Schicksalsschläge: Zwischen Deportation und Partisanenkampf
Die Geschichte der Deportation der Kärntner Slowenen sowie des damit verbundenen Untergrundkampfes der Partisanen gegen das NS-Regime während des Zweiten Weltkrieges zog sich lange wie eine nur oberflächlich verheilte Wunde durch das kollektive historische Bewusstsein unseres Bundeslandes. Regelmäßig entzündeten sich an den dramatischen Vorkommnissen im Laufe der Jahrzehnte mitunter aggressiv geführte (gesellschafts-)politische Kontroversen. Und auch zahlreiche Publikationen nahmen sich bereits der Geschehnisse an sowie dabei eine zumeist tendenziöse politische Position ein.
Objektiver Blick
Den Griffner Autor und passionierten Hobbyhistoriker Valentin Hauser beschäftigen die im Umfeld seiner Heimatgemeinde vonstatten gegangenen Ereignisse ebenfalls schon seit seiner Kindheit. 2021 war in ihm schlussendlich die Entscheidung herangereift, sich ihnen eingehender zu widmen und die dadurch aus umfangreichen Recherchen gewonnenen Erkenntnisse in einem neuen Buch festzuhalten. Ihm war es dabei laut eigenem Bekunden wichtig, einen objektiven sowie besonnen Standpunkt einzunehmen und den Stimmen aller Beteiligten möglichst unvoreingenommen Gehör zu verschaffen. „Dieser Anspruch gestaltete sich oftmals ungemein herausfordernd, etwa, wenn ich den Abschiedsbrief eines jungen Mannes an dessen Familie in Händen hielt, der wenige Stunden später hingerichtet wurde,“ führt Hauser, der sein Buch vor dem aktuellen Kriegsgeschehen in Europa auch als Plädoyer für Frieden und Demokratie verstanden wissen möchte, diesbezüglich aus. Das Resultat seiner Bemühungen ist mit „Vergessene Wahrheiten“ ein hochinformatives Werk, das unzählige oftmals wenig bekannte Fakten packend aufbereitet und mit emotional feinfühlig erzählten Einzelschicksalen verknüpft.
Brutale Deportation
Im Zentrum seiner Ausführungen steht die euphemistisch als Aussiedlung bezeichnete Deportation von rund 1.000 Kärntner Slowenen im Alter von 17 Tagen bis 85 Jahren in Zwangsarbeitslager im April des Jahres 1942. Die von langer Hand geplante „K-Aktion“ („Kärnten-Aktion“) wurde von dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler, persönlich angeordnet und hatte die Umsiedelung deutschstämmiger Familien aus dem Kanaltal auf die zwangsenteigneten Höfe der Kärntner Slowenen zum Ziel. Dafür wurden in einer Nacht-und-Nebel-Aktion an die 200 Familien von bewaffneten Polizisten aus ihren Häusern getrieben und in Omnibussen sowie Lastautos abtransportiert. Da ihnen nur eine knappe Stunde für ein Zusammenpacken ihrer Wertgegenstände gewährt wurde, verloren viele neben ihrer Würde, Freiheit und Heimat auch ihr komplettes Hab und Gut. Darüber hinaus wurden sie zu Volks- sowie Staatsfeinden erklärt und über 50 Vertriebene überlebten die unmenschliche Prozedur nicht. Das brutale Vorgehen rief jedoch auch zum Teil heftigen Protest bei der Bevölkerung hervor: Personen des öffentlichen Lebens, der katholischen Kirche uns selbst so mancher NS-Funktionär traten dagegen auf und konnten dadurch einzelnen slowenischen Familien das elende Schicksal ersparen.
Licht und Schatten
Ferner befeuerte die „K-Aktion“ ungewollt eine Widerstandsbewegung, die dem Nazi-Regime in den darauffolgenden Jahren gehöriges Kopfzerbrechen bereiten sollte – der Guerillakrieg der Partisanen. Zunächst schlossen sich selbigen vor allem Wehrmachtssoldaten slowenischer Abstammung an, die aufgrund der Unterdrückung der Kärntner Slowenen desertierten. In weiterer Folge erhielten sie allerdings verstärkt Zulauf durch deutschsprachige Bauernburschen, wodurch die Bewegung beständig an Durchschlagskraft gewann. Mit ihren wagemutigen Operationen, von Sabotageakten auf kriegswichtige Verkehrswege über Überfälle auf Polizeistationen bis hin zur Liquidierung kleinerer NS-Stützpunkte, entwickelten sie sich rasch zu einem schmerzenden Stachel im Fleisch der NS-Kriegsmaschinerie, weshalb Teile Kärntens sogar zum „Bandenkampfgebiet“ erklärt wurden. Die Aktionen der Partisanen gelten somit als die einzige Form des bewaffneten sowie organisierten Widerstandes gegen das Dritte Reich in Österreich, und leisteten einen maßgeblichen Beitrag zur Rückerlangung seiner Eigenstaatlichkeit. Und dennoch weist ihr Kampf auch eine Schattenseite auf, wie Valentin Hauser anhand mehrerer Verbrechen, wie etwa Raubüberfälle oder gezielte Tötungen, die den Partisanen zugerechnet werden können, belegt. „Einerseits wurden die Partisanen brutal verfolgt, andererseits haben jedoch auch sie beispielsweise NS-Funktionäre rücksichtslos gejagt und umgebracht,“ bringt der Autor die moralische Ambivalenz der Widerstandskämpfer auf den Punkt.
Buchtipp
Unglaubliche 2.800 protokollierte Arbeitsstunden hat Valentin Hauser in „Vergessene Wahrheiten“ (290 Seiten, 130 Fotos, € 29,90) investiert. Neben einer intensiven Literaturrecherche in nationalen und internationalen Archiven (u. a. Kärntner Landesarchiv, DÖW, Bundesarchiv Berlin und Arolsen Archives) führte er unzählige Zeitzeugengespräche mit Opfern der Nazidiktatur sowie der Partisanen, deren berührende Schicksale er vor dem Vergessen bewahren wollte. Zu beziehen ab Oktober im gut sortierten Buchhandel, auf www.mohorjeva.com oder direkt beim Autor (valentin.hauser@outlook.at)