Niki Glattauer: Schule ist nicht das ganze Leben
CHEFINFO: Ist das „Corona-Jahr“ ein verlorenes Jahr?
Niki Glattauer: Im Gegenteil, es ist ein gewonnenes Jahr. Die Kinder haben mehr gelernt für das spätere Leben als in einem normalen Schuljahr. Nämlich sie haben genauso Unterricht gehabt, sie sind genauso gebildet worden, aber sie haben darüber hinaus noch viel mehr dazulernen müssen. Die Digitalisierung zu übernehmen und teilweise auch als Versuchskaninchen zu dienen. Die (die Regierung, Anm. d. Red.) haben ja am lebenden Objekt sozusagen experimentiert bei der Digitalisierung. Jetzt funktioniert das einigermaßen. Dann haben sie gelernt Selbstorganisation, Selbstdisziplin. Und sie haben zusätzlich noch gelernt Solidarität, ein Opfer zu bringen dafür, dass eine Krise bewältigt werden kann. Das sind alles Assets. Und die Lehrer haben auch viel dazu gelernt.
CHEFINFO: Wie ist es Ihnen mit Ihrer Rolle als Direktor gegangen?
Glattauer: Es war unerträglich. Es ist unerträglich, weil Schulleiter keine Schulen leiten, sondern sie machen Administration als verdeckte Sekretärinnen der Bildungsdirektionen. Und das ist nicht das, warum jemand Lehrer und später einmal Direktor wird. Da wäre ich Sekretärin geworden, wenn ich so was gewollt hätte. Aber ich will ja als Direktor pädagogisch leiten. Ich will ja Akzente setzen. Ich möchte ja kreativ sein können. Und in Österreich ist man mit der Bildungsreform den falschen Weg gegangen, nämlich man hat die pädagogische Leitung den Direktorinnen und Direktoren weggenommen, entzogen, und dafür den sogenannten Schulqualitätsmanager (SQM) installiert, während man die administrative Arbeit, die vorher bei der Schulbehörde war, in die Direktionen verlagert hat. Also eine komplette Fehlentscheidung nach der letzten Bildungsreform, die eigentlich eine Organisationsreform war. Der sogenannte SQM sitzt jetzt dort, wo der Bezirksschulinspektor war, den gibt es ja nicht mehr, und der ist schulartenübergreifend für die Schulentwicklung zuständig. Das heißt, der hat plötzlich 20, 30, 40, 50 Schulen und soll die in der Entwicklung pädagogisch leiten. Das kann einer allein gar nicht. Man müsste das in Wahrheit rückgängig machen.
CHEFINFO: Wird Schule in Österreich wichtig genug genommen?
Glattauer: In Wirklichkeit wird die Schule zu ernst genommen. Gerade Leute, die auch etwas anderes gemacht haben, sehen, dass Schule nicht das ganze Leben ist. Das sehen ja viele Lehrer gar nicht, oder Leute, die in der Schulhierarchie nach oben kommen und immer nur Schüler waren, dann Lehrer waren, dann in die Schulbehörde gegangen sind, die glauben ja wirklich, was in der Schule passiert, ist das Leben oder macht dann das Leben aus. Aber das ist nicht so.