Wiener Bürgermeister: „Brauchen mehr Optimismus"
Der Krisenmanager ist derzeit im Dauereinsatz: Zwischen einer Stippvisite bei Eisbär-Mädchen Finja im Tierpark Schönbrunn und dem Besuch des israelischen Botschafters haben wir in seinem Büro vorbeigeschaut.
weekend: Corona-Schlagzeilen machen meist andere. Wien steht relativ gut da. Sind wir disziplinierter?
Michael Ludwig: Wir waren von Anfang an nicht so sorglos wie vielleicht andere und haben sehr früh unsere Haus- aufgaben gemacht. Mittlerweile ist ja auch die Kritik vom Bund verstummt, die Corona als großstädtisches Problem definiert und damit auch uns vor allem während des Wiener Wahlkampfs heftig kritisiert hat: Das hat damals nicht gestimmt und stimmt auch heute nicht.
weekend: Wien testet viel ...
Michael Ludwig: Millionenfach mittlerweile. Wir haben die Kapazitäten immer der Nach- frage angepasst. Wir schaffen täglich 50.000 Gratis-Tests auf unseren Corona-Straßen. Mit dem Projekt Schutzschild geben wir Betrieben und Beschäftigten eine zusätzliche einfache Möglichkeit für den sanften PCR-Gratis-Gurgeltest in den eigenen vier Wänden. Das Verfahren wurde übrigens hier entwickelt – ein echter Wiener.
weekend: Wir „staberln“, wir gurgeln: Werden wir uns auch impfen lassen?
Michael Ludwig: Ich bin zuversichtlich. Schon unsere Kampagne rund um die Grippeimpfung im letzten Herbst hat Wirkung gezeigt: So haben wir die Impfquote von acht auf 25 Prozent steigern können. Wir werden auch für die Corona-Impfung massiv werben – aber niemanden bekehren. Von Zwang halte ich nichts. Aber auch impfmüde Menschen werden freilich merken, dass das Spritzerl Freiheit bedeutet. Daher glaube ich, dass die meisten dabei sein werden. Ganz ohne Druck von außen oder oben.
Wir werben für die Corona-Impfung. Von Zwang oder Druck halte ich aber nichts.
weekend: Unter Druck steht auch die Wirtschaft: Viele WienerInnen fürchten um ihren Arbeitsplatz. Michael Ludwig: Wir halten mit dem bereits vierten Corona-Paket dagegen. Unterstützt wird jetzt die besonders leidende Kongress- und Konferenzwirtschaft. Die zusätzlichen 600 Millionen Euro aus unserem Wirtschaftsförderungspaket fließen aber auch in Neubau- und Sanierungsprojekte. Etwa in Schulen oder Sporteinrichtungen. Möglichst viele Branchen sollen zum Zug kommen. Wir wollen den Arbeitsmarkt stimulieren und Optimismus verbreiten. Gerade Lehrlinge und die sogenannte ältere Generation brauchen uns. Ich treffe Menschen mit 52, 53 Jahren mit Tränen in den Augen. Sie sind engagiert, haben immer gearbeitet. Und sagen mir: „Ich will nicht arbeitslos sein.“ Hier heißt es hinschauen und helfen! Und das tun wir mit unserer Aktion „50+“.
Wir wollen das Betreuungspersonal in den Schulen und Kindergärten weiter aufstocken.
weekend: Gibt es weitere Hilfen für die Gastronomie: Stichwort Gratis-Gutschein?
Michael Ludwig: Es wird wohl nicht notwendig sein. Ich bin mir sicher, dass nach dem Aufsperren alle wieder Appetit auf ihre Wirte haben: Auch ich habe meiner Frau schon eine ganze Liste an Lokalen versprochen. Aber wir beobachten die Situation genau.
weekend: Apropos: Wie schmeckt Ihnen der neue politische Partner?
Michael Ludwig: Sehr gut. Die sozial-liberale Koalition bringt schon jetzt viele Projekte auf den Weg, in der Wirtschaftspolitik, aber auch in gesellschafts- und bildungspolitischen Fragen. Wir haben auch beim Thema Klimaschutz viel vor. Wir werden an den großen Rädern drehen, die über die Frage der Radwege weit hinausgehen.
Die rot-pinke Koalition hat sich in ihrem Regierungsprogramm einiges vorgenommen: Ein weiteres Wirtschaftsförderungspaket ist auf Schiene. Ein Schwerpunkt liegt in der Errichtung von 36 Primärversorgungszentren, die die Ambulanzen in den Spitälern entlasten sollen. Investiert wird auch in Bildung und Pflege. Auch beim Klimaschutz will Wien aufs Gas steigen – unter anderem mit einer ambitionierten Grünraumoffensive.