Was ist Innovation? Kriegsführung im Cyberspace
Puch G, Glock, Sturmgewehr 77 oder Pinzgauer: Während des Kalten Krieges stand das österreichische Bundesheer für zum Teil bahnbrechende Innovationen. Wie sieht es heute aus? Wir sprachen mit dem oberösterreichischen Militärkommandanten Dieter Muhr.
Herr Brigadier, inwieweit ist Innovation ein Thema beim Führungskader des österreichischen Bundesheeres?
Dieter Muhr: Es ist ein großes Thema. Wir haben einen Lessons-Learned-Prozess, sprich einen Prozess Einsatzauswertung, etabliert. Wir generieren Wissen, welches wir über Wissensmanagement zur Verfügung stellen. Wir haben einen Forschungsprozess, wo wir gezielt forschen, um Neuerungen zu verarbeiten und Neuerungen zu generieren. Im Mittelpunkt stehen bei uns die Einsatzführung und die Auswertung von Krisen und Kriegen. Denn in den Auslandseinsätzen, wenn es um Friedenserhaltung geht, oder als Beobachter muss man die Umstände und die Neuerungen erkennen und einschätzen können.
Zahllose technische Innovationen haben ihren Ursprung im militärischen Bereich. Warum ist das Militär zu einem derart wichtigen Innovationstreiber geworden?
Muhr: Es gilt der Grundsatz: Kein Krieg wird so gefochten, wie der zuvor. Doch man muss festhalten, dass der zivile Bereich den militärischen eindeutig überholt hat. Viele Produkte, die im militärischen Gebrauch sind, sind zivilen Ursprungs. Nehmen wir das Internet und das GPS. Ursprünglich vom Militär angestoßen und finanziert, wird heute Skylink von Elon Musk im Ukraine-Krieg verwendet. Es handelt sich um eine zivile Anwendung, noch dazu von einer zivilen Firma.
Innovative Waffensysteme können die Soldaten nur teilweise ersetzen. Es braucht immer Soldaten, um die Entscheidung herbeiführen zu können.
In welchen Bereichen ist das österreichische Heer besonders innovativ?
Muhr: Wir sind einerseits in den sogenannten Soft Skills wie Krisenmanagement, Cultural Awareness, politisches Verständnis besonders gut aufgestellt. Dann sind wir in der Anwendung von militärischen Mitteln gut aufgestellt, wenn es um die Verhältnismäßigkeit im Einsatz geht. Unser nachrichtendienstliches Lagebild hat Weltruf. Im Bereich Cybersecurity verfügen wir über eine gute Expertise sowie bei der weltweiten Kommunikation und in der Absicherung unserer Netze. In der allgemeinen Verwaltung sind wir gut aufgestellt, wenn es um Informationssysteme geht. Beim Betreiben von technischen Lösungen sind wir gut, haben aber großen Nachholbedarf, wenn es um Waffen und taktische Aufklärungssysteme geht.
Welche Rolle spielt die digitale Aufrüstung – Stichwort Kriegsführung im Cyberspace?
Muhr: Das ist derzeit die bedeutendste Entwicklung überhaupt. Wurde früher an Land und auf See Krieg geführt, kam später der Krieg in der Luft, unter Wasser, im elektromagnetischen Spektrum wie Radar und der Weltraum dazu. Wir sprechen hier von Domänen. Der Cyberspace ist eine Domäne für sich, mit dem Internet und der Infrastruktur dazu, und diese Domäne ist in und für alle anderen Domänen bestimmend geworden. Wer somit den Cyberspace beherrscht und sich den Cyberspace gesichert nutzbar machen kann, ist bei der Kriegsführung eindeutig im Vorteil, kann Wissen generieren und kann zusätzlich die öffentliche Meinung erreichen.
Innovationen brauchen Geld. Was bedeutet die geplante Budgeterhöhung in diesem Zusammenhang?
Muhr: Wenn die Republik im Bundesheer investieren will und muss, dann müssen wir gleich in innovative und zukunftsweisende Konzepte und Technologien investieren. Kaufen wir um Gottes Willen nicht das, was andere loswerden wollen! Wir sollten nur in Ausnahmefällen gebrauchte Plattformen kaufen. Und nur dann, wenn wir sie in einem innovativen Ansatz modernisieren können. Das machen die Israelis auch.
In Israel spielt das Heer eine bedeutende Rolle für Innovation. Was kann unser Bundesheer davon lernen?
Muhr: Zunächst, dass Österreich nicht Israel ist. Israel könnte ohne eine eigene Rüstungsindustrie und ohne Überlegenheit durch Innovation nicht existieren. Aber nun zu Österreich. Während des Kalten Krieges wurden gemeinsam von Industrie und Bundesheer innovative Lösungen erarbeitet, die noch heute funktionieren. Stichworte: Puch G, Glock, Sturmgewehr, Panzer, Lkw, Pinzgauer etc. Dahinter stand ein plausibles und leistbares Verteidigungskonzept, das von der Bevölkerung mitgetragen wurde. Wenn wir diesen Wege gehen wollen, dann heißt es, sich anzustrengen.
Was lehrt uns der Ukraine-Krieg über innovative Waffensysteme?
Muhr: Innovative Waffensysteme sind den herkömmlichen oftmals entscheidend überlegen, können die Soldaten aber nur teilweise ersetzen. Es braucht immer Soldaten, um die Entscheidung herbeiführen zu können. Innovative Waffensysteme brauchen innovative Soldaten, die sie übernehmen und einsetzen können. Da sind wir beim Bundesheer im Vorteil. Unsere Soldaten sind auf Innovationen eingestellt und können diese nicht nur mitentwickeln, sondern auch übernehmen und einsetzen. Wir brennen seit Jahren darauf, moderne, innovative militärische Mittel zu bekommen.