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Musikfachhandel unter Druck
Musikfachhandel unter Druck
Musikfachhandel unter Druck
ipopba / Ksenia Omelchenko / iStock / Getty Images Plus

Musikfachhandel: Kampf gegen Online-Konkurrenz

24.05.2023 um 17:07, Jürgen Philipp
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Der Fachhandel steht unter Druck, besonders die Musikhäuser. Mit welchen Rezepten sie sich gegen die Discounter erfolgreich zur Wehr setzen.

Vor rund 25 Jahren fiel der „Falke“ vom Himmel. Österreichs größter Popstar Falco starb in der Dominikanischen Republik. Seitdem gelang es keinem heimischen Künstler mehr, in den USA zur Nummer eins der US-Charts zu werden. Dabei ist Österreich ein Land, in dem viel musiziert wird. Bei der Dichte an Musikschulen ist man weltweit im Spitzenfeld. Und doch blieb von Falcos Höhenflug bis heute nichts im Musikinstrumentenhandel so, wie es war. Eine Antwort auf diesen Wandel finden wir im oberfränkischen Treppendorf. Ein Ort, in dem es rund viermal so viele Kühe gibt als die 204 Einwohner. Und doch ist Treppendorf für viele Musizierende rund um den Globus der Nabel der Welt. Es ist der Sitz des Musikhauses Thomann, dem größten Online-Versandhändler für Musikinstrumente weltweit. Mittlerweile sind die Franken beinahe ein Monopolist, der selbst Amazon und Co ärmlich aussehen lässt.

Vom Wandermusiker zum Monopolisten

Gründer Hans Thomann Senior hing 1954 seine Trompete an den Nagel, mit der er vorher als Wandermusiker unterwegs war, und begann, selbst Instrumente zu verkaufen. Ohne Nebenerwerbslandwirtschaft wäre anfangs ein Überleben nicht möglich gewesen, doch im Laufe der Zeit wurde der Stadel zum Showroom für Lichtanlagen umfunktioniert, das Kinderzimmer von Hans Junior zum Notenlager. 1992, zwei Jahre bevor Amazon gegründet wurde, hatten die Thomanns ihren ersten großen Durchbruch. Auf Basis von ausgeschnittenen Bildern und handgeschriebenen Zetteln produzierten sie die ersten Kataloge mit „Hot Deals“. 1996 hatte man als erster Musikhändler in Deutschland eine Website, kurz darauf einen Webshop. Anfangs, so beschreibt es die Firmengeschichte, wurden Mails noch ausgedruckt. Heute unmöglich: Rund 420.000 Mails aus aller Welt trudeln mittlerweile pro Tag in Treppendorf ein. 

Karl und Angelika Danner
Karl und Angelika Danner führen das ­gleichnamige Musikhaus in Linz. Mit Fachwissen und eigener Werkstatt schlagen sie die Online-Konkurrenz.

Stationärer Handel in 15 Jahren halbiert

Markt um Markt wurde erobert, was im Jahr 2000 sogar zu einem Aufstand der britischen Musikhändler führte. Sie drohten den Zeitschriften, welche die „Hot Deals“ von Thomann beilegten. Mit Erfolg, bis 2006 hielten sich die Fachverlage an diese Drohung. Danach ging es Schlag(zeug) auf Schlag(werk). Das größte Lager für PA-Anlagen, das größte Musikservicecenter der Welt, ein vierstöckiges Verwaltungsgebäude und viele Bauten mehr wurden errichtet, um dem rasanten Wachstum folgen zu können. Das hochmoderne Warenlager wurde übrigens von der Welser TGW gebaut. Das wirkte sich auf die Branche massiv aus. In Deutschland hat sie sich in den letzten 15 Jahren halbiert. Eingesessene Familienbetriebe mit jahrzehntelanger Tradition mussten zusperren. Doch wo sich Türen schließen, tun sich andere auf, etwa bei der Digitalisierung. Oberösterreich ist Sitz zweier globaler Player bei Musikinstrumenten-Apps: fretello und Oktav. 

"Unser Know-how ist mittlerweile weltweit gefragt"

Auf der anderen Seite ist Karl Danner. Er und seine Frau Angelika betreiben seit 1989 ihr Musikgeschäft in Linz. Was sind ihre Rezepte, um dem Online-Druck und Discountern standzuhalten, und was kann nur der Fachhandel? "Wir haben versucht die Tradition hochzuhalten und haben etwa die Mitarbeiter der Notenabteilung von Pirngruber übernommen. Für den Notenverkauf braucht es sehr spezielles Wissen und Erfahrung. Dieses Wissen wäre sonst verloren gewesen";, sagt Karl Danner. Das Musikhaus Pirngruber gab es rund 200 Jahre, 2017 wurde das Unternehmen aufgelassen. Danner hält sich mit Know-how und Einsatz über Wasser. Die Linzer sind auf Instrumentenmessen in Schanghai oder Anaheim, in der Nähe von Los Angeles, präsent und betreibt auch eine eigene Fachwerkstätte. "Unsere Kunden, die bei uns kaufen, lassen ihre Instrumente auch bei uns servicieren und reparieren. Das ist Handwerk auf höchstem Niveau. Unser Know-how ist mittlerweile weltweit gefragt." Im Trend sei auch wieder Nachhaltigkeit. "Unsere Kunden kaufen hochwertiges Equipment, weil sie es länger haben wollen, vielleicht sogar lebenslang und darüber hinaus. Als ich 14 war, hatten wir eine Band. Wir haben uns eine gebrauchte Les Paul Recording um 16.900 Schilling gekauft. Wenn das meine Kinder getan hätten, hätte ich sie für verrückt erklärt. Wir haben aber zu sechst zusammengezahlt." Dem fast übermächtigen Onlinehandel will Danner als musikalischer Nahversorger dagegenhalten. "Wir stehen für unsere Kunden immer Gewehr bei Fuß, egal ob für das Brucknerorchester oder für eine Band, etwa wenn kurz vor einem Auftritt etwas kaputtgeht. Das kann das Internet nicht."

Karl Danner
Karl Danner und sein Team sind mit ihrem Werkstatt-Know-how auf internationalen Messen unterwegs.

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