13 vergessene Bräuche rund um die Sommersonnenwende
In großen Schritten nähern wir uns dem Sommer: Die Tage werden zurzeit immer länger und die Nächte kürzer. Am 21. Juni erreichen wir den Höhepunkt mit der kürzesten Nacht und dem längsten Tag des Jahres. Seit jeher haftet dieser Zeit ein ganz besonderer Zauber an. Zur Sommersonnenwende werden uralte Bräuche und Zauberbräuche lebendig. Auch in Kärnten! Der Sonnwendtermin ist der 21. Juni, er wurde aber durch den Vorabend des Heiligen Johannes (Johannes der Täufer) am 23. Juni christianisiert. So ließen sich die uralten, meist keltischen Sonnwendrituale mit christlicher Mythologie verbinden. Schon die Kelten feierten diese Zeit des Überflusses und des Reichtums, wo die Natur in Hülle und Fülle steht. Wolfgang Lattacher vom Brauchtumsverband Kärnten erklärt, dass mit dem Fest – je nach Stellung zur Religion am 21. oder 23. Juni – die Sonne angebetet wird.
Kraft des Feuers
Zu Ehren der Sonne wird in den Bergen seit jeher ein großes Feuer entzündet. Dem Feuer werden magische und reinigende Kräfte zugeschrieben. Mit dem Feuer bittet man um starkes Korn und um einen hohen Ernteertrag. Bei Einbruch der Dämmerung singt man Lieder, meist unter Begleitung der Ziehharmonika, und es werden Sprüche aufgesagt, erzählt Lattacher. Ein ganz besonderer und typischer Kärntner Brauch ist dabei das Scheibenschlagen. Es werden Baumscheiben abgeschnitten, im Feuerhaufen angebrannt und dann in die Nacht hinausgeschleudert, zusammen mit einem Spruch. Dem Feuer werden auch heilende Kräfte nachgesagt. So solle man sich bei Rückenschmerzen mit dem Rücken zum schwächer werdenden Feuer setzen und so die Schmerzen verschwinden lassen. Außerdem kann man seinen Holzzockel über Kopf und Feuer werfen. In jene Richtung, in die der Zockel fällt, werde man im kommenden Jahr reisen, besagt der Brauch. Bis spätestens Mitternacht tanzt man in dieser magischen Nacht ums Feuer und springt auch darüber. Je höher der Sprung umso höher der Ernteertrag und wenn ein Paar darüber springt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zusammen bleibt. Doch Vorsicht: Um Mitternacht sollten schon alle nach Hause gegangen sein, denn dann beginnen laut dem Volksglauben der Teufel und die Hexen ums Feuer zu tanzen, so Lattacher. Neben dem Feuer schreibt man übrigens auch dem Wasser magische Kräfte zu. Im Mittelalter galt die volkstümliche Überzeugung, dass in der Johannisnacht, das heißt am 23. Juni in der Nacht vor dem Heiligen Johannes, alle Quellen, Bäche, Flüsse, Teiche und Brunnen der christlichen Welt ‚geweiht‘ sind. Wer sich in dieser Nacht gewaschen hatte, wurde mit heilender Wirkung, aber auch mit Glück belohnt“, informiert Sprachwissenschaftlerin Herta Maurer-Lausegger. Laut einem anderen Brauch kann man sich an einer Wegscheide mit dem Gras, das vom Tau feucht ist, waschen und danach - ohne sich umzudrehen - nach Hause verschwinden. Auch das soll Klärung und Reinigung versprechen.
Zauberei
In slowenischen Dörfern in Kärnten erzählt man sich, dass in dieser Sommernacht die Magie ganz besonders wirkt und Kräuter und Heilpflanzen mit außergewöhnlichen Kräften ausgestattet werden. Deshalb führt man auch eine Reihe von Zauberritualen mit Kräutern durch. Maurer-Lausegger klärt auf: „Zum Johannisfest zählt das Farnkraut zu den wichtigsten Heilkräutern mit vielseitiger Zauberwirkung. Nach Paul Zablatnik war es in Kärnten mancherorts noch um die Mitte des 20. Jahrhunderts üblich, dass am Johannistag Mädchen im Heiratsalter durch Waldfarne gingen. Je mehr Farnkrautsamen sich in den Schuhen angesammelt hatte, desto stärker festigte sich die Zuneigung des Geliebten“. Weiters besagt der Brauch, abends unter dem Tisch Farn und Margeriten aufzubetten. Dort, wo die Pflanzen am welksten sind, habe sich laut dem Volksglauben nachts der Heilige Johannes zum Schlafen hingelegt. Düsterer wird’s beim Auflegen der beiden Pflanzen am Fensterbrett. Wenn sie über Nacht welk werden, solle das den Tod voraussagen. Außerdem ist seit jeher (bei allen indogermanischen Völkern) die volkstümliche Vorstellung verbreitet, dass in der Johannisnacht durch die Zauberwirkung der Farnkrautsamen das Verstehen der Tiersprache ermöglicht wird. Besonders geheimnisvoll ist auch das Schütteln des Holunderstrauches, wie Maurer-Lausegger verrät: „Nach Paul Zablatnik versuchten einst im südlichen Kärnten Mädchen im Heiratsalter mit dem Analogiezauber ihre Zukunft zu erraten. Am Vorabend des Johannisfestes schüttelten sie heftig einen Hollunderstrauch mit der Bitte ‚Hollunder, gib einen Mann, nur einen jungen, ja nicht einen alten!‘ (Übersetzung aus dem Slowenischen). Fielen beim Schütteln Blüten zu Boden, wurde dies als bald bevorstehende Hochzeit gedeutet.“ Spannend für Kinder ist die abgewandelte Form des Holunderschüttelns. Demnach suche man sich einen Holunderstrauch und schüttle kräftig daran, drehe sich nicht mehr nach links, nicht nach rechts um und verschwinde ins Haus, wo man sich schlafen lege. Ist der Zauber erfolgreich gewesen, hängen am nächsten Morgen Süßigkeiten am Holunderstrauch.
Neues Erwachen
Auch wenn viele der Bräuche längst in Vergessenheit geraten sind, können sie doch jederzeit wieder ins Leben gerufen werden. Ob man daran glaubt, ist jedem selbst überlassen, doch den Zauber der Sommernacht walten zu lassen, hat seinen ganz besonderen Reiz.