Putin-Versteher: Liebesgrüße nach Moskau
Dass Wladimir Putin ein Faible für Österreich hat, ist nicht verwunderlich. Der russische Staatschef war immer ein gern gesehener Gast. Bei einem Termin in der Wirtschaftskammer 2014 wurde er sogar mit Standing Ovations empfangen. Die engen Beziehungen der heimischen Wirtschaft und die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen sind weitere Gründe, warum Österreich bisher zu jenen Staaten gehörte, die bei Sanktionen gegen Russland auf der Bremse standen.
Knicks von Gamlitz
Der Besuch bei der Hochzeit der damaligen Außenministerin Karin Kneissl passt bestens in dieses Bild. Putins Auftritt in der Südsteiermark und der Knicks der Ministerin sorgen 2018 für schöne Propagandabilder im russischen Staatsfernsehen. Ebendort äußert sich Kneissl am Tag des Angriffs auf die Ukraine: Putin habe „die Minimalform an Eskalation“ gewählt, so die Ex-Ministerin, die aktuell im Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft sitzt. Kneissl fügt sich damit in eine ganze Reihe von ehemaligen Spitzenpolitikern ein, die eine zweite Karriere in Aufsichtsräten von russischen Firmen machten.
Aufsichtsrat via Ballhausplatz
Vor allem das Bundeskanzleramt ist ein gutes Sprungbrett nach Russland. Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ) war seit 2019 Aufsichtsrat der russischen Staatsbahn RZD. Der ehemalige ÖBB-Chef hat seine Funktion aus Protest über den Angriff der Russen mittlerweile zurückgelegt. Gegenüber dem Standard betont Kern, dass er es zutiefst bedauere, dass die „RZD tats chlich Teil einer Kriegslogistik geworden“ sei. Anders verhielt sich die Situation lange bei Wolfgang Schüssel (ÖVP). Der schwarze Altkanzler war bis vor Kurzem noch im „Board of Directors“ des Mineral lkonzerns Lukoil tätig. Einen Rückzug aufgrund der Lage in der Ukraine hielt Schüssel lange nicht für notwendig, da Lukoil an der Londoner Börse notiert sei und nicht im Staatseigentum stehe. Aufgrund des medialen Drucks entschied sich Schüssel dann doch dafür, sein Aufsichtsratsmandat niederzulegen. Nicht ganz so klar ist die Situation bei Alfred Gusenbauer (SPÖ), der zumindest am Papier im Aufsichtsrat des „Dialogue of Civilizations Research Institute (DOC)“ sitzt, aber behauptet, seit Jahren keinen Kontakt mehr mit dem Institut zu haben. Das DOC wurde von Wladimir Jakunin gegründet, der als enger Vertrauter Putins gilt. Zuvor hat Gusenbauer für die „Hapsburg Group“ lobbyiert, die Stimmung für die pro-russische Regierung von Ex-Ukraine- Präsident Janukowitsch gemacht hat. Apropos Präsident: Auch Ex-Bundespräsident Heinz Fischer pflegte bei diversen Besuchen einen äußert freundlichen Umgang mit Wladimir Putin.
Russlandfreunde
In Österreich besonders auffällig war bisher die FPÖ, die einen russlandfreundlichen Kurs eingeschlagen hat. Das ehemalige Spitzentrio um Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer und Johann Gudenus schließt 2016 sogar einen „Freundschaftsvertrag“ mit der Putin-Partei „Einiges Russland“. Ziel des Abkommens war unter anderem die „Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude“. Der Vertrag wird aber von FPÖ-Chef Herbert Kickl 2021 nicht verlängert. Dieser sorgt dafür im Nationalrat für Aufsehen, als er die österreichische Teilnahme an Sanktionen gegen Russland als „Völkerrechtsverletzung“ bezeichnet. Den Ukraine-Konflikt nennt er „komplex und multidimensional“. Die Ursachenforschung müsse laut Kickl auf beiden Seiten erfolgen. Ebenfalls auf der Seite der Putin-Versteher hat sich Ex-BZö-Politiker und Bundespräsidentschaftskandidat Gerald Grosz, gestellt. Der Polit- Blogger ist aufgrund seiner markigen Sprüche ein gern gesehener Gast in Talkrunden. Auch zum Ukraine-Konflikt: So war der Polit-Kommentator bereits als Interviewpartner bei BILD Live und dem russischen Propagandasender Russia Today zu Gast. In beiden Gesprächsrunden äußerte Grosz die gewagte These, dass der Angriffskrieg der Russen zwar zu verurteilen, aber auf Provokationen von USA, NATO und EU zurückzuführen sei.
Wirtschafts-Appeasement
Nicht nur die Polit-, auch die Wirtschaftselite zeigt sich vorsichtig verhalten mit Kritik. Ein Grund für die abwartende Haltung mag in den engen wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland liegen. WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf (ÖVP) warnte bereits vor dem Einmarsch, dass Strafsanktionen der EU und deren Folgen „genau überprüft werden“ müssten. Der langjährige WKO-Präsident Christoph Leitl, der auch der Vertreter der österreichischen Zivilgesellschaft im Sotschi-Dialog ist, äußerte sich in einem Interview mit ATV fast schwärmerisch über den Kreml-Chef. Putin sei ein „genialer politischer Schachspieler“, der Handschlagqualität habe. Man müsse Putin zuhören. Wenn dieser nämlich das Gefühl bekomme, seine Anliegen würden nicht ernst genommen, „wird er grantig, und dann auch aggressiv“. Gute Beziehungen nach Russland werden auch Steyr-Automotive-Eigentümer und Investor Siegfried Wolf nachgesagt. Wolf legt allerdings seine Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der mittlerweile insolventen Sberbank Europe mit Ende der Periode am 22. März zurück.