Investieren in Immobilien: Lohnt es sich noch?
Es ist eine paradoxe Situation: Immer mehr Menschen können sich die Miete nicht leisten, während gleichzeitig die Immobilienbranche auf der Bremse steht. Gründe dafür im Schnelldurchlauf: Steigende Zinsen, hohe Baukosten durch Fachkräftemangel und explodierende Energiekosten. Nach vielen Jahren des Höhenflugs steckt die Immobilienbranche in der Krise. Von 2006 bis 2020 stiegen zwar Jahr für Jahr die Mietkosten, seit zehn Jahren sogar stärker als die Inflation, aufgrund der Rahmenbedingungen können benötigte Bauvorhaben aber nicht realisiert werden. Das lässt die Preise fallen.
Prognose für 2023
Die deutsche DZ Bank rechnet 2023 mit sinkenden Preisen von vier bis sechs Prozent. Spannend auch die Untersuchung von willhaben. Das Verkaufsportal verglich die Quadratmeterpreise von Eigentumswohnungen. Zwischen dem ersten Quartal 2022 und dem ersten Quartal 2023 sind die Preise in der Hälfte aller österreichischen Bezirke gesunken. Völlig konträr das Bild bei den Mietwohnungen, in fast allen Bezirken und Städten des Landes sind die Preise gestiegen.
Sollte man investieren?
Zahlt es sich überhaupt noch aus, zu investieren? Immobilienexperte Harald Werfer, Bausachverständiger und selbst Bauträger, bringt die aktuelle Situation auf den Punkt: „Der Immobilienmarkt ist durchwachsen und derzeit kaum zu überblicken. Es hat sich innerhalb von eineinhalb Jahren von einem Wow-Effekt, wo alles gekauft wurde, was am Markt war, zu einem Markt gedreht, wo man genau überlegen muss, ob ein Investment Sinn macht, wohlwissend, dass die Preise in den nächsten Monaten sinken werden.“ Objekte, die Renditen von ein bis zwei Prozent abwerfen, zahlen sich nicht aus. „Je nach Lage sollten Einzelwohnungen mindestens drei bis dreieinhalb Prozent bringen.“
Gewisse Liegenschaften überbewertet
Bei Gesamtliegenschaften, die „vorher fast blind gekauft wurden“, ist die Luft heraußen. Bauträger, die noch vor zwei Jahren Grundstücke etwa für Zinshäuser gekauft haben, versuchen diese wieder loszuwerden. „Die Vorverwertungssituation macht es unmöglich, dass ein Bauträgerprojekt realisiert bzw. entwickelt wird.“ Werfer und sein Team bewerten auch Immobilien und Grundstücke, dabei stellt Werfer fest, „dass viele Liegenschaften bereits zu teuer gekauft wurden“.
Abwärtsspirale in Gang
Die aktuelle Situation löst eine Abwärtsspirale aus, die sich auf den Neubau massiv auswirkt. Bauträger stellen zwar noch in Bau befindliche Projekte fertig, aber: „Neue Projekte werden derzeit deutlich weniger begonnen, als man vor einiger Zeit noch erwartet hätte“, so Gerald Gollenz, Obmann des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der WKÖ. Stellvertreter Michael Pisecky, rechnet vor: Wurden in der Bundeshauptstadt Wien 2019 noch 22.189 Wohneinheiten fertiggestellt, waren es 2022 nur rund die Hälfte.
Kein Preisverfall
„2024 rechnen wir mit 12.000 Wohneinheiten und 2025 kommen nur noch 7500 Wohnungen auf den Markt.“ Mit einem Preisverfall am Wohnungsmarkt ist laut Gollenz nicht zu rechnen, allerdings: „Durch die gesunkene Nachfrage werden die Preise im laufenden Jahr mit ganz wenigen Ausnahmen stagnieren.“
Investoren lauern
Wurde Kapital noch vor kurzer Zeit in Immobilien geparkt, so wird derzeit in Wertpapiere angelegt, die bei günstiger Lage rasch realisiert und wieder in den Kauf von Immobilien gesteckt werden können. „Das kann relativ schnell gehen“, ist sich Werfer sicher. Große Immobilienfonds haben sich zurückgezogen bzw. sind komplett verschwunden, auch eine Entwicklung der aktuellen Situation. Fonds leben von den Anlegern, fehlen sie, fehlt das Kapital. Fonds, die lange Zeit den Markt leergekauft haben. Und auch Privatstiftungen, lange Zeit Treiber der starken Nachfrage, geben sich zurückhaltend. Ihr Ziel, die Wertsteigerung, hat sich zum Maximalziel Werterhalt gewandelt.
Eigentum: Flexibel sein oder abwarten
Ähnlich und doch ein wenig anders stellt sich die Situation bei Gewerbeimmobilien dar: „Das ist eine Frage, ob ich Mieter mit hoher Bonität finde.“ Supermärkte sind als Käufer begehrt. Für alle Experten müssen sich die Rahmenbedingungen wieder ändern. „Es muss sich die Gesamtstimmung am Markt stabilisieren und die Zinsen müssen wieder sinken“, so Werfer. Wer sich Eigentum schaffen möchte, sollte entweder warten, oder flexibel sein. So bekommt man im Bezirk Güssing 49 Quadratmeter Bauland zum Preis von einem Quadratmeter in Wien-Döbling.
TOP 3 IN ÖSTERREICH
STEIGERUNGEN EIGENTUMSWOHNUNGEN*
Bezirk Zell am See: +10,1 %
Wien-Alsergrund: +9,6 %
Bezirk Neunkirchen: +8,9 %
TOP 3 IN OBERÖSTERREICH
STEIGERUNGEN EIGENTUMSWOHNUNGEN*
Bezirk Ried/I.: +8,5 %
Bezirk Kirchdorf: +8,2 %
Bezirk Grieskirchen: +8,1 %
HÖCHSTE GRUNDSTÜCKSPREISE PRO M2*
Linz-Stadt: 510,48 Euro
Wels-Stadt: 252,34 Euro
Bezirk Linz-Land: 249,64
NIEDRIGSTE GRUNDSTÜCKSPREISE PRO M2*
Bezirk Rohrbach: 65,68 Euro
Bezirk Schärding: 71,25 Euro
Bezirk Grieskirchen: 85,63 Euro
*Quelle: Immobilien-Preisspiegel 2023 WKO