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Sanierungsexperten: "Kommt so früh wie möglich"

21.12.2023 um 10:00, Jürgen Philipp
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Die Pleite der Signa Holding rückt einen Berufsstand in den Mittelpunkt, den des Sanierers. Wie hoch stehen die Chancen auf ein positives Ergebnis?

Kein Tag, an dem keine Pleite in Oberösterreich bekannt wird. Die Insolvenz der Signa Holding überstrahlt all diese Pleiten von Mittelständlern und Kleinbetrieben. Der Sanierer Arndt Geiwitz soll nun Licht ins Dunkel bringen, und wird CRO, Chief Restructu­ring Officer, der als Vorstandsmitglied aktiv in die Geschäfte eingreifen kann. An sei­ner Seite: der Linzer Paradesanierer Erhard Grossnigg.Was können sie eigentlich noch „retten“ und wie soll das gehen? Thomas Kurz, Experte für Restrukturierungen und Sanierungen von Unternehmen bei Has­linger / Nagele Rechtsanwälte, kennt dieses Geschäft seit 30 Jahren. Über seine Fälle darf er nichts verraten, denn eine erfolgrei­che Sanierung hat viel mit Geheimhaltung zu tun. „Das, was aktuell im Fall Signa nach außen getragen wird, ist für eine Sanierung kontraproduktiv“, so Kurz, der die Besonderheit seiner Profession so umreißt: „Man muss sich in kürzester Zeit zurecht­ finden und schnell Entscheidungen treffen, um ein Gespür dafür zu bekommen, was geht und was nicht. Oft findet man in der zweiten Führungshierarchie Menschen, die sich wirklich auskennen.“ Der Sanierer zieht dabei Parallelen zur Gesundheit. „Wir haben meist dasselbe Problem wie der Zahnarzt. Die Leute kommen erst dann, wenn es fünf nach zwölf ist. Im Regelfall wird man erst dann zugeschaltet, wenn der Patient schon fast tot ist.“ Seine Message für Unternehmen, die derzeit ums Überle­ben kämpfen, ist daher klar: „Bitte kommt so früh wie möglich.“

Mehrere Phasen der Krise
Eine Unternehmenskrise durchläuft dabei mehrere Phasen. „Die erste Phase beginnt meistens damit, dass zwischen den Stake­holdern, also Geldgebern oder Gesellschaf­tern, grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten bestehen. Die entscheidenden Leute sprechen nicht mehr miteinander. Man hat eine Kommunikationskrise und die führt direkt in die Strategiekrise.“ Bei Signa zeigte sich diese, dass das Geschäfts­modell – Immobilien in Niedrigzinszei­ten zu entwickeln – nicht mehr passte. „Das Geschäftsmodell der Signa war keine Raketenwissenschaft. Ich bekomme in Zeiten des billigen Geldes Kredite um 2 bis 3 Prozent und errichte Immobilien, die dann 4 bis 5 Prozent abwerfen. Das Delta ist mein laufender Gewinn. Das funktioniert mit hohen Zinsen und fal­lenden Immobilienwerten logischerweise nicht mehr.“ Aufgrund der Intransparenz der Gruppe wurde zu spät reagiert. „Für jedes Projekt gibt es eine eigene Gesellschaft. Es fehlt die Gesamtschau. Es fehlt, wie der Fachmann sagt, die Konsolidie­rung.“ Nach der Strategiekrise kommt es zur Erfolgskrise. Man gerät in die Verlust­zone. „Wenn man da nicht rasch reagiert, folgt die nächste Stufe – die Liquiditäts­krise. Ich habe keinen Gewinn mehr, das Fremdkapital reicht nicht mehr aus, und ich habe keinen Financier mehr, der mir die Kreditkosten finanziert. Das sieht man aktuell bei Signa: Da geht es wesentlich um die Finanzierung des laufenden Zinsen­dienstes. Die Titanic fährt in die falsche Richtung. Je größer eine Gruppe ist, desto später erkenne ich, dass der Eisberg schon vor dem Schiff ist. Ist es so weit, folgt die letzte Stufe, die Insolvenz.“

Thomas Kurz

Schuldner in einer ausweglosen Situation klammern sich an Strohhalme. Wie ein Sterbender, der zum Wunderheiler geht und nicht mehr auf traditionelle Medizin setzt.

Thomas Kurz, Sanierungsexperte

Von Pump auf Eigenfinanzierung
Auf dem Weg zur Sanierung kann durch Verkäufe von Teilbereichen bzw. „Filetstü­cken“ des Unternehmens frisches Kapital lukriert werden, um die Adaptierung des Geschäftsmodells durchführen zu können. „Ich ersetze Bankkredite durch Eigenmittel. Stelle von Pump auf Eigenfi­nanzierung um. Nur muss das zu einem Zeitpunkt sein, wo ich für diese ,Blue Chips‘ noch Geld bekomme.“ Hier kommt die anfangs erwähnte Verschwie­genheit ins Spiel. Wird ruchbar, dass diese Filetstücke verkauft werden müssen, wer­den sich potenzielle Käufer zurückhalten, darauf spekulierend, sie schon bald weit­ aus billiger kaufen zu können. Sanierer können dabei helfen, das Geschäftsmo­dell zu ändern. Meist ist dazu – wie rechtlich gefordert – eine Fortbestandsprognose nötig. „Die macht man, wenn Gewitterwol­ken am Horizont sind. Ich kann auf einen betriebswirtschaftlichen Zeitraum von ein bis maximal zwei Jahren eine Primärpro­gnose erstellen. Sprich, ich schaue, ob bis Ende des nächstfolgenden Geschäftsjah­res genügend Geld da ist.“ In der Sekun­därprognose stellen Sanierer Überlegun­gen an, wie sich das Geschäft entwickelt und ob ein Turnaround machbar ist. „Ziel ist die Rückkehr zu einem positiven Jahres­ergebnis.“ Dazu ist die Expertise nicht nur von Juristen, sondern auch von Betriebs­wirten, Marktkennern und auch Finanz­experten gefragt. „Etwa ein Ex­Banker, der weiß, wie sich die Zinssätze entwickeln oder wo man günstiger finanzieren kann. Je früher das passiert, desto mehr sind die Banken gesprächsbereit.“ Als Signa kika/ Leiner verkaufte und die Probleme beim Elbtower öffentlich wurden, waren die Banken bereits in einer Art Schockstarre. „Kredit kommt vom lateinischen Wort credere, also Vertrauen. Wenn das Vertrau­en verspielt ist, gibt es keine Chance mehr auf Rettung. So lange man noch in der Erfolgskrise ist, kann man es schaffen.“

Kredit kommt von „credere“ – Vertrauen
Ist noch Vertrauen gegeben, handelt der Sanierer im Idealfall einen „Standstill“ bei den Banken aus. „Das läuft hinter ver­schlossenen Türen ab. Die Banken ver­langen keine Rückzahlungen, keine Zin­sen und machen Kredite nicht geltend. Man einigt sich auf Nachlässe, eine neue Finanzierung und schließt eine Restruk­turierungsvereinbarung. Der liegt eine Fortbestandsprognose mit einem neu­en Geschäftsmodell zugrunde. Das ist ein aufwendiger Prozess. Bei großen Unternehmensgruppen braucht es dazu Sanierungsteams.“ Idealerweise wird festgelegt, wer welchen Sanierungsbei­trag leistet: Banken, Management und Gesellschafter. „Danach gibt es ein stän­diges Monitoring, ob die Werte auch passen. Ein Soll-­Ist­-Vergleich. Man ist da als Sanierer wie ein Oberlehrer in der Schule.“ Kennzahlen werden gemessen. Zahlen, die Auskunft über Rohertrags­kraft und Finanzkraft geben. Je mehr Banken überzeugt werden müssen, desto komplexer wird die Angelegenheit. Doch dafür gibt ein Werkzeug – die Österrei­chische Restrukturierungsordnung auf Basis der Europäischen Restrukturie­rungsrichtlinie. „Das ist ein interessantes Tool. Man bringt hinter verschlossenen Türen die vernünftigen Köpfe zusam­men, und wenn sich einer weigert, kann dieser gerichtlich gezwungen werden mitzuziehen. Das geht nur mit Gerichts­beschluss und ist kein einfaches Ver­fahren, denn man muss es dem Gericht plausibel machen.“ Ab einem gewissen Zeitpunkt geht außergerichtlich nichts mehr, spätestens wenn die Kredite fällig gestellt werden, ist es fünf nach zwölf. Da kann meist auch der beste Sanierer nicht mehr helfen. Dennoch sieht Tho­mas Kurz in vielen Fällen gute Chancen und er liebt seinen Job: „Es ist hoch­ spannend und wir sind im Gegensatz zu Prozessanwälten heilend unterwegs. Wir können Arbeitsplätze und Unternehmen retten und wir können gestalten.“