Claudia Plakolm: Lehre als Karriere- Autobahn
CHEFINFO: Das Mühlviertel hat sich in den letzten Jahrzehnten wirtschaftlich sehr „gemausert“ – Was macht für Sie als Mühlviertlerin Unternehmen der Region aus?
Claudia Plakolm: Natürlich ihre Mitarbeiter und Lehrlinge. Das Mühlviertel ist generell eine Region in Österreich, die eine sehr niedrige Arbeitslosigkeit hat. Die Mühlviertler sind fleißige Leute, das wirkt sich positiv auf die Wirtschaft aus.
In welchen Bereichen sehen Sie für das Mühlviertel Potenzial?
Plakolm: Die Lage direkt an der tschechischen Grenze birgt ein irrsinniges Potenzial für Betriebsansiedlungen. Deswegen habe ich mich auch dafür eingesetzt, dass die S10 bei Freistadt verlängert wird Richtung Tschechien, weil das nicht nur ein symbolischer Lückenschluss in einer Region ist, in der früher Europa geendet hat. Betriebsansiedlungen sind auch für die generelle Attraktivität des Mühlviertels, gerade für junge Familien, wichtig.
Zu Ihren neuen Agenden: Hilfsorganisationen klagen seit Jahren, dass es zu wenige Zivildiener gibt. Wie lässt sich die Zahl wieder erhöhen?
Plakolm: Wir haben zwei Herausforderungen: geburtenschwache Jahrgänge und die Tauglichkeitskriterien. Ich schaue mir mit Verteidigungsministerin Claudia Tanner gerade die Teiltauglichkeit an, wie wir besser nachjustieren können. In meinen Augen kann es nicht sein, dass ein junger Bursch, der in der Kampfmannschaft Fußball spielt, aber eine Dioptrie zu viel hat oder eine Knieoperation hatte, als untauglich eingestuft wird.
Sie sollen auch als Schnittstelle zwischen Arbeitsministerium und Bildungsministerium für die Lehre verantwortlich sein. Was kann man sich unter dieser Position vorstellen?
Plakolm: Die Lehre ist wie Jugendpolitik generell Querschnittsmaterie. Ich werde die Klammer zwischen den Ministerien setzen. Es geht mir vor allem darum, dass wir das Image der Lehre heben und dass die Lehre für 15-Jährige der Plan A ist, wenn sie eine ordentliche Berufsausbildung haben wollen, und nicht der Plan B, wenn es in der Schule nicht so gut klappt. Da müssen wir vor allem an der Wertigkeit und an der Durchlässigkeit der Lehre arbeiten: Dass man nach der Lehrabschlussprüfung Matura machen kann, Studium, fachliche Ausbildung Richtung Meisterprüfung oder ein anderes Berufsfeld ausprobieren – die Devise muss lauten: lebenslanges Lernen. Die Sackgasse Lehre ist Geschichte und soll als Karriere- Autobahn Lehre gesehen werden.
Lehre mit Matura ist ein Erfolgsmodell, das in anderen Ländern Nachahmer gefunden hat. Trotzdem bleibt das Problem mit dem schlechten Image – was wollen Sie dagegen tun?
Plakolm: Wir müssen uns von dem Bild verabschieden, dass man mit 19 die mLehrabschlussprüfung macht und dann bis zur Pensionierung im selben Betrieb dieselbe Arbeit leistet. Die wenigsten Lehrlinge wissen, dass sie auch vom Erasmus-Programm der EU profitieren können und genauso wie Studierende Auslandssemester machen können. Wir können uns auch viel von der Schweiz abschauen: 70 Prozent der jungen Menschen machen hier eine Lehre, in Österreich sind es zwischen 40 und 50 Prozent. Die Schweiz hat eine höhere Durchlässigkeit vor allem in der höheren beruflichen Bildung. Zudem sollte man so früh wie möglich auf Berufsorientierung setzen: Ab der Unterstufe muss es selbstverständlich sein, dass die jungen Menschen wissen, welch riesige Palette an Lehrberufen wir in Österreich haben, und dass sie sich alles zutrauen – egal ob Mädchen oder Burschen.
Die Digitalisierung verändert die Berufswelt – sind die bestehenden Lehrberufe „modern“ genug?
Plakolm: Die Lehrberufe müssen sich genauso mit den neuen Herausforderungen und Möglichkeiten verändern wie Lehrpläne. Es ist uns auch schon viel gelungen: 2018 wurden 13 neue Lehrberufe im digitalen Bereich vorgestellt. Vom Programmierer bis zum E-Commerce- Kaufmann – das sind Lehrberufe, die ganz einfach die Zeit heutzutage erfordert. Ich finde es extrem cool, dass junge Menschen ab 15 Jahren eine praktische Ausbildung machen können und nicht zwangsweise Informatik studieren müssen. Auch im Bereich Green Jobs sollten Lehren verfügbar sein, weil junge Menschen auch Jobs mit Sinn und Verantwortung wollen. Anfang Juni habe ich mit Arbeitsminister Kocher drei neue Berufsbilder und Erweiterungen in Metalltechnik und Mechatronik vorgestellt. Wir müssen am Ball bleiben.
Welche konkreten Projekte verfolgen Sie gerade als Jugendstaatssekretärin?
Plakolm: Ich will die Tempomacherin in der Bundesregierung sein bei einzelnen Themen. Uns ist schon viel gelungen im Bereich psychische Gesundheit: Mit dem 13-Mio.-Euro-Paket „Gesund aus der Krise“ stellen wir kostenlose Therapieplätze für Kinder und Jugendliche zur Verfügung. Mir ist auch wichtig, dass wir nicht nur den Fokus auf die professionelle Hilfe für mentale Gesundheit setzen, sondern so früh wie möglich intervenieren im Sinne einer Prävention, dass wir aufklären und enttabuisieren. Angesichts der Teuerungen sollen sich die jungen Menschen auch etwas aufbauen können: Das Bestellerprinzip bei den Maklergebühren ist schon ein erster Schritt. Jetzt arbeite ich mit Finanzminister Brunner daran, dass wir auch die staatlichen Nebenkosten auf das erste Eigenheim senken.
Viele personelle Wechsel, die Coronapandemie usw. – das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik ist dahin. Wie kann dieses zurückgewonnen werden?
Plakolm: Wir haben sehr viel umgesetzt und haben auch noch viel vor. Ich bin zuversichtlich, dass die Regierung bis 2024 halten wird. Durchs Arbeiten kann man sich das Vertrauen zurückgewinnen – aber auch durchs Unterwegssein und Zuhören. Es muss selbstverständlich sein, dass man als Politiker die Ohren und Augen draußen hat. Für mich als Jugendstaatssekretärin ist mein Stammtisch, dass ich in den sozialen Medien und bei Jugendveranstaltungen unterwegs bin.