Gefährliche Falle: Teilzeit stürzt Frauen in Altersarmut
Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat die Debatte um die Teilzeit als Arbeitsmodell wieder neu angestoßen. Sein Vorschlag: Weniger Arbeitszeit, weniger Sozialleistungen. Für viele Arbeitnehmerinnen, denn die meisten die nicht Vollzeit arbeiten sind Frauen, ist Teilzeit bereits jetzt eine prekäre Notlösung als präferiertes Wunschmodell. Das Problem: mangelnde Kinderbetreuung.
Fehlende Betreuung macht Teilzeit nötig
Bei Müttern mit Kindern unter zwölf Jahren ist es ein beliebtes Modell: Genug Zeit für die Kleinen, trotzdem ein Einkommen. Oft wird damit schöngeredet, dass Teilzeit kein Privileg, sondern notwendiges Übel ist, um den Spagat zwischen Betreuung und Arbeitswelt zu meistern. Stereotype, fehlende Betreuungsplätze und weit klaffende Gehaltsschere treiben vor allem Frauen in die Teilzeitfalle. Und die hat es kurz-, mittel-und langfristig dramatisch: Weniger Einkommen, weniger Aufstiegschancen, weniger Pension.
Fakt: Fast 80 Prozent der Mütter arbeiten weniger als 38,5 Stunden pro Woche.
Kinderbetreuung ist weiter Frauensache
Eine Umfrage der Wirtschaftsagentur Deloitte bestätigt: Kinderbetreuung ist in Österreich nach wie vor Frauensache. "Frauen befinden sich oft in der Teilzeitfalle. Das liegt vor allem an ihrer Rolle innerhalb der Familie", so Elisa Aichinger, Senior Managerin bei Deloitte Österreich. Fast 80 Prozent der Mütter arbeiten weniger als 38,5 Stunden pro Woche. Viele Frauen würden gerne mehr Stunden absolvieren, haben aber aufgrund von mangelndem Betreuungsangebot keine Möglichkeit dazu.
Mich würde ehrlich interessieren, wie viele Männer kennt ihr in eurem Umfeld, die in #Teilzeit arbeiten?
— Noah Schönhart (@NoahSchoenhart) February 14, 2023
Ich musste länger nachdenken und bin schließlich auf genau einen Mann gekommen – erschreckend wenig. #Kocher
1,6 Milliarden Euro fehlen für Finanzierung
Guter Rat ist teuer. Ein Umstand, den auch der Arbeitsmarkt schmerzlich spürt. An allen Ecken und Enden fehlt aktuell Personal. "Wenn ich nur einen einzigen Vorschlag machen könnte, dann wäre es der Vorschlag flächendeckend Ganztages- und Ganzjahreskinderbetreuungseinrichtungen, die kostenlos oder leistbar sind, einzuführen", sagte AMS-Chef Johannes Kopf erst im vergangenen Herbst in der ZIB2. Auch Arbeitsminister Martin Kocher beklagt, dass Frauen dem Arbeitsmarkt nicht mit ihrem vollen Potenzial zur Verfügung stehen. Ob sein kürzlich im Kurier-Interview geäußerter Vorschlag, bei Teilzeit nur Teile der Sozialleistung auszuzahlen, zur Lösung beiträgt, darf allerdings bezweifelt werden. In der Theorie weiß man jedenfalls, wo der Schuh drückt. Praktisch bleiben wohl die Kosten das Problem: Wie eine von Industriellenvereinigung unterstützte Studie errechnet hat, bräuchte es rund 1,6 Milliarden Euro jährlich, um die flächendeckende Kinderbetreuung gewährleisten zu können.
Fakt: Für die flächendeckende Kinderbetreuung bräuchte es 1,6 Milliarden Euro jährlich.
Neuer Trend: Job-Sharing
Das Thema Teilzeit endet nicht an der Tür zur Kinderkrippe. Selbstverständlich ist Vollzeit nicht für jeden, zu jedem Zeitpunkt die richtige Wahl. Immer wieder gibt es Lebensabschnitte, in denen eine kurze Phase der Teilzeitarbeit sinnvoll sein kann. Profitabel ist das auch für Unternehmen. Immer öfter besetzen Arbeitgeber eine Vollzeit-Stelle mit zwei Teilzeitarbeitskräften. Im sogenannten “Job-Sharing” lässt sich das Risiko streuen “Teilzeitkräfte haben das Potenzial zum Aufstocken z.B. bei Ressourcen-Engpässen”, ist Christoph Mandl, Personalchef der Wirtschaftskammer Österreich überzeugt. Er warnt aber: “Solche Modelle sind fast ausschließlich in Transformationszeiten wie Elternteilzeit oder bei bevorstehenden Pensionierungen möglich.” Sinn macht das Konzept gerade in höheren Positionen, wenn es etwa darum geht, eine Nachfolge aufzubauen.
Fakt: Frauen bekommen aktuell 42,3 Prozent weniger Pension.
Teilzeit führt zu Karriereknick
Um für eine entsprechende Position in Betracht zu kommen, muss man sich davor aber erst einmal in der Vollzeit beweisen. Wer dem Arbeitsmarkt zu lange nicht in vollem Ausmaß zur Verfügung steht, hat früher oder später Probleme, seine Karriere weiterzuentwickeln. "Eine Vollzeitbeschäftigung ist die Grundvoraussetzung für gleiche Karrieremöglichkeiten", weiß auch Elisa Aichinger, Senior Managerin bei Deloitte Österreich. Verbaut werden mit einem Mangel daran nicht nur Karrierechancen.
Fakt: Zehn Prozent der Frauen und zwanzig Prozent schaffen den Sprung zurück in die Vollzeit nicht.
Teilzeit möglichst gering halten
Voller Wille, halbe Stelle. Wichtig ist deswegen, den Zeitraum möglichst gering zu halten. Wer länger in Teilzeit arbeitet, läuft Gefahr, den Umstieg zurück in die Vollzeit zu verpassen. Denn: Auch abseits der leidigen Betreuungsproblematik ist Teilzeit nicht immer ein Herzenswunsch. Viele schaffen den Sprung zurück nicht. Zehn Prozent der Frauen und doppelt so viele Männer geben an, keine Vollzeitstelle gefunden zu haben.
Fakt: Jede neunte Oberösterreicherin ist armutsgefährdet.
Frauen häufiger von Altersarmut betroffen
Größte Gefahr und böses Erwachen lauern aber am Ende des Erwerbslebens: Das reduzierte Einkommen senkt die Pensionshöhe drastisch. Frauen bekommen aktuell 42,3 Prozent weniger Pension. Besonders prekär gestaltet sich die Situation aktuell in Oberösterreich. Das Bundesland ist Rekordhalter bei der weiblichen Teilzeitbeschäftigung. Nur 41 Prozent beschäftigten Frauen haben eine Vollzeitstelle. Die durchschnittliche Alterspension von männlichen Beschäftigten ist hier beinahe doppelt so hoch wie jene der Frauen. Konkret erhalten Männer durchschnittlich 2.221 Euro, bei Frauen sind es knapp 1.180 Euro. Jede neunte Oberösterreicherin ist armutsgefährdet.
>>> Arbeitsminister Kocher zu Teilzeit: Weniger Arbeit, weniger Sozialleistungen