Sanierungsexperten: "Kommt so früh wie möglich"
Kein Tag, an dem keine Pleite in Oberösterreich bekannt wird. Die Insolvenz der Signa Holding überstrahlt all diese Pleiten von Mittelständlern und Kleinbetrieben. Der Sanierer Arndt Geiwitz soll nun Licht ins Dunkel bringen, und wird CRO, Chief Restructuring Officer, der als Vorstandsmitglied aktiv in die Geschäfte eingreifen kann. An seiner Seite: der Linzer Paradesanierer Erhard Grossnigg.Was können sie eigentlich noch „retten“ und wie soll das gehen? Thomas Kurz, Experte für Restrukturierungen und Sanierungen von Unternehmen bei Haslinger / Nagele Rechtsanwälte, kennt dieses Geschäft seit 30 Jahren. Über seine Fälle darf er nichts verraten, denn eine erfolgreiche Sanierung hat viel mit Geheimhaltung zu tun. „Das, was aktuell im Fall Signa nach außen getragen wird, ist für eine Sanierung kontraproduktiv“, so Kurz, der die Besonderheit seiner Profession so umreißt: „Man muss sich in kürzester Zeit zurecht finden und schnell Entscheidungen treffen, um ein Gespür dafür zu bekommen, was geht und was nicht. Oft findet man in der zweiten Führungshierarchie Menschen, die sich wirklich auskennen.“ Der Sanierer zieht dabei Parallelen zur Gesundheit. „Wir haben meist dasselbe Problem wie der Zahnarzt. Die Leute kommen erst dann, wenn es fünf nach zwölf ist. Im Regelfall wird man erst dann zugeschaltet, wenn der Patient schon fast tot ist.“ Seine Message für Unternehmen, die derzeit ums Überleben kämpfen, ist daher klar: „Bitte kommt so früh wie möglich.“
Mehrere Phasen der Krise
Eine Unternehmenskrise durchläuft dabei mehrere Phasen. „Die erste Phase beginnt meistens damit, dass zwischen den Stakeholdern, also Geldgebern oder Gesellschaftern, grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten bestehen. Die entscheidenden Leute sprechen nicht mehr miteinander. Man hat eine Kommunikationskrise und die führt direkt in die Strategiekrise.“ Bei Signa zeigte sich diese, dass das Geschäftsmodell – Immobilien in Niedrigzinszeiten zu entwickeln – nicht mehr passte. „Das Geschäftsmodell der Signa war keine Raketenwissenschaft. Ich bekomme in Zeiten des billigen Geldes Kredite um 2 bis 3 Prozent und errichte Immobilien, die dann 4 bis 5 Prozent abwerfen. Das Delta ist mein laufender Gewinn. Das funktioniert mit hohen Zinsen und fallenden Immobilienwerten logischerweise nicht mehr.“ Aufgrund der Intransparenz der Gruppe wurde zu spät reagiert. „Für jedes Projekt gibt es eine eigene Gesellschaft. Es fehlt die Gesamtschau. Es fehlt, wie der Fachmann sagt, die Konsolidierung.“ Nach der Strategiekrise kommt es zur Erfolgskrise. Man gerät in die Verlustzone. „Wenn man da nicht rasch reagiert, folgt die nächste Stufe – die Liquiditätskrise. Ich habe keinen Gewinn mehr, das Fremdkapital reicht nicht mehr aus, und ich habe keinen Financier mehr, der mir die Kreditkosten finanziert. Das sieht man aktuell bei Signa: Da geht es wesentlich um die Finanzierung des laufenden Zinsendienstes. Die Titanic fährt in die falsche Richtung. Je größer eine Gruppe ist, desto später erkenne ich, dass der Eisberg schon vor dem Schiff ist. Ist es so weit, folgt die letzte Stufe, die Insolvenz.“
Von Pump auf Eigenfinanzierung
Auf dem Weg zur Sanierung kann durch Verkäufe von Teilbereichen bzw. „Filetstücken“ des Unternehmens frisches Kapital lukriert werden, um die Adaptierung des Geschäftsmodells durchführen zu können. „Ich ersetze Bankkredite durch Eigenmittel. Stelle von Pump auf Eigenfinanzierung um. Nur muss das zu einem Zeitpunkt sein, wo ich für diese ,Blue Chips‘ noch Geld bekomme.“ Hier kommt die anfangs erwähnte Verschwiegenheit ins Spiel. Wird ruchbar, dass diese Filetstücke verkauft werden müssen, werden sich potenzielle Käufer zurückhalten, darauf spekulierend, sie schon bald weit aus billiger kaufen zu können. Sanierer können dabei helfen, das Geschäftsmodell zu ändern. Meist ist dazu – wie rechtlich gefordert – eine Fortbestandsprognose nötig. „Die macht man, wenn Gewitterwolken am Horizont sind. Ich kann auf einen betriebswirtschaftlichen Zeitraum von ein bis maximal zwei Jahren eine Primärprognose erstellen. Sprich, ich schaue, ob bis Ende des nächstfolgenden Geschäftsjahres genügend Geld da ist.“ In der Sekundärprognose stellen Sanierer Überlegungen an, wie sich das Geschäft entwickelt und ob ein Turnaround machbar ist. „Ziel ist die Rückkehr zu einem positiven Jahresergebnis.“ Dazu ist die Expertise nicht nur von Juristen, sondern auch von Betriebswirten, Marktkennern und auch Finanzexperten gefragt. „Etwa ein ExBanker, der weiß, wie sich die Zinssätze entwickeln oder wo man günstiger finanzieren kann. Je früher das passiert, desto mehr sind die Banken gesprächsbereit.“ Als Signa kika/ Leiner verkaufte und die Probleme beim Elbtower öffentlich wurden, waren die Banken bereits in einer Art Schockstarre. „Kredit kommt vom lateinischen Wort credere, also Vertrauen. Wenn das Vertrauen verspielt ist, gibt es keine Chance mehr auf Rettung. So lange man noch in der Erfolgskrise ist, kann man es schaffen.“
Kredit kommt von „credere“ – Vertrauen
Ist noch Vertrauen gegeben, handelt der Sanierer im Idealfall einen „Standstill“ bei den Banken aus. „Das läuft hinter verschlossenen Türen ab. Die Banken verlangen keine Rückzahlungen, keine Zinsen und machen Kredite nicht geltend. Man einigt sich auf Nachlässe, eine neue Finanzierung und schließt eine Restrukturierungsvereinbarung. Der liegt eine Fortbestandsprognose mit einem neuen Geschäftsmodell zugrunde. Das ist ein aufwendiger Prozess. Bei großen Unternehmensgruppen braucht es dazu Sanierungsteams.“ Idealerweise wird festgelegt, wer welchen Sanierungsbeitrag leistet: Banken, Management und Gesellschafter. „Danach gibt es ein ständiges Monitoring, ob die Werte auch passen. Ein Soll-Ist-Vergleich. Man ist da als Sanierer wie ein Oberlehrer in der Schule.“ Kennzahlen werden gemessen. Zahlen, die Auskunft über Rohertragskraft und Finanzkraft geben. Je mehr Banken überzeugt werden müssen, desto komplexer wird die Angelegenheit. Doch dafür gibt ein Werkzeug – die Österreichische Restrukturierungsordnung auf Basis der Europäischen Restrukturierungsrichtlinie. „Das ist ein interessantes Tool. Man bringt hinter verschlossenen Türen die vernünftigen Köpfe zusammen, und wenn sich einer weigert, kann dieser gerichtlich gezwungen werden mitzuziehen. Das geht nur mit Gerichtsbeschluss und ist kein einfaches Verfahren, denn man muss es dem Gericht plausibel machen.“ Ab einem gewissen Zeitpunkt geht außergerichtlich nichts mehr, spätestens wenn die Kredite fällig gestellt werden, ist es fünf nach zwölf. Da kann meist auch der beste Sanierer nicht mehr helfen. Dennoch sieht Thomas Kurz in vielen Fällen gute Chancen und er liebt seinen Job: „Es ist hoch spannend und wir sind im Gegensatz zu Prozessanwälten heilend unterwegs. Wir können Arbeitsplätze und Unternehmen retten und wir können gestalten.“