Second-Tech: wie refurbed Elektroschrott bekämpft
Lange Schlangen vor den Apple Stores samt Hysterie und Jubelschreien gab es schon länger nicht mehr. Nicht weil Apple nicht fleißig ein neues iPhone nach dem anderen herausgibt, sondern weil der Trend den stets neuesten „hottest shit“ zu besitzen, abebbt. Der Tech-Influencer congTECH zeigt eindrucksvoll auf, warum das so ist. „Das erste iPhone 2007 war der Game Changer. Das iPhone 3G mit Apple Store war sensationell, das 2010 vorgestellte iPhone 4 kam im Alucase und die Kamera war so gut, dass man erstmals richtig gute Fotos schießen konnte.“ Dazu kamen enorme Geschwindigkeitssteigerungen. congTECH hat nachgemessen. Zwischen den iPhone-Generationen 1 und 5 gab es einen Leistungsanstieg von 1.900 Prozent innerhalb von nur fünf Jahren. Zwischen den iPhones 10 bis 13 nur einen von 75 Prozent.
Heimisches Startup hält mit Amazon mit
Genau das nutzen Refurbishment-Unternehmen. Refurbished bezeichnet elektronische Geräte, die nicht einfach nur secondhand sind, sondern von professionellen Unternehmen wiederaufbereitet wurden. Dazu gibt es meist ein Jahr Vollgarantie. Der Kunde kann aus verschiedenen Qualitätslevels wählen. Geräte, die „wie neu“ angeboten werden, sind zum Teil noch originalverpackt. Dazu bieten die meisten Plattformen professionellen Support an. Drei große Anbieter matchen sich derzeit am Markt mit teilweise unglaublichen Wachstumsraten: Amazon renewed, Swappie und refurbed. Letzteres wurde von Österreichern gegründet. CEO Peter Windischhofer, gebürtiger Mühlviertler, setzt eigene Standards. Von den drei größten Anbietern gilt refurbed als der Strengste und pflanzt als CO2-Ausgleich auch noch Bäume für die Käufer an. Windischhofer und seinen Kollegen ging es stets um den Nachhaltigkeitsaspekt, und der wurde nun sogar gemessen.
57.000 Liter Wasser für ein MacBook Air
Eine Studie von Fraunhofer Austria beweist den Effekt von professionell wiederaufbereiteten Geräten. Die Studie rechnet dabei auch vor- und nachgelagerte Emissionen ein, von der Produktion bis zum Elektroschrott. Das Ergebnis: Es können bis zu 83 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden. Der Impact bei weltweit zwei Milliarden Smartphones, die jährlich produziert werden, ist gigantisch. Knapp 80 Prozent der Gesamtemissionen fallen bei der Neuproduktion eines Geräts an. Fraunhofer zeigt etwa an einem iPhone 11, dass dieses 56,9 kg CO2 in der Produktion verursachte. Die Wiederaufbereitung hingegen kommt mit 2,8 kg pro Gerät aus. Über den Lebenszyklus gerechnet, verursacht ein neues iPhone 11 72 kg CO2, ein wiederaufbereitetes Gerät nur 15,7 kg. Das liegt vor allem an der weitaus längeren Nutzung von refurbishten Devices. Die Studie zeigt, dass etwa zwischen einem neuen und einem aufbereiteten Lenovo Thinkpad T460 69 Prozent, bei einem Apple MacBook Air 2017 83 Prozent weniger CO2 emittiert werden. Alleine der Wasserverbrauch kann durch Refurbishment um 86 bis 91 Prozent reduziert werden. Fraunhofer rechnet vor: 12.075 Liter Wasser benötigt die Neuproduktion eines Apple iPhones, ein wiederaufbereitetes Gerät benötigt 86 Prozent weniger. Ein Apple MacBook Air braucht unfassbare 57.000 Liter in der Produktion, ein refurbishtes Gerät senkt diesen Verbrauch um 91 Prozent.
Elektro-hot statt Elektroschrott
Und dann wäre noch das Thema Elektroschrott. Handys und Laptops, die nicht mehr reibungslos funktionierten, wurden achtlos weggeworfen. Alleine in Europa fallen so jährlich zehn Millionen Tonnen Elektroschrott an. Die Recyclingquote liegt bei nur 40 Prozent, obwohl die EU weltweiter Spitzenreiter ist. Auch hier zeigt Fraunhofer die Potenziale. Bei einem wiederaufbereiteten Samsung Galaxy S20 FE können 60 Prozent des „E-Waste“, also des Elektroschrotts, vermieden werden. Studienautor Paul Rudorf: „Das Besondere an diesen Ergebnissen ist, dass wir eine vollumfängliche Betrachtung aller Wirkbereiche – Scope 1, 2 und 3 – durchgeführt haben. Damit wird nicht ein Teilausschnitt herausgenommen, sondern eine Größe berechnet, die den realen Einfluss, den ein Produkt auf unseren Planeten hat, quantifiziert.“
Ewiger Recycling- und Reparaturkreislauf?
Refurbed-CEO Windischhofer hofft, dass die Studie dazu beiträgt, die Mission seines Startups zu erfüllen, nämlich: „Den Konsum von Elektronikprodukten nachhaltiger zu machen. Dennoch dürfen solche Zahlen nicht als Freibrief verstanden werden, um sorglos mehr zu konsumieren.“ Windischhofer und sein Team setzen sich daher europaweit für die Reparierbarkeit von Geräten und einheitliche Standards beim Refurbishment ein: „Ich würde mir politische Rahmenbedingungen wünschen, die ermöglichen, dass wir jedes einzelne Produkt endlos reparieren oder recyceln können.“ Die EU hat auf die Hersteller bereits Druck ausgeübt, so müssen künftig Akkus austauschbar sein. Jüngstes Beispiel ist eine Warnung der EU an Apple, die neue Ladestecker-Technologie der iPhones in ihren Funktionen einzuschränken. Die EU hat eine Richtlinie verabschiedet, dass es ab 28.12.2024 nur noch einheitliche Ladegeräte geben soll.
Vom It-Piece zum Shit-Piece
Die Schlangen vor den Apple Stores werden bereits deutlich kürzer. Die Konsumenten sind nicht mehr bereit, für das neueste Modell viel Geld auszugeben. Waren Handys lange ein Statussymbol, das sich allein schon durch spezielles Design unterschied, so gleichen sie sich heute wie ein Ei dem anderen. Gerade die junge Generation ist weniger statusgetrieben, das neueste Modell zu besitzen ist fast schon „cringe“. Aus einem „It-Piece“ wird in der Jugendsprache ein „Shit-Piece“. Influencer congTECH gibt ihnen recht: „Smartphones können heute vieles, was die User aber nie verwenden oder benötigen. Wer nicht gerade High-End-User ist, kommt mit älteren Geräten problemlos aus.“