Energiepreise gehen durch die Decke
Konsumentenschützer haben die Haushalte in den letzten Jahren immer wieder ermutigt, die Strom- und Gasanbieter zu wechseln. Jetzt raten sie davon ab. Ein Blick auf die aktuellen Preise für Strom-Neukunden macht sofort klar, warum. So muss man derzeit als neuer Kunde bei der Salzburg AG 34,8 Cent brutto pro Kilowattstunde bezahlen, bei der oberösterreichischen Energie AG sogar stolze 50,29 Cent. Dazu kommen noch die pauschale Netzgebühr sowie Steuern und Abgaben. Anmerkung: der genannte Kilowattstundenpreis macht bei Strom etwa ein Drittel des Gesamtpreises aus.
Saftige Mehrkosten für 2022
Beispielrechnungen der Arbeiterkammer zeigen, wie sich die Preiserhöhungen bei Strom und Gas auswirken werden. Nach und nach erhöhen die Anbieter ihre Tarife nämlich nicht nur für die Neukunden, sondern auch für ihre „Bestandskunden". Laut AK kommt auf einen Strom und Gas verbrauchenden Haushalt im Osten Österreichs eine Erhöhung von rund 280 Euro (bei einem angenommenen Verbrauch von 10.000 kWh Gas und 2.200 kWh Strom) zu. Über 423 Euro sind es bei einem Verbrauch von 15.000 kWh und 3.500 kWh Strom und bis zu 600 Euro bei einem Jahresverbrauch von 23.000 kWh Gas und 4.500 kWh Strom.
Im Winter schwächeln die Flusskraftwerke
Auslöser für diese Mehrkostenlawine sind die gestiegenen Großhandelspreise. Dass auch Elektrizität an der Börse gehandelt wird, genauso wie Getreide oder Aktien, ist vielen Konsumentinnen/-en nicht bewusst. Und doch ist es so. Die maßgebliche Strombörse ist die „European Energy Exchange“ (EEX) in Leipzig, dort kaufen Österreichs Energieversorger kurzfristig Megawatt-Pakete zu, wenn die nationale Produktion nicht ausreicht. Das ist meistens im Winter der Fall, wenn die Wasserkraftwerke wegen der niedrigen Pegelstände schwächeln. Bis zu 40 Prozent des österreichischen Strombedarfs muss da bisweilen im Ausland besorgt werden.
Gaspreis um 400 Prozent gestiegen
In letzter Zeit kam das Einkaufen im europäischen Strom-Großhandel sehr teuer. Der Preisanstieg sei „beispiellos“, berichtet die Österreichische Energieagentur (AEA), die sich wiederum auf eine Analyse der Europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) stützt. Die Großhandelspreise seien „gegenüber dem Jahr 2020 um rund 200 Prozent gestiegen, verursacht durch den Anstieg der Gaspreise um etwa 400 Prozent“, heißt es in einer Stellungnahme der AEA.
Flüssiggas-Boom
Was hat der Gaspreis mit dem Strompreis zu tun? Das ist schnell erklärt: 20 Prozent der Elektrizität wird in der Europäischen Union durch Gaskraftwerke erzeugt. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass Europa etwa 60 Prozent seines Erdgasbedarfs mit Importen deckt, vor allem solchen aus Russland und Norwegen. Auch Flüssig-Erdgas (LNG) aus den USA oder dem arabischen Raum wird normalerweise importiert, dieses fehlte aber 2021 auf dem europäischen Markt, weil es vorwiegend nach Asien verkauft wurde, wo die Wirtschaft wieder kräftig anzog.
Die Rolle der Zertifikate
Die Preise für CO2-Zertifikate im Rahmen des EU-internen Emissionshandels verdoppelten sich im ersten Halbjahr 2021 auf rund 60 Euro pro Tonne CO2, im November 2021 wurde sogar die 70-Euro-Marke erreicht – auch das wirkt sich naturgemäß auf den Gaspreis aus. Erdgas ist ja ein „Klimagas“ und wer es verbrennt, setzt CO2 frei und muss dafür Zertifikate kaufen.
Und wie lange noch?
Karina Knaus, Leiterin der Abteilung „Wirtschaft, Konsumenten & Preise“ der Österreichischen Energieagentur, rechnet mit einem baldigen Ende der Preisrally an den Energiebörsen. "Im zweiten Quartal 2022, also nach Ende der Heizsaison, dürften die Gaspreise nachlassen. Und das sollte sich auch bei den Strompreisen bemerkbar machen“, sagt die Expertin. Ob die Haushalte etwas davon mitbekommen, wird sich weisen. Die Arbeiterkammer hat bei ihrem Strompreismonitoring innerhalb der vergangenen zehn Jahre festgestellt, „dass Preisreduktionen an den Börsen nur sehr langsam oder gar nicht an die Konsument:innen weitergeben werden“.