Antiquitätenhandel: Billiger als Ikea?
Es ist eine wahre Zeitreise: ein Besuch bei Antik-Möbel Hesz in Wels. Auf unglaublichen 5,2 Hektar (!) Lagerfläche – so groß wie sieben Fußballfelder – wuchs seit 1981 der größten Antikmöbelhändler Mitteleuropas heran. Einige der Hesz‘schen Stücke sind dabei echte Hollywoodstars, denn Hesz stattet internationale Filmproduktionen aus und verleiht Mobiliar an Requisiteure. „Manchmal kaufen die Produktionsfirmen auch die Möbel, so wie bei der ‚Harry Potter‘-Reihe, weil sie diese nachher selbst versteigern“, schildert Geschäftsführer Jürgen Hesz. Schließlich sind ein Tisch oder Sessel, die bei „Harry Potter“ zu sehen waren, mehr wert als vorher. „Außerdem können Möbel, die in Filmen zu sehen waren, einen Trend auslösen.“
Auch Antikes kennt Moden
Ja, auch Antiquitäten haben ihre Trends und Moden. Doch wie definiert man eigentlich „Antiquitäten“? „Darunter versteht man gemeinhin altertümliche Kunstobjekte oder Gegenstände aus dem Kunsthandwerk aus den Bereichen Möbel, Glas und Porzellan, (Tafel-)Silber, Skulpturen und viele Werke angewandter Kunst wie Vasen, Spiegel, aber auch ‚Volkskunst‘ “, definiert Doris Krumpl vom Dorotheum. Trends, die nicht immer etwas mit dem Seltenheitswert zu tun haben: „Jugendstilglas ist etwa teurer als römisches Glas, obwohl Letzteres viel seltener ist. Biedermeier ist seltener als Jugendstil, aber es wird weniger nachgefragt“, zeichnet Friedrich Vesco von Antik Vesco ein klares Bild. Auch Hesz sieht das ähnlich: „Der aktuelle Trend zu 1950er/‘60er Möbeln hat vielleicht etwas mit Sentimentalität und der Sehnsucht nach der ‚guten alten Zeit‘ zu tun.“
Ältere sammeln, Junge verkaufen
Vesco ist seit 30 Jahren in der Szene und kennt daher auch die Preisentwicklung: „Eine bessere Gelegenheit, Antiquitäten zu kaufen, wie jetzt gab‘s noch nie, und das wird sich in 20 Jahren auch auszahlen.“ Grund für diese These: Die Antiquitätenpreise sind aktuell im Keller. „Antiquitäten waren nie Spekulationsobjekte. Nur weil etwas alt ist, heißt es noch lange nicht, dass etwas wertvoll ist oder sein wird.“ Populäre TV-Formate wie „Kunst + Krempel“ oder „Bares für Rares“ heizen aber die Suche nach dem verborgenen Dachbodenschatz an. Dabei sieht Jürgen Hesz bereits eine wahre Antiquitätenschwemme.
„Durch das Internet veränderten sich das Jagd- und Sammelverhalten. Mittels eBay, willhaben oder Online-Auktionen kommen sehr viele Stücke auf den Markt.“ Auch die Sammlerszene verlagert sich: „Die ältere Generation hat gekauft, die jüngere verkauft wieder.“ Das alles drückt auf die Preise. „Wenn jemand in den 1980er Jahren für ein schönes Stück 300.000 Schillinge hingelegt hat, kann es sein, dass er heute dafür nur mehr 3.000 Euro bekommt“, so Hesz. Und Friedrich Vesco legt noch einen drauf: „Manche Antiquitäten sind billiger als bei Ikea, dabei sind es Unikate in einer hohen Qualität und wenn man so will auch bio und nachhaltig.“
„Blue Chips“ sind gefragt
Natürlich gibt es auch am Antiquitätenmarkt „Blue Chips“, also Möbel, die im Preis stets steigen werden. Skandinavisches Design etwa und natürlich etablierte Namen: „Möbel von David Roentgen haben immer ihren Preis, das ist wie Fabergé beim Schmuck“, so Vesco. Sehr hohe Qualität, Seltenheitswert und der richtige Name sind Garanten für Wertstabilität. „Bedeutende Namen von Manufakturen spielen beim Kaufentscheid und bei den erzielten Preisen eine große Rolle, zum Beispiel Josef Hoffmann beim Jugendstil“, erzählt Krumpl.
Wer mit alten Gegenständen eine deutliche Wertsteigerung erzielen will, sollte am Kunstmarkt aktiv werden, verrät Kunst- und Antiquitätenhändler Walter Freller: „Im Moment sehen wir eine sehr hohe Nachfrage am Kunstmarkt. Verkauft wird derzeit nicht viel. Diese Phase haben wir auch durch Corona noch nicht. Der Kunsthandel ist dabei sehr speziell und kaum mit etwas anderem vergleichbar.“ Sammler sind nicht nur durch hohe Leidenschaft getrieben, sondern sehen auch den Anlageaspekt. „Dieser Aspekt wird in letzter Zeit stärker.“
Mit Vintage-Uhren gegen Negativzinsen
Der Experte sieht im Kunstmarkt eine Analogie zum Aktien- und Kapitalmarkt. „Entweder man investiert in namhafte Künstler, die es bereits in Museen geschafft haben, oder man kauft junge Kunst. Das wäre die Risikovariante. Die Etablierten sind dabei schon eine Art ‚Blue Chip‘, das sind relativ sichere Anlageobjekte.“ Doch Freller, der seit 1988 in der Szene aktiv ist, schränkt gleich ein: „Die Chance, gute Werke von etablierten Künstlern zu finden, ist verschwindend gering.“ Auch Friedrich Vesco hat Anlagetipps – Vintage-Uhren. „Acht von zehn Rolex-Käufern sehen diese als Wertanlage.“ Vesco handelt sowohl mit Uhren als auch mit Gold. „Bei Gold kann nicht viel passieren. Bei Uhren kann das länger dauern, aber man kann bei einigen Herstellern mit bis zu sieben Prozent Wertsteigerung pro Jahr rechnen. Vor zehn Jahren etwa kostete ein Patek Philippe Nautilus Chronograph 26.000 Euro, jetzt kommt er auf etwa 70.000 bis 80.000 Euro.“ Wer weder auf Gold noch auf Uhren verzichten möchte, dem seien Golduhren ans Herz gelegt. „Die Preise ziehen mittlerweile auch in Europa kräftig an. Vor wenigen Jahren war eine goldene Rolex Daytona noch deutlich billiger als eine aus Stahl. Jetzt ist das umgekehrt. Das Image einer Golduhr hat sich deutlich verbessert.“
Zum Ersten, zum Zweiten …
Der Markt für Antiquitäten ist mittlerweile global. Antik-Möbel Hesz etwa liefert ebenso weltweit wie das Dorotheum. Nicht zuletzt Online-Auktionen gaben dieser Entwicklung einen zusätzlichen Kick. „Den Wert bestimmen Angebot und Nachfrage. Dies ist bei Auktionen besonders gut nachvollziehbar. Seit es Auktions-Datenbanken gibt, die jeder kostenpflichtig einsehen kann, sind Preise für Auktionshäuser, Händler und Sammler besonders transparent“, so Krumpl. Seit 2014 setzt das Dorotheum zusätzlich auf Online-Auktionen, heuer gab es sogar einen Rekord. „Unsere Auktion von moderner und zeitgenössischer Grafik im Frühjahr war die beste, die wir je hatten.“ Während des Lockdowns wurden alle Auktionen auf online umgestellt. „Es funktionierte auch bei höherpreisigen Kunstobjekten hervorragend.“ Übrigens: Wer sich einmal ein Bild einer solchen Auktion machen möchte: Mittels Live-Bidding kann man ganz ohne Registrierung als Zuschauer mit dabei sein.