Hey du, Chef: Ist Duzen besser für Firmenkultur?
Begrüße ich einen Geschäftspartner, Kunden oder Bewerber mit Handschlag oder lieber nicht? Diese Frage lässt seit Corona zu Beginn viele Treffen gleich mal Stocken. Man weiß nicht, wie man aufeinander zugehen soll – ein unkompliziertes In-Kontakt-Treten ist seitdem dahin. Ist diese Frage dann geklärt, stellt sich gleich die nächste: Spreche ich mein Gegenüber per Du an oder per Sie an? Früher war das selbstverständlich: Der Anstand gab das Sie vor, erst nach oft jahrelangem Kennenlernen bot der Ältere das Du an. Wenn überhaupt, denn damit begab man sich ganz automatisch auf eine freundschaftliche, intimere Ebene, die lange Zeit in Geschäftsbeziehungen und im Berufsleben ganz generell nichts verloren hatte. Das Sie wurde als gesunde Distanz mit Respekt, Anstand und Autorität verbunden. Doch das ist längst nicht mehr so. Die Umgangsformen sind mächtig im Wandel. Eine Studie von Stepstone ergab bereits 2017, dass nur noch drei Prozent der Unternehmen ausnahmslos das Sie verwenden.
Modernes Image
„Nicht selten wird das Sie mit hierarchischer Unternehmenskultur der 50er- und 60er-Jahre verbunden. Diese impliziert, dass man sich als oben und unten definiert, Abstand hält, nicht hinterfragt und keine andere Meinung einbringt“, sagt Nicole Prieller, New World New Skills Leader bei PwC Österreich. Und davon wollen sich viele, vor allem jüngere Unternehmer verabschieden: Man will flache Hierarchien etablieren – und ein moderneres Image: Wir sind alle eins und gleich per Du. Vor allem in der Startup-Szene würde wohl niemand auf die Idee kommen, zu siezen. „Zudem spiegelt das Du auch die Internationalisierung der Unternehmen wider. Wir wachsen weltweit zusammen.“ Und im Englischen gibt es sowieso keinen Unterschied in der Anrede.
Firmen sind schlecht beraten, wenn sie sich allein mit dem Einführen des Dus ein modernes Image geben wollen, ohne tatsächlich modern zu sein.
Psychologische Barriere
In manchen Unternehmen wird das Du zwischen allen Mitarbeitern vom Lehrling bis zum Geschäftsführer vorgegeben. In anderen überlässt man es den Mitarbeitern. Doch das ist für die Atmosphäre in und zwischen den Teams offenbar problematisch. „Es entstehen in and out Groups von Personen, denen das Du angeboten wird, und jenen, mit denen man weiterhin per Sie bleibt“, sagt Prieller. Verbessert also ein obligates Du die Firmenkultur? „Mit dem Sie fällt eine wichtige psychologische Barriere, man wächst formal zusammen – sie ist der Grundstein für eine offene Gesprächsbasis. Wir sprechen hier von Durchlässigkeit von Wissen, Informationen und informellen Aspekten.“ Umgangsformen und Höflichkeit seien mit dem Wechsel zum Du nicht abgeschafft, sondern noch wichtiger.
Obligates Du
Bei der Greiner AG wird intern obligat das Du-Wort gepflegt. „Das resultiert einerseits aus unserer Unternehmenskultur, die von sehr familiären Strukturen, Offenheit und Augenhöhe unter allen Mitarbeitern geprägt ist“, sagt CEO Axel Kühner. Es sei aber auch dem Umstand gedankt, dass das Du den täglichen Arbeitsprozess erleichtere, dadurch eine barrierefreie, unkomplizierte Kommunikation möglich sei. „Das Du-Wort ändert nichts an dem sehr professionellen Umgang. Wir sind der Meinung, dass der familiäre Umgang einen sehr positiven Einfluss darauf hat, dass auch Kritik äußerst positiv und respektvoll geäußert wird.“ In der Kommunikation nach draußen wahre man jedoch im Sinne der Compliance-Regeln eine distanzierte Haltung mit dem Sie.
Offensive Duz-Kultur
Ganz im Gegenteil bei Biogena: Hier vertritt man eine offensive Duz-Kultur, die man auch in der E-Mail-Signatur bewusst forciert. „#gernperdu – Mit einem Du ist man schneller beim Wir. Denn ein Du verbindet. Ich freue mich daher auf ein Du in der persönlichen Anrede. Ich bin Albert und #gernperdu“, steht da etwa bei CEO Albert Schmidbauer. „Wir fühlen uns einfach wohler mit einem Du auf Augenhöhe – die allermeisten Geschäftspartner finden das auch sehr gut.“ Wenn nicht, werde natürlich umgehend zum Sie geswitcht. Für Schmidbauer steht fest: Wenn jeder mit jedem im Unternehmen per Du sei, verbessere das die Firmenkultur, weil es keine unnötigen Unklarheiten oder Ableitungen zur Beziehungsqualität, Vertrautheit und gerade im Verhältnis zur Führungskraft gebe. „Wir bauen auch sonst keine Hürden auf: Niemand hat bei uns ein Einzelbüro. Auch ich sitze mitten im Open-Space-Büro – damit signalisiert man Offenheit – und die Bilanzen liegen unversperrt auf meinem Tisch, volle Transparenz.“
Auf Du und Du mit dem Kunden
Ikea sorgte vor vielen Jahren für einige Irritierungen bei Kunden, weil diese in Werbeslogans auf Plakaten per Du angesprochen wurden – mittlerweile ist das Usus, sogar bei Banken, wie bei der Sparkasse Oberösterreich. „Mit unseren Kunden sind wir in bestimmten Kampagnenaussagen bereits per Du, zum Beispiel bei #glaubandich“, sagt Bernhard Wöss, Bereichsleiter Human Ressources. Auch auf der Homepage regiert das Du. Doch im direkten Kundenkontakt sei die Ausgangsbasis immer erst die Anrede per Sie. Übrigens auch intern. Man will das Du nicht vorgeben. „In der längerfristigen Zusammenarbeit ist es den Mitarbeitern überlassen. Kommunikation beruht darauf, Vereinbarungen zu treffen und sich auszutauschen. Daher sehen wir eine generelle Vorgabe des Dus als versäumte Chance, gemeinsame Beziehungs- und Kommunikationsarbeit zu leisten.“ Der Austausch darüber, ob die Kollegen sich im Laufe der Arbeitsbeziehung mit Du oder Sie ansprechen, sei mehr Firmenkultur als die zentrale Vorgabe.
Anstand durch Abstand?
Wird Feedback, egal ob Lob oder Kritik, per Du schneller und direkter kommuniziert oder besteht die Gefahr, dass der Respektlosigkeit Tür und Tor geöffnet wird? „Man kann per Du oder per Sie verletzend oder eben auch in beiden Umgangsformen höflich und aufmerksam sein. Wichtiger als das Du oder Sie ist der Inhalt und wie er transportiert wird“, so Nicole Prieller. Du, Chef, bist einfach a Depp! n