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Paul Stark – landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter mit hohem Unterstützungsbedarf –, seine Mutter Claudia und ihre langjährige unterstützende Begleiterin, Petra Flieger, schilderten gemeinsam, wie „ein cooles Leben ohne Institutionen“ möglich ist.
Paul Stark – landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter mit hohem Unterstützungsbedarf –, seine Mutter Claudia und ihre langjährige unterstützende Begleiterin, Petra Flieger, schilderten gemeinsam, wie „ein cooles Leben ohne Institutionen“ möglich ist.
Paul Stark – landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter mit hohem Unterstützungsbedarf –, seine Mutter Claudia und ihre langjährige unterstützende Begleiterin, Petra Flieger, schilderten gemeinsam, wie „ein cooles Leben ohne Institutionen“ möglich ist.
Angela Lamprecht

Vlbg. Monitoring-Ausschuss/Unabhängiger Monitoringausschuss

11.10.2024 um 13:37, Weekend Magazin Vorarlberg
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„Behinderte Menschen müssen selbstbestimmt entscheiden können, wie, wo und mit wem sie wohnen!“ Monitoringausschüsse rücken „De-Institutionalisierung“ in Fokus.

Noch immer herrscht die Meinung vor, Menschen mit Behinderungen seien in sogenannten Heimen gut aufgehoben. Das entspricht aber nicht der UN-Behindertenrechtskonvention, die Österreich 2008 ratifizierte. Daher machten die Monitoringausschüsse für Vorarlberg und Österreich gestern die „De-Institutionalisierung“ zum Thema und ließen Expert:innen und Betroffene zu Wort kommen.

Menschen mit Behinderung sollen selbstbestimmt entscheiden können, wie, wo und mit wem sie wohnen möchten, genau wie alle anderen Menschen auch.

Landesvolksanwalt Klaus Feurstein, Vorsitzender des Vorarlberger Monitoring-Ausschusses (VMA)

Das Pendant zum VMA auf Bundesebene ist der Unabhängige Monitoringausschuss: „Österreich ist immer noch das Land der Heime. Es fehlt ein Plan zum österreichweiten Ausbau von gemeindenahen Unterstützungsdiensten und zum Abbau von Heimen“, betonte Tobias Buchner vom Vorsitzteam. Aber erst diese „De-Institutionalisierung“ würde Menschen mit Behinderung eine echte Wahlfreiheit ermöglichen.

Daher stand das Thema auch im Mittelpunkt der ersten gemeinsamen öffentlichen Sitzung des VMA und des Unabhängigen Monitoringausschusses gestern Nachmittag im AK Saal in Feldkirch. „Mein Weg, Mein Leben, Mein Menschenrecht!“, lautete der Titel. Mit Gebärdensprach- und Schriftdolmetschung, Zusammenfassungen in Leichter Sprache, unterstützenden Schüler:innen der Kathi Lampert Schule und einem Live-Stream war die Veranstaltung barrierefrei und für alle zugänglich.

Worum es bei der De-Insititutionalisierung geht, erläuterte Professor Dr. Markus Schefer, Mitglied des UN-Fachausschusses, in seinem Vortrag: „Menschen haben nach der UN-Behindertenrechtskonvention das Recht auf Selbstbestimmung. Da gibt es keine Verhältnismäßigkeit!“ Schefer war auch zuständig für die Staatenprüfung Österreichs 2023 und kennt die Situation gut: „Es gibt keine Strategie, zuwenig geeignete Wohnungen, zu wenig Unterstützungsleistungen und kein Indiviualrecht“, so sein Resümee.

Professor Markus Schefer informierte, was die Behindertenrechtskonvention unter einem selbstbestimmten Leben versteht.
Professor Markus Schefer informierte, was die Behindertenrechtskonvention unter einem selbstbestimmten Leben versteht.

Es geht auch anders

Danach schilderten Paul Stark – landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter mit hohem Unterstützungsbedarf –, seine Mutter Claudia Stark und ihre langjährige unterstützende Begleiterin, Petra Flieger, gemeinsam, wie es alternativ funktionieren kann. Sie berichteten über „ein cooles Leben ohne Institutionen – inklusiv wohnen und arbeiten“. Im November wird Paul (28) von der Landwirtschaftskammer für 10 Jahre Berufstätigkeit ausgezeichnet. Ein Erfolg, der sehr viel Einsatz kostete: „Nichts von Pauls inklusivem Weg ist selbstverständlich“, brachte es seine Mutter auf den Punkt. Der Kampf um Finanzierung, Assistenz und den Arbeitsplatz muss permanent geführt werden und lastet auf den Schultern der Betroffenen.

Wie üblich bei den öffentlichen Sitzungen des VMA waren danach die Teilnehmer:innen am Zug. An „Austausch-Tischen“ und online wurden Themen wie „Inklusionswege und -sackgassen“ oder „Gedanken und Gefühle zum Leben ohne Institutionen“ angeregt diskutiert. Zum Abschluss diskutierten Christine Steger und Bernadette Feuerstein (UMA) sowie Brigitta Keckeis, René Kremser, Patrick Wintschnig (VMA) mit Markus Schefer am Podium. Und er griff zu einem drastischen Vergleich: „Wir sind uns einig, dass die Politik der Apartheid eine Ungerechtigkeit war. Bei Leuten mit Behinderung ist diese Einsicht noch nicht da.“

Eine 7-seitige Diskussionsgrundlage
zum Thema ist online verfügbar.
Der Stream von der Veranstaltung kann
auf YouTube nachgesehen/-hört werden.

Facts

Vorarlberger Monitoring-Ausschuss
Der VMA wurde 2015 eingerichtet, um die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BKR) in Vorarlberg zu überwachen. Seine Haupt- und Ersatzmitglieder sind ehrenamtlich tätig und auf drei Jahre bestellt. Vorsitzender ist Landesvolksanwalt Mag. Klaus Feurstein. Der VMA hält öffentliche Sitzungen ab, auch, um für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren. www.landesvolksanwalt.at/monitoring-ausschuss

Unabhängiger Monitoringausschuss
Er ist gesetzlich eingerichtet und überwacht die Einhaltung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen auf Ebene des Bundes. Die völkerrechtliche Grundlage seiner Arbeit bildet die UN-BRK, im österreichischen Recht §§ 13g ff des Bundesbehindertengesetzes. Seine Mitglieder werden auf Vorschlag des Österreichischen Behindertenrats vom Sozialminister bzw. der Sozialministerin für vier Jahre ernannt. www.monitoringausschuss.at

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