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Embolo, Xhaka, Zakaria: Nicht gerade klassische Schweizer Namen
Embolo, Xhaka, Zakaria: Nicht gerade klassische Schweizer Namen
Laurent Gillieron / Keystone / picturedesk.com

Kosovo, Bosnien, Afrika: Schweizer Multi-Kulti-Truppe auf EM-Erfolgskurs

02.07.2021 um 08:13, Philipp Eitzinger
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Embolo, Xhaka, Zakaria, Shaqiri, Seferovic: Die Schweizer "Nati" ist seit Jahren eine echte Multi-Kulti-Truppe. Über zwei Drittel des Kaders hat Migrationshintergrund. Sie tragen die Schweiz zu Erfolgen, sorgen aber auch für Unbehagen.

60 Prozent der Schweizer haben keinen Migrationshintergrund, vermeldet das eidgenössische Bundesamt für Statistik - und von den übrigen 40 Prozent stammt die überwiegende Mehrheit aus Deutschland, Italien und Frankreich.

Verkehrte Welt in der "Nati"

Im Schweizer Kader ist es anders herum: Nur 30 Prozent der Teamkicker haben keinen Migrationshintergrund. Der Rest? Neun Spieler haben afrikanischen Wurzeln, andere stammen vom Kosovo (wie Kapitän Xhaka), aus Bosnien und sogar Spanien. Für Ricardo Rodriguez und Loris Benito wird das Viertelfinale gegen Spanien also zu einer ganz besonderen Angelegenheit.

Warum das so ist? "Weil sie gut sind und weil ihnen im Fußball der soziale Aufstieg offensteht", erklärt die Neue Zürcher Zeitung: "Vielleicht ist der Sport diesbezüglich ehrlicher als andere Gesellschaftsbereiche, Leistung lässt sich hier sehr objektiv beurteilen."

Die objektive Leistung von Einwanderer-Kindern von Murat Yakin über Gökhan Inler bis zu Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka: Seit 2004 war die Schweiz bei acht der neun WM- und EM-Endrunden dabei, sie stand dabei fünfmal im Achtelfinale und nun erstmals im Viertelfinale.

Dass sich Xhaka und Akanji während der EM die Friseure einfliegen ließen, fanden viele gar nicht cool.

"Faul und protzig, das geht gar nicht!"

Nach den französischsprachigen Westschweizern in den 1990ern (Chapuisat, Henchoz, Jeanneret, Quentin, Bonvin, Fournier) und den Deutschschweizern in den 2000ern (Frei, Vogel, Huggel, Wicky, Stiel, Lichtsteiner, die Degen-Zwillinge) sind es nun die "Secondos", wie die Einwandererkinder genannt werden, welche die Schweizer Leistungsträger sind.

Das sorgt aber auch für Unbehagen, vor allem, wenn es allzu offensichtliche Prolo-Aktionen gibt. Als sich Akanji und Xhaka vorm EM-Spiel gegen Italien Friseure einfliegen ließen, um sich die Haare zu blondieren, sorgte das für einen Aufschrei - zumal sie beim folgenden 0:3 eine wahrlich haarsträubende Leistung zeigten. "Faul und protzig, das geht in unserem Land gar nicht", erkärte der Integrations-Experte Thomas Kessler im "Blick".

"Wir müssen aufpassen, dass uns die Schweizer Integrationsfiguren nicht ausgehen", hatte vor einigen Jahren auch schon der damalige Teamkapitän Stephan Lichtsteiner gewarnt, als mit Schwegler und Barnetta zwei weitere Spieler ohne Migrationshintergrund aus dem Kader gefallen sind.

Stephan Lichtsteiner: Noch acht Spieler ohne Migrationshintergrund

Zwei Schweizer Teams bei der EM 2016

Kurios ist, dass auch andere Länder von den Migrations-Schweizern profitieren. So war Albanien 2016 bei der EM eigentlich ein zweites Schweizer Team: Neun (!) albanische Kaderspieler wurden in der Schweiz geboren und/oder sind dort aufgewachsen. Kinder mit Schweizer Wurzeln drängen eher in den Wintersport - also auf die Skipisten, die Langlauf-Loipen und in das bei den Eidgenossen ungemein populäre Eishockey. Im Schweizer Eishockey-WM-Kader 2021 hatten nur drei der 27 Cracks Migrationshintergrund.

Dass sich im Fußball das Bild bald ändert, ist übrigens nicht zu erwarten. Im U-21-Team stehen neben Namen wie Rieder, Wallner und Theler auch Hajdari, Okoh, Gomez, Mambimbi, Stojilkovic - und Salzburgs Noah Okafor.

Daher stammen die Migrations-Schweizer ab

Akanji: Mutter Schweizerin, Vater Nigerianer
Benito: Spanien
Cömert: Türkei
Embolo: Kamerun
Fernandes: Kap Verde
Gavranovic: Bosnien
Lotomba: Vater aus Angola, Mutter aus dem Kongo
Mbabu: Vater Franzose, Mutter aus dem Kongo, Stiefvater aus Österreich
Mehmedi: Nordmazedonien
Mvogo: Kamerun
Omeragic: Bosnien
Rodriguez: Vater aus Spanien, Mutter aus Chile
Seferovic: Bosnien
Shaqiri: Kosovo
Sow: Vater aus dem Senegal, Mutter Schweizerin
Vargas: Vater aus Dominica, Mutter Schweizerin
Xhaka: Kosovo
Zakaria: Vater aus dem Sudan, Mutter aus dem Kongo

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