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Fachkräfte Industrie
Arbeitskräfte werden derzeit intensiv gesucht.
Arbeitskräfte werden derzeit intensiv gesucht.
VM / E+ / GETTY IMAGES

Neue AMS-Landesgeschäftsführerin Iris Schmidt

09.06.2023 um 08:22, Klaus Schobesberger
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Selten zuvor war der Job an der Spitze des AMS Oberösterreich wichtiger. Arbeitsmarkt-Expertin Iris Schmidt scheut die Herausforderung nicht.

Verrückte Märkte mit starken Ausschlägen nach oben und nach unten – solche Szenarien kannten Vorstände, Ökonomen oder Politiker bisher nur aus der Welt der Börsen. Spätestens seit der Pandemie ist klar: Der Arbeitsmarkt zählt auch dazu. Nicht nur der Chart über die Zahl der Kurzarbeitenden in Oberösterreich gleicht der Aktien-Fieberkurve eines Technologie-Startups, lohnend ist auch der Blick auf längerfristige Entwicklungen. Während die Arbeitslosenquote trotz Weltkrisen auf einem Tiefststand verharrt, bewegt sich die Zahl der unselbstständig Beschäftigten im Industrieland auf die Rekordmarke von 700.000 zu. Noch nie gab es mehr offene Stellen als im Jahr 2022. Dass Unternehmer mit dem sonst so vertrauten Gesetz von Angebot und Nachfrage auch am Arbeitsmarkt konfrontiert sind, ist für viele eine neue Erfahrung. „Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist beispiellos. Aus dem Arbeitgebermarkt wurde ein Arbeitnehmermarkt. Unternehmen müssen heute individuell auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer reagieren können“, analysiert Iris Schmidt die Lage. Die Arbeitsmarktexpertin ist seit fast zwei Jahrzehnten beim AMS Oberösterreich tätig, seit 2017 als stellvertretende Leiterin. Anfang Mai hat sie Gerhard Straßer an der Spitze der Landesorganisation abgelöst.

Landesgeschäftsführerin AMS Oberösterreich Iris Schmidt
Seit Mai ist Iris Schmidt Landesgeschäftsführerin AMS Oberösterreich.

Fördern, schulen und vermitteln

Das AMS ist der zentrale Player am Arbeitsmarkt. Nicht nur bei der Vermittlung von Arbeitskräften, sondern auch im Schulungsbereich. 153 Millionen Euro stehen dafür im Förderbudget heuer in Oberösterreich zur Verfügung, aufgrund der geringen Arbeitslosenzahlen um 35 Millionen Euro weniger als 2022. Darüber hinaus laufen Arbeitslosenversicherung, Notstandshilfe oder Altersteilzeit über das AMS. Die Bandbreite der Aufgaben variiert je nach Regierung und Ministeriumszugehörigkeit. Aktuell fällt die Landesorganisation mit 15 regionalen Geschäftsstellen und 940 Mitarbeitern in den Verantwortungsbereich von „Superminister“ Martin Kocher, der die Ressorts Arbeit und Wirtschaft vereint. Die Zwitterexistenz als Dienstleistungsunternehmen und Quasi-Behörde bestimmt Funktion und Arbeitsweise des AMS, macht die Aufgabe aber auch herausfordernd und spannend, sagt Schmidt. Das AMS habe immer danach getrachtet, effizient und effektiv auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zu reagieren. Der Arbeitskräftemangel braucht laut Schmidt eine ganzheitliche Betrachtung. Sich auf das AMS-Kerngeschäft der Vermittlung zurückzuziehen in der Hoffnung, dass sich Arbeitssuchende und Firmen von allein finden, funktioniert schon lange nicht mehr. Im Arbeitsprogramm 2023 setzt man angesichts des hohen Personalbedarfs folgerichtig auf individuelle Beratungsstrategien. Dabei wird gemeinsam mit den Firmen ein Gesamtpaket an Maßnahmen mit Workshops und Qualifizierungsprojekten geschnürt, um die Recruiting-Chancen zu verbessern. „Wir dürfen keinen Menschen am Arbeitsmarkt verlieren, das können wir uns nicht leisten“, sagt Schmidt. 

Wir dürfen keinen Menschen am Arbeitsmarkt verlieren, das können wir uns nicht leisten.

Iris Schmidt

Das Arbeitsleben ist kein Ponyhof

Vor der rechtlichen Gesamtverantwortung über Personal und Budget ab Mai habe sie durchaus Respekt. Dass Frauen in Top-Positionen aufsteigen, sei keine Selbstverständlichkeit. Als Frau kann man nicht einfach so ein zweites Mal durchstarten, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Man muss am Ball bleiben, man muss die Chancen ergreifen, wenn sie sich bieten, man muss durch die Tür gehen, wenn sie sich öffnet. Das braucht ein Quäntchen Glück, aber auch Ehrgeiz, Ziele, Visionen und Strategie, sagt Schmidt. „Das Arbeitsleben ist kein Ponyhof. Es kommen Rückschläge, Misserfolge und die Frage: Wie gehe ich mit Scheitern um? Diese Erfahrungen sind wichtig und lassen einen reifen.“ Auf die Frage, was sich in ihrer Zeit beim AMS wesentlich verändert hat, nennt Schmidt die flacheren Hierarchien, die schnellere interne Kommunikation und Fördermöglichkeiten, die breiter, und Werkzeuge dafür, die besser geworden sind. Auch der Digitalisierungsschub der letzten Jahre war enorm. Rund 300.000 Menschen in Österreich haben die AMS-Job-App auf ihrem Smartphone installiert. Als eine ihrer Kernaufgaben sieht Schmidt, Arbeitsmarktanalyse und die strategischen Ableitungen zu benennen. „Entscheidungen muss die Politik treffen, was wir machen, ist, Möglichkeiten aufzuzeigen.“

Ein Land geht in Rente

Die aktuellen Diskussionen darüber, Menschen länger in Beschäftigung zu halten, sind für die Topmanagerin nichts Neues. „Die Demografie ist kein Überraschungspaket. Wir haben schon vor zehn Jahren gewusst, wie viele Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten werden und wie viele in Pension gehen.“ In den nächsten zehn Jahren geht mit der geburtenstarken Babyboomer-Generation ein ganzes Land in Rente. Dass dies den Arbeitskräftebedarf weiter verschärft, ist keine Rechenaufgabe für Raketenwissenschaftler. Ohne Migration geht es nicht. Aber damit allein, Menschen ins Land zu holen, ist es heute nicht getan. Schmidt: „Dabei geht es um Fragen:  Wie mache ich mein Land international attraktiv? Wie passt meine Integration dazu? Mein Sozialsystem, mein Schulsystem? Wie viele englischsprachige Schulen haben wir? Wie schaffe ich Wohnraum? Wie gut ist meine Infrastruktur? Wenn Arbeitskräfte aus Millionenstädten ins Innviertel arbeiten kommen, muss ich mir etwas überlegen.“

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