Kreative KI beim Marketingforum
Marketing ist im landläufigen Sinn noch immer mit Tausendschaften von Kreativen, die sich ihren analogen Kopf zerbrechen, konnotiert. Ist dieses Bild noch aktuell?
Michael Katzlberger: Dieses Bild ist in den meisten Köpfen verankert, sowohl auf Agentur- als auch auf Kundenseite. Dem klassischen Kreativen wird dieses Regelwerk in der Ausbildung indoktriniert. Es mögen sich zwar die Kanäle für die Ausspielung von Kommunikationsformen geändert haben, nicht aber die Herangehensweise. Mit meiner neuen Agentur hinterfrage ich diese Struktur und möchte einen futuristischen Weg einschlagen. Ich glaube nämlich, dass eine KI ziemlich gute Ideen haben kann und versuche, das unter Beweis zu stellen. Ich bin davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit von gut ausgebildeten Kreativen und KI-Technologien die Grenzen der Kreativität zum Positiven hin verschiebt. Und dass diese Co-Kreativität völlig neue Welten erschaffen kann.
Wie werden sich die Berufsbilder durch kreative KI verändern?
Katzlberger: Maschinen und Menschen werden auch in kreativen Berufen zunehmend zu Kollaborateuren, die KI wird dabei aber mehr als ein Werkzeug sein. KI wird die Menschen nicht verdrängen, sie wird ihnen als Helfer gute Dienste leisten. Ein Texter kann beispielsweise von KI-Sprachmodellen profitieren, die mit Abertausenden Texten aus Zeitungen, Magazinen, Büchern und Website-Foren trainiert wurden. Ein Fotograf kann die umfangreichen KI-Bearbeitungs-Services nutzen, um rechtefreie Hintergründe für Shootings zu erstellen und die Bildqualität seiner Aufnahmen mittels KI-Skalierung zu verbessern. Ein Kampagnen-Manager kann sich mit KI-Tools in Echtzeit einen Überblick über eine Vielzahl an laufenden Kampagnen verschaffen und das normalerweise zeitraubende Reporting automatisieren.
Wie könnte die klassische Marketingbranche in den nächsten Jahren daher aussehen?
Katzlberger: Traditionelle Taktiken werden nicht völlig verschwinden. Aber sie werden durch nuanciertere kreative Ansätze ergänzt werden. Meiner Meinung nach wird die größte Herausforderung darin bestehen, wie viel von den kognitiven Technologien wie maschinellem Lernen und KI angenommen und integriert wird. In den vergangenen Jahren ist den meisten Vertretern der Marketingbranche klar geworden, dass soziale Medien der Heilige Gral unter den Instrumenten sind, die die Online-Wahrnehmung von Unternehmen und die Entscheidungsfindung der Kunden beeinflussen können. Social Media ist ein offener und intimer Dialog, der sich mit herkömmlichen Methoden einfach nicht aufbauen und verwalten lässt. Die zweite Schlüsseltechnologie, die Unternehmen übernehmen müssen, ist die intelligente Marketingplattform. Sie können künstliche Intelligenz nutzen, um ihre Kunden auf eine viel differenziertere Weise zu verstehen.
Wie können kleine Unternehmen KI in ihren Marketingprozessen nutzen?
Katzlberger: Jeder, wirklich jeder kann KI nutzen! Auch nicht programmieraffine Einzelunternehmer können auf diese fantastische Technologie in Form von bezahlbaren Software-Tools zugreifen. Sei es für den Vertrieb, z. B. durch den Einsatz von Video-Avataren, für Social-Media-Werbeanzeigen, die sich zielgruppengerecht aussteuern lassen oder die Bildbearbeitung, die mit ausgefeilten KI-Apps wirklich kinderleicht und intuitiv vonstattengeht.
Könnte der Einsatz von KI im Marketing nicht zu einer gewissen Einförmigkeit führen, sprich die Kampagnen, die erfolgreich sind, einfach immer und immer wieder einzusetzen?
Katzlberger: Eine sehr gute Frage. Ich glaube eher, dass diese Einförmigkeit derzeit in der klassischen, von Menschen gemachten Kampagnenwelt spürbar ist. Eine KI kann – völlig losgelöst von biologischen Fesseln – neue Dinge erfinden, an die wir Menschen vielleicht gar nicht gedacht hätten. Sie wird die Grenzen der menschlichen Kreativität erweitern.
Marketingforum am Donnerstag, 13. Oktober 2022, 9.30 Uhr, Design Center Linz
Ghost in the Machine. Wozu noch Menschen im Marketing?
Wie sieht die Zukunft des Menschen aus? Werden künftig künstliche Intelligenzen Entscheidungen treffen und Maschinen sie umsetzen? Wie können sich Unternehmen auf neue Technologien einstellen, und wie sehr müssen sie dazu ihr bisheriges Denken ändern? Welche Fragen müssen gestellt werden, um sich für die Zukunft zu rüsten? Beim „Marketing Forum Linz“ beleuchten hochkarätige Referenten dieses aktuelle Thema aus ihrer Sicht.
Hochkarätige Referenten:
• Nick Sohnemann, Gründer der Innovationsagentur FUTURE CANDY GmbH
• Alexis Johann, Managing Partner bei FehrAdvice, einem Beratungsunternehmen für Behavioral Design
• Florian Kaps, Retter der letzten Fabrik für Polaroid-Filme und Bewahrer analoger Technologien
• Karin Gabriel und Thomas Viehböck, beide von der „Future Thinking School by Ars Electronica“
• Michael Katzlberger,Gründer der digitalen Kreativagentur TUNNEL23
Nähere Infos und Anmeldung: www.mfl2022.at