Jakob Schubert: Was kommt nach Bronze bei Olympia?
Jakob Schubert, sechsfacher Weltmeister, holte sich nach Bronze in Tokio 2021 nun seine zweite Olympiamedaille, ebenfalls in Bronze. Nach dem Boulderbewerb lag der 33-Jährige klar zurück, schaffte aber mit der Bestleistung des Tages im Vorstieg den Sprung aufs Podest. Damit ist er der einzige männliche Athlet, der bei beiden Olympischen Spielen, bei denen Klettern olympisch war, eine Medaille erringen konnte.
Medaillenhoffnung
Du warst ein heißer Kandidat für Edelmetall in Paris. Zurückgekommen bist du mit Bronze. Überwiegt die Freude oder der Gedanke, dass vielleicht mehr möglich gewesen wäre?
Schubert: Beim Bouldern hab ich definitiv Gold und Silber verloren. In der Isolationszone war der Frust dann schon da – ich hab doch einige Chancen liegen gelassen. Aber ich wusste, dass ich noch die Möglichkeit auf eine Medaille habe. Im Vorstieg bin ich gut drauf – und mit dem Gefühl bin ich dann 45 Minuten später die Route geklettert – und hab doch noch Bronze geschafft. Natürlich ist die Enttäuschung noch nicht ganz weg, wenn man sich monatelang im Training mit der potentiellen Goldmedaille pusht. Aber das Feld bei den Männern war einfach extrem stark, die Abstände sehr knapp. 17 Männer sind ohne Medaille heimgefahren – insofern bin ich über Bronze schon sehr glücklich.
Disziplin und Ruhe
Mental war die Aufholjagd sicher nicht leicht.
Schubert: Frust abzuschalten und sich neu zu motivieren und zu konzentrieren gehört im Wettkampf dazu, ist aber sicher nicht leicht. High-Pressure-Situationen wie Olympia sind immer speziell. Aber Erfahrung hilft – und auch das entsprechende Umfeld. Es ist ja nicht nur der Bewerb mental fordernd, sondern bereits die ein, zwei Monate davor. Erwartungen, der Druck von außen, aber auch der Druck, den man sich selbst macht – da ist es wichtig, Leute um sich zu haben, die einen verstehen und bei denen man den Kopf auch freibekommt.
Warst du seit Paris schon wieder am Fels bzw. an der Kletterwand?
Schubert: Gut eine Woche Pause wollte ich mir sowieso gönnen, aber ich hab mir bei der Boulderrunde auch die Schulter beleidigt, also hat ein bisschen Ruhe nicht geschadet. Jetzt habe ich wieder locker gestartet. Im September geht es nach Mallorca zum Deepwater Soloing (siehe Bild unten), so wie auch letztes Mal nach Tokio.
Nächste Schritte
Die Olympischen Spiele sind vorbei – was sind deine nächsten Pläne bzw. Projekte?
Schubert: Kurzfristige Ziele habe ich schon vor Olympia fixiert – das wichtigste Projekt für heuer liegt in der Verdonschlucht: ich will die DNA-Route klettern, das ist eine von nur drei 9c-Routen weltweit. Im Winter werde ich mich auf Bouldern konzentrieren. Langfristig ist noch vieles offen. Nächstes Jahr möchte ich auf jeden Fall noch an Wettkämpfen teilnehmen und werde mich auf die WM konzentrieren.
Wie wahrscheinlich ist eine dritte Olympiateilnahme?
Schubert: Das halte ich mir offen – meine Entscheidung hängt auch davon ab, wie sich der Klettersport bei Olympia entwickelt.
Vorstieg als eigene Disziplin
Du sprichst davon, ob Bouldern und Vorstieg künftig als eigene Disziplinen gewertet werden?
Schubert: Genau, das wäre mein großer Wunsch, weil ich im Vorstieg realistische Chancen habe. Wenn das nicht der Fall ist, ist es schwer vorstellbar, dass ich in der Kombination mit den Jungen noch mithalten kann. Der Routenbau im Bouldern hat sich sehr stark weg von Kraftelementen hin zu technischen Elementen entwickelt, ist fast schon akrobatisch. Das ist für erfahrenere Kletterer oft schwerer zu lernen.
Schönster Moment
Was war der schönste Moment deiner Karriere?
Schubert: Da gibt es so viele Momente: das erste Mal Jugendweltmeister, das erste Mal Weltmeister, die erste Olympiamedaille, die erste 9c-Route. Was Paris und die Weltmeisterschaft in Innsbruck so besonders gemacht haben, waren die Leute. Meine Familie, meine Freundin, viele gute Freunde waren dabei – das pusht nochmal extra. Und Paris war auch generell ein ganz anderes Erlebnis als Tokio, wo noch aufgrund Corona keine Zuschauer dabei waren.