Der Vorzeigeprofi ohne Starallüren
Weekend: Während Freizeitsportler gerade zum Nichtstun verdammt sind, hat für euch die Frühjahrssaison am Wochenende begonnen. Wie sieht euer neuer Alltag aus?
Junuzovic: „In erster Linie sind wir natürlich froh, dass der Spielbetrieb aufrechterhalten wurde. Wir haben Zeit gebraucht, uns an die neuen Abläufe zu gewöhnen und natürlich haben auch wir mit den Maßnahmen und Verordnungen zu kämpfen. Wir werden im Schnitt alle drei bis vier Tage getestet. In erster Linie ist jeder Spieler selbst für sich und seine Gesundheit verantwortlich, also dafür, dass er sich und das Team schützt und gesund bleibt. Für jeden von uns steht viel auf dem Spiel, da eine Infektion eine lange Pause und einen enormen Trainingsrückstand bedeuten würde.“
Für jeden von uns steht viel auf dem Spiel, da eine Infektion eine lange Pause und einen enormen Trainingsrückstand bedeuten würde.
Weekend: Auf ein Trainingslager wurde heuer in der Vorbereitung verzichtet, dennoch geht es für die Europa League Spiele demnächst ins Ausland. Ein seltsames Gefühl in der derzeitigen Situation?
Junuzovic: „Die Abläufe am Flughafen und im Hotel haben sich nicht geändert – mit der Ausnahme, dass einfach alles leer ist. Das heißt, wir bewegen uns nur in unserem Radius und haben keinerlei Kontakte zu anderen Menschen, sind nur unter uns. Und das ist im Endeffekt seit fast einem Jahr so.“
Weekend: Sicher eine Herausforderung für das Teamgefüge…
Junuzovic: „Gerade anfangs haben uns die äußeren Umstände enorm zusammengeschweißt. Als wir nach dem ersten Lockdown wieder trainieren durften, war bei allen die Freude und Motivation riesig. Das hat sich auch auf unsere Leistung ausgewirkt. Man muss aber ehrlich zugeben, dass es mit der Zeit mühsamer wurde und auch wir unter den Einschränkungen leiden. Vor allem natürlich im privaten Bereich. Man ist ständig am überlegen: ‚Darf ich das?‘, ‚Freunde, Familie treffen – kann ich das machen?‘ Auch ich vermisse abseits des Rasens den normalen Alltag. Etwas erleben und mit meinen Kindern beispielsweise ins Kasperltheater gehen zu können. Ich würde gerne das Leben wieder in vollen Zügen genießen können.“
Weekend: Und in Sachen Fußball? Gewöhnt man sich daran, in leeren Stadien zu spielen?
Junuzovic: „Sagen wir so, wir haben gelernt damit umzugehen – daran gewöhnen werden wir uns wohl nie ganz. Ich persönlich habe immer im Hinterkopf, wie es sich anfühlt, vor vollen Rängen zu spielen und ich würde lügen, wenn ich behaupte, die Emotion ist dieselbe. Es gibt nichts Schöneres, als von Fans gepusht zu werden und das Adrenalin aufsteigen zu spüren. Es sind in erster Linie auch die Emotionen, die den Fußball so einzigartig machen und natürlich hoffe ich, dieses Gefühl wieder erleben zu dürfen. Andererseits ist es auch ein enorm wichtiger Lernprozess und Entwicklungsschritt. Wir alle sind gefordert, die Situation anzunehmen und daran zu wachsen.“
Weekend: In der Winterpause hast du deinen Vertrag in Salzburg verlängert. Ist die Mozartstadt für dich ein Stück Heimat geworden?
Junuzovic: „Meine Familie und ich fühlen uns hier enorm wohl. Es war ein gutes Gefühl, nach den vielen Jahren in Bremen zurück nach Österreich zu kommen und rückblickend kann ich sagen, es war vor allem auch die richtige Entscheidung. Privat wie sportlich. Ich habe täglich Spaß an der Arbeit, das spiegelt sich fußballerisch wider. Österreich ist meine Heimat und ich genieße nicht nur das gute Essen (grinst). Ich weiß zu schätzen, wie wundervoll dieses Land ist, indem ich aufwachsen durfte.“
Natürlich hat mich meine Kindheit geprägt, der Krieg und die Situation, als Flüchtling nach Österreich zu kommen.
Weekend: Du sprichst deine Kindheit an. Hat dich deine persönliche Geschichte zu dem bodenständigen Menschen gemacht, der du heute bist? Man muss ehrlich sagen, dass du das typische Fußballerklischee nicht wirklich erfüllst…
Junuzovic: „Materieller Besitz hat für mich nie eine große Rolle gespielt. Natürlich hatten daran sicher meine Kindheit und die prägenden Erlebnisse einen Einfluss – der Krieg und die Situation als Flüchtling nach Österreich zu kommen. Ich hatte trotz der wenigen Mittel, die wir zur Verfügung hatten, eine überragende Kindheit und meine Eltern haben mich immer unterstützt. Vor allem aber hatte ich den Fußball, der mich auf meinem Weg begleitet hat und der mir immer das positive Lebensgefühl gab, das ich gebraucht habe. Dazu kamen die Erfahrungen im Laufe der Karriere. Mit Bremen gegen den Abstieg zu spielen, hat mich sehr geprägt. In solchen Situationen fängt man an, in sich hinein zu horchen und darauf zu achten, was einen glücklich macht. So formt sich deine Persönlichkeit und man lernt, Lösungen zu finden.“
Weekend: Du warst sehr früh auf dich gestellt, bist mit zwölf Jahren allein von Kärnten nach Graz. Inwieweit hat dich das geprägt?
Junuzovic: „Das war natürlich eine sehr prägende Zeit. Damals gab es ja auch noch kein Internat und ich lebte bei einer Gastfamilie. Ich hatte enormes Heimweh und hätte fast alles hingeschmissen. Meine Mutter ist dann zu mir nach Graz gezogen. Aber auch die Jahre, als es dann um den Schritt zu den Profis ging. Das sind Drucksituationen, die für junge Menschen eine große Belastung sein können.“
Weekend: Würdest du heute mit einem 16-jährigen Talent tauschen wollen?
Junuzovic: „Natürlich stehen die jungen Spieler heute unter besonderer Beobachtung – vor allem medial. Dadurch müssen sie auch ein Stückweit schneller erwachsen werden. Andererseits bieten sich ihnen ganz andere Chancen und Möglichkeiten, als wir sie damals hatten. Als ich von Austria Wien in die deutsche Bundesliga wechselte, gab es gerade einmal fünf österreichische Legionäre in den europäischen Top-Ligen. Es war deutlich schwerer, den Sprung ins Ausland zu schaffen. Heute kann es hingegen sehr schnell gehen. Dadurch müssen die Jungs aber wiederum schon in jungen Jahren mental stark sein."
Weekend: Ist es das, was du den jungen Spielern mit auf den Weg gibst?
Junuzovic: „Ich versuche den Jungs schon vor Augen zu halten, dass sie nicht überall solche Bedingungen vorfinden, wie hier in Salzburg. Ihnen muss bewusst sein, dass der Weg nicht nur mit goldenen Steinen ausgelegt ist.“
Weekend: Gibt es ein junges Talent, dass du besonders unter deine Fittiche genommen hast?
Junuzovic: „Also man darf sich das jetzt nicht so vorstellen, dass ich ständig auf die jungen Spieler einrede und ihnen Ratschläge erteile. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen und oftmals profitiert man eben von älteren Spielern oder dem Teamgefüge. Das beste Beispiel ist Dominik Szoboszlai. Als er zu uns kam, galt er als riesen Talent, aber eben auch als schwieriger Typ. Für ihn war es sicher hilfreich, sich an den routinierten Spielern orientieren zu können. Er wurde in die Gruppe integriert, hat angefangen, individuell an sich zu arbeiten und sich schließlich enorm entwickelt. Für junge Spieler gibt es in meinen Augen keinen besseren Platz als den FC Red Bull Salzburg.“
Weekend: Auch du hast in Salzburg deinen zweiten Frühling erlebt. Dadurch wird auch das Nationalteam immer wieder zum Thema. War rückblickend der Rücktritt 2017 verfrüht?
Junuzovic: „Sicher war die Situation damals, als ich zurückgetreten bin, eine andere. Ich hatte eine langwierige Entzündung im Fuß und mir wurde vor zusätzlichen Belastungen abgeraten. Wer weiß, ob ich heute so fit wäre, wenn ich damals anders entschieden hätte. Ich genieße es sehr, dass meine Karriere durch den Wechsel nach Salzburg noch einmal einen neuen Schub erhalten hat und natürlich denkt man manchmal ‚Was wäre, wenn…‘. Aber genau das will ich nicht machen. Ich finde es wichtig, nicht in der Vergangenheit oder Zukunft zu hängen, sondern sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren.“
Weekend: Und wenn der Teamchef anrufen würde?
Junuzovic: „Ausschließen werde ich sicher nichts. Aber ich werde ja nicht jünger (grinst) und das Nationalteam ist aktuell auf einem sehr guten Weg. Von daher konzentriere ich mich auf meine Ziele mit Red Bull Salzburg und lasse alles auf mich zukommen.“
Ausschließen werde ich sicher nichts!
Weekend: Gemeinsam mit deinem Kumpel Michael Liendl betreibst du den Podcast „1016“ – dabei tauscht ihr euch über Sportliches und teils auch Privates aus. Fällt es dir schwer, persönliche Einblicke zu gewähren?
Junuzovic: „Michi hat mich damals überredet das zu machen und auch wenn wir es nicht regelmäßig schaffen, so macht es doch Spaß. Es ist eine gute Plattform, Fans und Fußballinteressierten Einblicke zu gewähren und die Gesprächssituation ist natürlich durch die persönliche Beziehung lockerer. Man vergisst zwischendurch sogar teilweise, dass alles aufgenommen wird (lacht) – da muss ich mich dann selber bremsen. Privat ist einfach privat. Ich bin auch keiner, der seine Kinder und sein Privatleben auf Instagram postet. Wenn meine Kinder sich später öffentlich zeigen möchten, ist das ihre eigene Entscheidung. Aber ich muss nicht jedes Erlebnis mit der Welt teilen. Wenn sie lieb aussehen oder etwas toll machen, dann ist das ein Moment für uns.“
Weekend: Was ist die wichtigste Botschaft, die du deinen Söhnen Felix und Clemens mit auf den Weg geben möchtest?
Junuzovic: „Sie sollen Freude an dem haben, was sie machen – egal was es ist. Natürlich gehört der Fußball zu unserem Leben dazu, aber ich bin sicher nicht der Typ Vater, der möchte, dass die Kinder unbedingt in seine Fußstapfen treten. Sie haben große Freude daran, dem Ball hinterherzujagen. Wir werden sehen, was kommt. Ich werde sie in jedem Fall immer in allem unterstützen.“