaiser“ mit Robert Palfrader und Rudolf Roubinek
BojanMirkovic / DigitalVision Vectors / Getty Images, Hans Leitner / First Look / picturedesk.com

Der Kaiser hätt' seine Freud

18.11.2024 um 10:20, Klaus Schobesberger
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Das imperiale Erbe Österreichs wird auf Hochglanz poliert und bietet noch Potenzial. Auch das "Sisi"- und Kaiser-Image lebt in den Köpfen weiter.

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Amerika, du hast es besser als unser Kontinent, das alte, hast keine verfal­lenen Schlösser und keine Basalte“, schrieb Goethe. Heute könnte man formulieren: „Österreich, du hast es besser.“ In der aktuellen Rezessionsphase präsentiert sich das „Geschäftsmodell“ Österreichs mit seinem starken Tourismus robuster als jenes Deutschlands. Mit 31 Millionen Ankünften konnte sich die kleine Alpenrepublik 2023 unter den Top Ten weltweit platzieren – knapp hinter Griechenland und Deutschland. Heuer steuert Österreich mit 115,6 Millionen Nächtigungen auf einen neuen Rekord zu. Der Flughafen Wien zählte im Sommer 6,7 Millionen Fluggäste, so viele wie noch nie in seiner Geschichte. Rund 36 Milliarden Euro „spendierten“ Touristen im Vorjahr in Österreich. 62,1 Prozent dieser Ausgaben stammen von internationalen Gästen, die neben dem Natur- und Pistenangebot eben genau diese „Schlösser und Basalte“ schätzen. Rund ein Viertel der Besucher gibt als Grund für die Wahl der Destination das Thema Sehenswürdigkeit und Kultur an, sagt Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler im Interview. Dass das „Sissi“- und „Sound of Music“-Image immer noch in den Köpfen vieler junger Menschen im Ausland verankert ist, überraschte sogar den Tourismusprofi.

Schloss Schönbrunn
Das Schloss Schönbrunn ist die meistbesuchte Sehenswürdigkeit der Republik Österreich. Fast 3,3 Millionen Eintritte verzeichnete das weitläufige Anwesen mit seinen kaiserlichen Schätzen im Vorjahr.

Schönbrunn als Cashcow

Freilich wird die Erinnerung an die glorreiche Vergangenheit mit den Prunkbauten, Herrschern, Künstlern und Komponisten clever durch wiederkehrende Ereignisse wie den Wiener Opernball oder das Neujahrskonzert aufgefrischt. Aktuelle Serien-Schmonzetten wie „Die Kaiserin“ (Netflix) oder „Sisi“ (RTL) tun das ihre, Österreich als Sehnsuchtsland zu positionieren, das dank seinem imperialen Erbe großartige Geschichten zu erzählen hat. Nicht von ungefähr ist das Schloss Schönbrunn die meistbesuchte Sehenswürdigkeit der Republik. Fast 3,3 Millionen Eintritte verzeichnete das weitläufige Anwesen im Vorjahr, das sind zwischen 16.000 und 18.000 Gäste täglich, die sich durch die kaiserlichen Prunk- und Wohnräume drängen. Dank der Einnahmen aus Tickets und Shop sei die Schönbrunn Group eine der ganz wenigen Einrichtungen auf diesem Sektor, die sich nicht nur selbst erhalten können, sondern auch Gewinne schreiben, sagt Klaus Panholzer, Geschäftsführer der Schönbrunn Group im Interview. Der Umsatz hat sich in seiner Ära nahezu verdoppelt. Und vor allem: Panholzer hat den Netzwerkgedanken vorangetrieben.

Der Kuss von Belvedere
„Der Kuss“ von Gustav Klimt zählt zu den meistgesehenen Kunstwerken. Das ­Belvedere hatte im Vorjahr 1,3 Millionen Gäste.

Publikumsmagnete und Blockbuster

Vor fünf Jahren initiierte er die Austrian Leading Sights, die das Bewusstsein für österreichische Sehenswürdigkeiten im Tourismus steigern sollen. Inzwischen ist der Lobbying-Verein auf 50 Mitgliedsbetriebe angewachsen, die 27 Millionen Besucher zählen, 4.200 Menschen Beschäftigen und 295 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften. Mit dabei: das Belvedere. Mit 1,3 Millionen Gästen und Gustav Klimts „Der Kuss“ als Publikumsmagnet ist es das meistbesuchte Kunstmuseum Österreichs. Besuchsfixpunkt ist neben dem Kunsthistorischen Museum (KHM) vor allem die ­Albertina, der Klaus Albrecht Schröder, ein gebürtiger Linzer, in seinen 25 Jahren als Direktor neues Leben eingehaucht hat. Das von Herzog Albert im 18. Jahrhundert gegründete Haus neben der Staatsoper beherbergt eine der größten und bedeutendsten grafischen Sammlungen der Welt. Das wohl berühmteste Werk ist Dürers „Feldhase“. Schröder, der Ende des Jahres in Pension geht, hat dank bester Beziehungen zu privaten Mäzenen wie Haselsteiner, Batliner oder Essl einen neuen Fundus an Sammlungen mit Vertretern zeitgenössischer Kunst im Haus. Seine Blockbuster-Ausstellungen wie die aktuelle „Von Monet bis Picasso“ locken ­Hunderttausende Besucher an. „Insgesamt besitzen wir 1,1 Millionen Kunstwerke in der Albertina. Wir haben einen Studiensaalbetrieb, in dem wir eine Auswahl aus ungefähr 900.000 Zeichnungen, Aquarellen, Druckgrafiken auf Bedarf vorlegen können“, sagt Schröder gegenüber CHEFINFO. Mit einer Bilanzsumme von 135 Millionen Euro, 360 Mitarbeitern, 15 großen Ressorts und 70 Abteilungen zählt die Alber­tina zu den großen Schiffen des imperialen Erbes in Österreich.

Der Kaiser ist tot, es lebe der …

149 Habsburger, zwölf von ihnen waren Kaiser, fristen in der Kaisergruft in Wien ihren dumpfen Todesschlaf. Mehr als 200.000 Interessierte zwängen sich jährlich durch die steinernen Gänge der Nekropole unter dem Kapuzinerkloster in Wien. Auch die gerne verklärte Sisi liegt hier an der Seite ihres Gatten Kaiser Franz ­Joseph I. Obwohl sie laut Eigenaus­sage lieber am Ufer des Meeres auf Korfu begraben läge. In Österreich verblasste das einst strahlende Herrscherhaus spätestens mit dem Tod des letzten Kronprinzen Otto. Wobei wohl schon zu Lebzeiten Ottos niemand den Paneuropa-Apostel als Touristenmagneten angesehen hätte. Ganz im Gegensatz zu den britischen Monarchen. Gerne wird das Festhalten an Herrschern durch Gottes Gnaden mit den Einkünften durch Urlauber gerechtfertigt. Das ­Vereinigte Königreich zog 2023 insgesamt 37,2 Mil­lionen internationale Touristen an und ­belegte damit im Ländervergleich den siebten Platz. Tatsächlich ist das ökonomische Kosten-Nutzen-­Verhältnis von Mo­nar­chen schwer zu bemessen. Brand Finance rechnete aus, dass die „Royals“ im Jahr 2022 beinahe eine Milliarde Pfund für den Inselstaat einbrachten. Kritiker halten diese Zahl für maßlos übertrieben. In Wien huldigt man keinem Kaiser mehr. Das imperiale Erbe bleibt dennoch von großem Wert. So wurde dieses bei einer Befragung internationaler Touristen im Jahr 2011 als wichtigster Faktor genannt. Tourismus-Umsätze in Höhe von 60 Millionen Euro könnte man darauf zurückführen, schätzte der Leiter des European Brand Institute Gerhard Hrebicek damals.

Kulturmanager
Linzer als Kulturmanager: Staatsopern-Direktor Bogdan Roscic und der Direktor der Albertina, Klaus Albrecht Schröder (re.)

Habsburg-Wonderland Ischl

Den langen Arm der Monarchen, die Österreich über 600 Jahre prägten, spürt man besonders in der Kulturhauptstadt Bad Ischl. Der häufigste Vogel der Region ist der Doppeladler und „k.u.k.“ wurde zum obligatorischen Präfix lokaler Unternehmen. Hier verbrachte der vorletzte österreichisch-ungarische Kaiser Franz Joseph I. Jahr um Jahr seine Sommerfrische. Viele bedeutende Momente für die Dynastie und die Weltgeschichte ereigneten sich in dem pittoresken Alpenort. In der Stadt an der Traun verlobte sich der 23-jährige Kaiser mit seiner 15-jährigen Cousine Elisabeth. Die spätere Kaiservilla erhielt das Paar als Hochzeitsgeschenk. Über 60 Jahre später verfasste der Monarch in ebenjenem Haus das Manifest „An meine Völker“, welches die Kriegserklärung an Serbien darstellte und damit den Ersten Weltkrieg einläutete. Heuer glänzte die Kulturhauptstadt mit einem diversen Programm und in der ersten Jahreshälfte zog es mehr 220.000 Besucher nach Bad Ischl.

Kaiserstadt und Weltkünstler
Kaiserstadt und Weltkünstler. Alfred Weidinger, Geschäftsführer der OÖ Landes-Kultur GmbH, holte für die Kulturhauptstadt den chinesischen Künstler Ai Weiwei nach Bad Ischl.

Schlossmuseum ohne Kaiser

Einer der Höhepunkte der EU-Kulturhauptregion Salzkammergut war die Perfomance des wohl bekanntesten lebenden Künstlers Ai Weiwei. Er hat Kaiserpark und Marmorschlössl in Bad Ischl mit seinen Installationen neu aufgeladen. Zu verdanken war der Coup dem umtriebigen Geschäftsführer der OÖ Landes-Kultur GmbH Al­fred Weidinger. Er war vor seiner jetzigen Funktion Vizechef im ­Belvedere sowie Leiter des Kunstmuseums in Leipzig und brachte 2016 den im Exil lebenden chinesischen Künstler erstmals groß nach Österreich. Die Einladung nach Bad Ischl schlug Wellen über die Grenzen Österreichs und war gut besucht. Während der Kaiser in Bad Ischl allgegenwärtig ist, spielt das imperiale Erbe in Linz laut Weidinger keine Rolle. Auch die Erfahrungen, die er in den ­Museen in Wien und Leipzig machte, lassen sich nicht auf Oberösterreich übertragen. Erstens seien wir nicht so kunst­affin wie zum Beispiel Wien. Zum anderen rekrutiert sich eine riesige Menge an Besuchern aus dem Tourismus. Da können wir in Linz nicht mit“. 

4. Staffel der RTL-Serie über Kaiserin Elisabeth startet im Dezember.