Preisschock: Wird Bier zum Luxusgut?
Um nachvollziehen zu können, warum eine Bierpreiserhöhung hierzulande mitunter hochemotionale Reaktionen hervorruft, muss man sich den Status, den der Gerstensaft in der heimischen (Genuss-)Kultur einnimmt, vor Augen führen: So blickt zum Beispiel das Brauhandwerk in Österreich auf eine bis ins Mittelalter zurückreichende Tradition zurück. In der zweitältesten noch produzierenden österreichischen Brauerei, der Kärntner Privatbrauerei Hirt, wird etwa schon seit dem Jahre 1270 Bier hergestellt. Johann Strauß Sohn komponierte wiederum einen Walzer mit dem vielsagenden Namen „Gambrinius Tänze“, der 1851 in Denglers Bierhalle im fünften Wiener Gemeindebezirk seine Premiere feierte. Und mit Karl Schiffner wurde 2009 auch ein Österreicher zum ersten Weltmeister unter den Biersommeliers gekrönt. Statistisch gesehen nehmen Herr und Frau Österreicher zudem jährlich mehr als 100 Liter Bier zu sich.
Kostenexplosion
Dementsprechend verärgert reagierten viele Bierliebhaber auf die mit Februar seitens der Brau Union verkündete Bierpreissteigerung in Höhe von 9,5 Prozent, von der so beliebte Sorten wie Gösser, Puntigamer oder Villacher betroffen sind. Insbesondere die Gastronomie schlägt im Lichte dieser Entwicklungen Alarm und befürchtet, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Preise jenseits der Fünf-Euro-Marke für ein großes Bier flächendeckend zur Norm werden. Und für viele Wirte könnte dies mit einem dramatischen Gästeschwund einhergehen. Der Bierkonzern rechtfertigt sein Vorgehen jedoch mit dem Verweis auf die Kostenexplosion auf dem Energiesektor sowie den erheblichen Kostenzuwachs für die Beschaffung von Rohstoffen (Hopfen und Malz) und Glasflaschen – die momentan zudem von einem Lieferengpass betroffen sind. Die gestiegenen Personalkosten machen den Bierproduzenten zusätzlich zu schaffen.
Ungleichbehandlung
Verschärfend wirkt sich ferner der Umstand aus, dass Bier in den Supermärkten nach wie vor zu Spottpreisen angeboten wird – insbesondere im Zuge diverser Rabattschlachten. Die Produzenten erklären die Ungleichbehandlung von Handel- und Gastronomiekunden in ihrer Preispolitik mit dem erhöhten Leistungsaufwand für letztere: von der Schanktechnik über die Produktion von Werbemitteln (z. B. Bierdeckel) bis hin zur wöchentlichen Zustellung. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass Billigbieraktionen von Supermärkten oftmals als Lockangebote eingesetzt werden, um Kunden für einen größeren Einkauf in die Filialen zu lotsen. Der Gewinn für die Brauereien nimmt dabei meist bescheidene Ausmaße an.
Fairer Partner
Dass es jedoch auch Brauereien gibt, die ein offenes Ohr für die Nöte der heimischen Gastronomen haben, beweist die eingangs erwähnte Privatbrauerei Hirt. Das Traditionsunternehmen verrechnet seinen Gastrokunden mit acht Prozent nicht nur einen moderateren Preisaufschlag, sondern verzichtet des Weiteren auf die unter Großkonzernen gängige Praxis, diesen Preis im Drei-Montas-Rhythmus zu evaluieren und gegebenenfalls erneut zu erhöhen. Laut Eigentümer und Geschäftsführer Niki Riegler kann sich seine Brauerei, die sich als verlässlicher Partner ihrer Kunden versteht, diese großzügigere Vorgehensweise leisten, da sie zu 80 % energieautark arbeitet und in der Produktion auf regionale Rohstoffe sowie Wasser aus eigenen Bergquellen zurückgreift.
Alternativen
Trotzdem fürchten sich viele Wirte davor, dass sich der Trend zum Bierkonsum in den eigenen vier Wänden, der bereits von der Corona-Pandemie befeuert wurde, verstärken könnte. Einige unter ihnen machen sich daher bereits Gedanken über Alternativen zum österreichischen Schankbier. Häufig ist diesem Kontext von tschechischem Importbier, das um die Hälfte billiger erworben werden könnte, oder dem teilweisen Umstieg auf Flaschenbier, dem viele Biergenießer nicht per se ablehnend gegenüberstehen, die Rede. Darüber hinaus kooperieren bereits einige Gastronomen mit kleinen lokalen Brauereien, die ein exklusiv für das jeweilige Lokal gebrautes sowie ausschließlich dort erhältliches Bier kreieren. Ferner werden nun auch Stimmen laut, die für einen Paradigmenwechsel in der Bewertung des Bieres an sich plädieren. Sie sprechen sich für die Aufwertung des Getränks aus, dass nicht mehr als Billigprodukt, sondern als hochwertiges Genussmittel wahrgenommen werden sollte, dessen aufwändige Herstellung einen höheren Preis rechtfertige.
Shorttalk
Weekend: Wird Bier in Zukunft zum Luxusgut?
Niki Riegler: Nein, Bier wird definitiv kein Luxusgut und ist auch nicht das einzige Produkt, das in der Gastronomie teurer wird. Die Preise im Wirtshaus werden nicht von den Brauereien gemacht. Es liegt jedoch in ihrer Hand, wie fair sie ihre Bierpreise kalkulieren.
Weekend: Befürchten Sie, dass sich heimische Gastronomen und Bierliebhaber nach billigeren Alternativen im Ausland umsehen könnten?
Niki Riegler: Nein, das glaube ich nicht. Speziell Biere von österreichischen Privatbrauereien stehen für Regionalität, hohe Qualität und charakterstarken Biergeschmack, der von Bierliebhabern sehr geschätzt wird.
Weekend: Müsste aus Fairness gegenüber den bereits von der Corona-Pandemie gebeutelten Wirten nicht auch der Bierpreis in den Supermärkten deutlich angehoben werden?
Niki Riegler: Ja, weshalb wir unsere Preispolitik sowohl gegenüber der Gastronomie als auch gegenüber dem österreichischen Lebensmittelhandel fair, partnerschaftlich und ausgewogen gestalten, während große Konzerne diesbezüglich unterschiedliche Strategien verfolgen und anwenden.