"Der Druck aus China bereitet Schmerzen"
Rob van Gils, Jahrgang 1978, leitet seit mehr als einem Jahrzehnt Hammerer Aluminium (HAI) in Ranshofen und formte das Unternehmen zu einem schnell wachsenden sowie gewinnbringenden „Feinkostladen“ mit hochwertigen Produkten. Ursprünglich war HAI ein Teil der AMAG in Ranshofen, der 2007 verkauft wurde. Van Gils ist gebürtiger Niederländer, sein Vater war Manager beim Aluminiumgiganten Alcoa. Rob van Gils hält ein Viertel am Unternehmen, das 990 Millionen Euro umsetzt und rund 2.100 Mitarbeiter europaweit beschäftigt. Er sitzt auch in einigen Gremien und wurde im Vorjahr zum stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees des europäischen Industrieverbandes European Aluminium gewählt.
Sie haben unlängst kritisiert, dass die österreichische Regierung mit Bürokratie und hohen Nebenkosten der Industrie das Leben schwer macht und dann günstige Autos aus China kauft. Aber war das mit der Importflut an billigen Autos aus Japan und Korea nach Europa vor 40 Jahren nicht ähnlich?
Ich bin zu jung, um eine Erinnerung daran zu haben. Es ist zu vermuten, dass auch Japan und Korea ihre Industrie damals massiv unterstützt haben, aber das sind immerhin demokratisch gewählte Regierungen. Der Einparteienstaat China geht hier mit einer anderen strategischen Brutalität vor. Chinas Industrien werden bei Finanzierung, Energie und Export massiv mit versteckten Förderungen unterstützt, um dem einen großen strategischen Ziel näher zu kommen: die Weltmacht Nummer eins zu werden. Damals war es ein Wettbewerb auf Augenhöhe und es gab auch keinen Green Deal, dessen Regeln die EU-Handelspolitik bestimmen und die Welt zu einem besseren Ort machen sollen. Beispiele dafür sind die Klimagrenzabgabe CBAM oder das EU-Lieferkettengesetz, wie es aktuell vorliegt. Die Standards dafür befolgt China meist nur am Papier. So wird beispielsweise chinesisches Aluminium zu 90 Prozent mit Kohlestrom produziert. Während also die europäische Industrie mit steigenden Auflagen und Kosten zu kämpfen hat und in die Pflicht für ihre Vorprodukte aus Drittstaaten genommen wird, warten andere Weltregionen in Ruhe ab und schauen zu, was in Europa passiert. Auf der Strecke bleiben unsere Exportwirtschaft und Automobilindustrie. Wenn dann österreichische Behörden in diesem Kampf mit ungleichen Waffen auch noch chinesische Autos kaufen, führt sich die wertebasierte Handelspolitik aus Brüssel ad absurdum.
Aluminium ist als Werkstoff für die Elektromobilität heiß begehrt. Könnten Unternehmen wie das Ihre nicht vom chinesischen EV-Boom profitieren?
Auch hier wird strategisch vorgegangen. Chinesische Hersteller versorgen sich fast ausschließlich in China. Während 1995 noch unter 10 Prozent des weltweiten Aluminiums in China produziert wurden, sind es heute schon über 60 Prozent. Alles mit massiven Förderungen umgesetzt. Das hat auch ein OECD-Report bestätigt, weshalb es auch seit einigen Jahren Strafzölle auf Aluminiumhalbzeuge aus China gibt. Aber es geht auch um die Rohstoffdominanz, etwa bei Magnesium, das ein wichtiger Zusatz bei Aluminium ist und zu über 90 Prozent aus China kommt. Die Preise haben sich vor zwei Jahren in kurzer Zeit verfünffacht. Der Druck aus China bereitet Schmerzen. Der Critical Raw Materials Act (CRMA) der EU, mehr Rohstoffe für Europa auch in Europa zu produzieren, ist ein erster wichtiger Schritt. Aber das Tempo muss angezogen werden.
Können Handelsbeschränkungen und Strafzölle die Lösung sein?
Ich bin kein Freund davon, das können Sie mir glauben. Allein schon aufgrund meiner Nationalität als Niederländer bin ich ein überzeugter Vertreter des Freihandels. Aber nur dann, wenn nach gleichen Regeln gespielt wird. Und China tut das nicht. Hinzu kommt, dass die USA zunehmend protektionistisch agieren und mit dem Inflation Reduction Act ein gewaltiges Subventionsprogramm aufgelegt haben – und das mit deutlich weniger Bürokratie als in der EU. Die Türkei setzt uns aufgrund der extrem abgewerteten türkischen Lira in Verbindung mit günstigem russischem Primäraluminium zu und nimmt uns beispielsweise Marktanteile im einfachen Bauanwendungsbereich weg. Für Unternehmen, die international tätig sind, werden die Nachteile an allen Fronten sehr klar spürbar. Das wird am Ende dazu führen, dass in Europa weniger investiert wird und die Investitionen dahin gehen, wo sie sich rechnen und früher planbar und umsetzbar werden. Sanktionen und Schutzmechanismen sind immer Übergangslösungen. Am Ende muss der Markt das regeln.
Hohe Energiepreise sind ein riesiges Thema. Was muss getan werden?
Die Frage ist, wie wir mit der Energiewende umgehen? Ich plädiere dafür, das ganze Energiethema europäisch anzugehen. Wir müssen wieder Herr unserer eigenen Energieversorgung werden. Die EU sollte daher ein ernstzunehmendes Transitionskonzept auf die Beine stellen. Das bedeutet auch, dass wir Erdgas als Brückentechnologie brauchen werden. Auch energieintensiven Betrieben muss geholfen werden, sonst werden wir sie verlieren. Von einer grünen Wasserstoffversorgung sind wir Lichtjahre entfernt. Ich glaube, dass wir als Aluminiumindustrie das Thema schneller lösen werden als die Politik. Es braucht stabile Stromversorgung. Es wird in Zukunft nicht ohne Atomkraft gehen.
Wie viel ist beim Thema Produktivitätssteigerungen noch zu holen?
Die „low-hanging Fruits“ haben wir schon abgefrühstückt. Vor zehn Jahren hatten wir in Ranshofen einen Roboter stehen, heute sind es 60. Nur so konnten wir die stark steigenden Kosten ausgleichen. Wir haben einige Werke in Deutschland, aber Österreich ist der teuerste Produktionsstandort. Wenig Investition und großer Nutzen – das ist vorbei. Die gegenwärtigen Herausforderungen lösen wir auch durch Automatisierung nicht mehr. Wir haben glücklicherweise früh begonnen, gewisse Bereiche aus Österreich Richtung Rumänien zu verlagern. Damit haben wir auch Standorte, wo wir standardnahe Produkte weiter bedienen können.
Welche Strategie verfolgen Sie in Österreich?
In Österreich haben wir uns klar spezialisiert auf hochwertige und komplexe Produkte mit sehr hohen Anforderungen. Wir stecken viel Geld in F&E und forschen gemeinsam mit namhaften OEMs an Lösungen und Legierungen der Zukunft. In diesem Bereich gibt es in Europa nur fünf oder sechs Anbieter. Unsere nachhaltigen Produkte machen mich auch sehr zuversichtlich für die Zukunft. Wir haben Lieferketten aufgebaut, die eine Versorgung fast zu 100 Prozent aus Europa sicherstellen – das alles lässt uns ruhig schlafen. Den geringen Anteil an Primäraluminium beziehen wir aus Island und Norwegen, das mit grünem Strom aus Wasserkraft und Geothermie erzeugt wird. Der Rest wird mit Schrott aus ganz Europa eingesammelt und aufbereitet. Über die ganze Produktlinie produzieren wir heute schon mit Nachhaltigkeitskriterien, wo sich viele Mitbewerber erst hinarbeiten müssen.