Drei Fakten, die unser Bild von Afrika verändern
Dass Österreichs Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck im Vorfeld des EU-Afrika-Gipfels den riesigen Kontinent als „Land“ bezeichnet hat, sorgte in sozialen Medien für Häme. Sie ist nicht die erste Politikerin, die ins Fettnäpfchen getreten ist, auch wenn es wohl ein Versprecher war. Aber der Vorfall zeigt auch: Unser Kenntnisstand über Afrika im Vergleich zu anderen Weltregionen ist allgemein nicht sehr groß. Aber warum ist das so?
Lernen von "Silicon Savannah"
„Unser Wissen über afrikanische Länder ist spärlich und beruht immer wieder auf falschen Annahmen, die dann zu unrichtigen Aussagen führen. Ich glaube ein Grund ist, dass in unserem Unbewussten immer noch der alte koloniale Blick auf Afrika gespeichert ist, der klar rassistisch und paternalistisch war“, sagt Hans Stoisser. Der Wiener Ökonom und Afrikaexperte war zum Zeitpunkt dieses Interviews gerade von Nairobi (Kenia) nach Kigali, der Hauptstadt Ruandas, unterwegs. Mit dabei: 20 Führungskräfte im Rahmen des Executive MBA Programms „Learning Journey to Silicon Savannah“ der Wirtschaftsuniversität Wien. Sein neues Buch heißt „Kesho Business“, was übersetzt „Zukunftsbusiness“ bedeutet. „Genau jetzt werden von zukünftigen großen Unternehmen Marktanteile in den afrikanischen Ländern geschaffen“, ist der Autor überzeugt.
Weltweit führend im Online-Banking
Stoisser beschäftigt sich seit Jahren mit Afrika und dessen wirtschaftlichen und technologischen Wandel. Es sind spannende Entwicklungen, die in vielen Ländern Afrikas derzeit passieren und die kaum wer in Europa auf dem Radar hat. Der Autor erwähnt drei Bereiche: Zum einen die digitale Transformation, die von Technologiesprüngen geprägt ist. Kenia ist weltweit führend im Online-Banking. Die Energieversorgung wird von Beginn an dezentral organisiert. Cargo-Drohnen wurden zuallererst in Ruanda entwickelt. Weil es weniger alte Technologien gibt, weniger Regulierungen und weniger Besitzstände, können neue Dinge leichter entstehen.
Junge Menschen, mehr Dynamik
Zweitens: Die jugendliche Bevölkerung, die immer mehr in den großen Städten lebt. Das Medianalter liegt bei den meisten afrikanischen Ländern bei knapp über 20 Jahren, bei uns aber bei über 45 Jahren. „In Afrika ist eine ganz andere Dynamik und eine andere Veränderungsbereitschaft da. Schon deshalb werden immer mehr disruptive Innovationen in Afrika entstehen“, ist Stoisser überzeugt.
Cargo-Drohnen wurden zuallererst in Ruanda entwickelt. Weil es weniger alte Technologien gibt, weniger Regulierungen und weniger Besitzstände, können neue Dinge leichter entstehen.
Neue afrikanische Mittelschicht
Und drittens nennt Stoisser die zunehmende Integration der afrikanischen Mittelschicht und überhaupt der afrikanischen Unternehmen in die global vernetzte Gesellschaft: „Wir kommen uns immer näher, wir wissen immer mehr voneinander. Covid hat in der Online-Kommunikation gerade wieder einen Schub ausgelöst.“ Stoisser ist auch davon überzeugt, dass die Armut in vielen afrikanischen Ländern besser mit Investitionen und Förderung des Unternehmertums statt nur mit Entwicklungshilfe bekämpft werden kann.
Mehr Unternehmertum statt Entwicklungshilfe
Private Investitionen seien die einzige Möglichkeit, Entwicklungen nachhaltig zu gestalten. Wenn Unternehmen die lokale Bevölkerung mit Gütern oder Dienstleistungen versorgen wollen, müssen sie an lukrativen Geschäftsmodellen arbeiten. Lukrativ heißt dabei auch, dass Ressourcen effizient eingesetzt werden, dass Kunden wirksam bedient werden und auch, dass Kapital für weitere Investitionen erwirtschaftet wird. Und es werden Anreize für die Unternehmen geschaffen, im Land weiterzumachen. „Es ist schön, die in den letzten Jahren entstandene Startup-Bewegung am afrikanischen Kontinent zu beobachten, bei der tausende zumeist junge Menschen versuchen, wirksame Geschäftsmodelle zur Versorgung der Bevölkerung zu erarbeiten", sagt Stoisser. Die gesetzten Anreize zwingen diese Unternehmen dazu, neue funktionierende Lösungen zu finden. "Welch ein Gegensatz zu den alten Gewerbeförderungsprojekten der Entwicklungszusammenarbeit, wo es naturgemäß darum ging, zuerst die Geldgeber zufrieden zu stellen."